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Dienstag, 26. März 2019

Freiheitsgewinn 2 - Der Frauenbefreier Jesus in "Maria Magdalena" von Garth Davis

Ein Film über Maria Magdalena muss viele Klippen umschiffen.
Eine erste Klippe besteht darin, die Beziehung von Jesus und Maria als Liebesgeschichte zu erzählen und aus dem Verhältnis von Jüngerin und Meister eine Seifenoper zu machen. Dann kann es sein, dass die phantasievoll ausgemalten sozialen Konflikte (Maria als Prostituierte am Rand der Gesellschaft etc.) breiten Raum einnehmen und die religiöse Botschaft des Jesus von Nazareth dahinter verschwindet. Manchmal werden auch ahistorisch die heutigen Probleme (beispielsweise mit religiösen Autoritäten) in einen Film hineingetragen.

Donnerstag, 21. März 2019

Freiheitsgewinn 1 – "Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche" von Doris Wagner

In den letzten Themenreihen der Fastenzeit habe ich mich stark auf die Passion fokussiert – 2016 "Der Gekreuzigte" und 2018 "Das Sterben spüren".
Das Thema in diesem Jahr soll "Freiheitsgewinn" lauten, denn Fasten hat ja auch zu tun mit dem Heraustreten aus der eigenen Begrenztheit hinein in die Weite Gottes.
Es soll in den Beiträgen unter diesem Titel darum gehen, Abhängigkeiten und Enge zu erspüren und Freiheitspotenziale auszuloten.

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Am Beginn stehen im vorliegenden Beitrag die Analysen und Schlussfolgerungen von Doris Wagner, ehemalige Ordensfrau und (inzwischen verheiratete) Autorin des bemerkenswerten Buches "Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche".1

Dienstag, 5. März 2019

Um Vergebung bitten - Predigt an Aschermittwoch

Ein wichtiges Thema der beginnenden Fastenzeit ist der Aufruf zur Umkehr.

Dort, wo ich falsch gegangen bin, dort, wo ich meinen Nächsten verletzt habe, dort, wo ich Schuld auf mich geladen habe, dort bin ich aufgefordert, umzukehren.

Oft genug gehört dazu, um Vergebung zu bitten.
Aber es müssen mehrere Hindernisse bewältigt werden, wenn ich diese Bitte aussprechen will:

1. Oft genug versuche ich als erstes, mich zu entschuldigen.
Hinauf! Ins Licht!
Wilmersdorf, Berlin, 2018.
Doch ich kann mir meine Schuld nicht selbst wegnehmen – was "mich entschuldigen" ja genau genommen heißt.
Vielmehr bitte ich die Person, an der ich schuldig geworden bin, darum mir zu verzeihen.
Das kostet enorme Überwindung - und führt damit zum zweiten Hindernis.

2. Oft genug schaffe ich es nicht, um Vergebung zu bitten.
Ich selbst kenne das, wenn die Situation einfach noch zu aufgeheizt ist und der Andere maulend rausgeht oder mit der Tür knallt, so dass ich jetzt erst recht keine Lust mehr habe, meinen Teil der Schuld einzugestehen. Dann muss ich erst einmal tief durchatmen und emotional runterkommen.
Besonders anstrengend finde ich das im Straßenverkehr, wo die Einsicht, selbst etwas falsch gemacht zu haben, gerade in einer Stadt wie Berlin nur selten vorhanden ist.
In solchen Situationen rege ich mich besonders schnell auf und werde auch aggressiv, aber bevor sich die Sache entspannen kann, ist die Person auch schon wieder weg.
Das korrespondiert mit einem weiteren Hindernis:

3. Oft genug gibt es gar keine Instanz, bei der ich Vergebung finden kann.
Im Straßenverkehr (und auch sonst manchmal) ist die Person, an der ich schuldig geworden bin, schon wieder fort.
Auch bei manch anderer Art von Schuld, wie zu hoher Alkoholkonsum oder Steuerhinterziehung, haben keinen direkten Adressaten, der dies verzeihen kann.
Doch dieses Hindernis geht noch tiefer: Wohin wendet sich ein Mensch, der an keine göttliche Instanz über sich glaubt, wenn er mit Schuld und Vorwürfen seines Gewissens zu kämpfen hat? Wo findet er Vergebung?

Manche Menschen, die für eine Straftat verurteilt wurden, gehen davon aus, dass die Vollstreckung eines Urteils dafür sorgt, dass sie anschließend "ent-schuldigt" aus dem Gefängnis gehen. Im juristischen Sinne mag das auch stimmen. Allerdings ist es zwar die Aufgabe der Justiz, Verbrechen zu ahnden, und demzufolge sitzen viele Verurteilte im Knast dann ihre Strafe ab, aber der Freiheitsentzug schenkt keine Vergebung – höchstens das Gefühl, nun lang genug gesessen zu haben.

Wenn sich jemand also mit seiner Schuld, sei sie nun strafrechtlich relevant oder nicht, auseinandersetzt, dann wird er (oder sie) irgendwann an den Punkt kommen, dass bei allen Relativierungen, bei aller Schuld der Gegenseite, bei allen zwecklosen Versuchen, Vergebung zu erlangen, irgendwann die Frage im Raum steht, wie man dieses Geschenk der Vergebung denn nun bekommen kann.
Für nicht wenige wird dies zu einer existenziellen Frage: Wer vergibt mir all den Mist, den ich in meinem Leben falsch gemacht habe? Wie finde ich die innere Freiheit wieder, die Vergebung mir schenken kann?

Garben, stehend.
Neuendorf, Hiddensee, 2018.
4. Ein barmherziger Vater
Wenn wir uns die Geschichte vom verlorenen Sohn anschauen (Lk 15,11-32), die Jesus im Lukasevangelium erzählt, dann hören wir von einem Draufgänger, der sich mit seinem Erbe davonmacht und den Vater sitzen lässt. Das Geld, das ihm eigentlich erst nach dem Tod des Alten zusteht, zieht der Junge ihm aus der Tasche, während er noch am Leben ist und es selbst benötigt. Für den Sohn ist der Vater nichts mehr wert, er braucht ihn nicht mehr, jetzt, wo er das Geld hat.
So mit Geld und Schuld beladen, geht er von dannen und macht sich ein schönes Leben. Als dieses mangels Geld endet, steht er allein da. Er versucht noch kurz, mit Arbeit über die Runden zu kommen, aber merkt schnell, dass er dort nicht weiterkommt.

Nun kommt die entscheidende Stelle (v18f): Der Sohn im Gleichnis weiß, wohin er gehen kann, um Vergebung zu erbitten!

"Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!" (Lk 15,18f.)

Obwohl er seinen Vater so furchtbar behandelt hat, ist die innere Verbindung zu ihm noch nicht ganz abgerissen und er will um Verzeihung bitten.
Obwohl der Vater nicht anwesend ist, macht er sich Gedanken – und schließlich auf den Weg.
Obwohl er dem Vater gesagt hat, dass der für ihn schon nicht mehr existiert – wagt er es dennoch.

Der Sohn macht also das, was Fastenzeit will: Er kehrt um. Außerdem will er sich vor seinem Vater erniedrigen, weil ihm klar wird, wie furchtbar sein Verhalten war.

Aber er weiß nicht, was wir schon wissen:
Es erwartet ihn ein Vater, der ihn in die Arme nimmt. Der nicht straft. Nicht schimpft. Nicht Genugtuung und Sühne und Erniedrigung will.
Sondern sich einfach freut, dass der Verlorene zurückkehrt.

Das ist toll. Denn dieses Gottesbild kann sehr befreiend sein. 

5. Und wir
Unser Problem ist nur:
Wir erwarten schon die Vergebung vom "lieben Gott". Wir rechnen heimlich schon mit einem Gott, der uns vergibt. 
Nicht wie der Sohn, der sich noch voll Angst und Zittern auf dem Weg machte.
Wir glauben, dass der liebe Gott schon kommen wird, wenn es ihm so wichtig ist. Dass er uns schon aus der Scheiße ziehen wird, in die wir uns noch einmal extra reinsetzen.

Und tatsächlich hat er das in Jesus getan. Hat sich auf den Weg gemacht, um uns zu suchen.

Aber wozu braucht es dann noch unsere Umkehr?

Umkehr kann dann nur noch bedeuten, dass wir uns nicht mehr verstecken vor ihm.
Dass wir unsere Schuld anerkennen. Dass wir sie loswerden wollen.
Dasss wir ihm unser stolzes, unser ärgerliches, unser liebloses und unser neidisches Herz hinhalten. Und ihn bitten: Vergib mir.

Dann kann er uns befreien und heilen. Uns Auferstehung schenken.

Neuer Aufgang.
Kirchmöser, 2017.

Samstag, 2. Februar 2019

Deine Zukunft gehört dir nicht! Visionen an Darstellung des Herrn

Das Evangelium am Fest der „Darstellung des Herrn" hat eine doppelte Botschaft:
Es sagt nämlich, dass unser Leben eigentlich Gott gehört – aber auch, dass er uns mit einer vollen Zukunft beschenken will. Gott erhebt Anspruch auf unser Leben – und zugleich gibt er uns das Versprechen, dass er eine wunderbare Vision dafür hat.

1. Erläuterung zum jüdischen Hintergrund1
Wenn die Eltern Jesu etwas mehr als einen Monat nach seiner Geburt in den Tempel kommen, um ihren Sohn vor Gott hinzubringen („darzustellen", wie es im Namen des Festes heißt), dann erfüllen sie damit zwei Gebote, die in der Torah zu finden sind.
Das ist sperrige Kost, die ich hier gern nur kurz erläutern und stehen lassen möchte:

Im Tempel.
Propsteikirche, Leipzig, 2018.
Zum einen geht das Denken jener Zeit davon aus, dass eine Frau sich nach der Geburt rituell reinigen, das heißt in einen Zustand versetzen muss, in dem sie vor Gott hintreten kann. Für diese Wiedereingliederung in das religiöse Leben bringt sie im Tempel eine Gabe dar (vgl. Lev 12,1-8).
Das zweite mit dem Besuch erfüllte Gebot besagt, dass der Erstgeborene bei Gott „ausgelöst", also sozusagen umgetauscht werden muss. Dahinter wiederum steht der Gedanke, dass jede männliche Erstgeburt Gott gehört.
Dieser Anspruch Gottes auf das erste Kind zweier Menschen geht nach der biblischen Überlieferung zurück auf die Verschonung der Erstgeborenen der Juden beim Auszug aus Ägypten (im Gegensatz zu den Erstgeborenen der Ägypter). Während die einen (die Juden) gerettet wurden, mussten die anderen (die Ägypter) sterben (Ex 13,12-15).
Diese historische Bevorzugung soll nun gewissermaßen von den einzelnen Gläubigen wieder aufgeholt werden.
Abgesehen von den Hinweisen auf die Exodus-Geschichte stecken aber auch noch grundsätzlichere Hinweise im Text:
Der Evangelist betont außerdem die Gesetzestreue der Eltern Jesu, die sich ganz in der Frömmigkeit ihrer Religion bewegen, die ja nicht die Religion der ersten Leserschaft ist. So zeigt er Kontinuität und Differenz zur Religion Israels auf.
Dazu kommt, dass im Hereinbringen des Kindes in den Tempel die Zugehörigkeit Jesu zu Gott besonders herausgestellt wird – bemerkenswert ist, dass dies eigentlich für alle gilt, der Evangelist (der den Tempel vermutlich nicht mehr gekannt hat) stellt Jesu Verbindung zu seinem im Tempel verehrten Vater jedoch noch einmal besonders heraus, wenn er betont, dass sie das Kind brachten, "um es dem Herrn zu weihen." (v22)

Ein weiteres Motiv taucht auf, nämlich dass Kinder, und zwar alle Kinder, als eine Gottesgabe angesehen werden.
Die Eltern kommen zu Gott und bitten ihn mit dem Opfer gewissermaßen noch einmal um ihr Kind, das sie doch schon haben – das zeigt, dass Kinder nicht ihren Eltern gehören. Sie sind, trotz aller Abhängigkeit von den Eltern und trotz der engen Blutsbande, freie Wesen und stehen nicht nur als Kinder von irgendwem, sondern direkt als sie selbst vor Gott.
Das betont die individuelle Freiheit jeder Person vor Gott. 

2. Die Zukunft vorhersagen
Der greise Simeon sagt Jesus etwas Großes voraus. Seit Jahren wartet er darauf, den Erlöser zu sehen und nun wird dieser Wunsch ihm erfüllt. Er sagt vom Kind, dass es das Heil und das Licht der Heiden sei, dass es Herrlichkeit für Israel bedeute (vgl. v31.32) und dass es die Verhältnisse umkehren werde: viele sollen "durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden". (v34)

Aber dieses Vorhersagen ist zutiefst zwiespältig:
Auch in der Situation der Haft gibt es immer wieder Leute, die Ihnen sagen, wo es für Sie - höchstwahrscheinlich – hingeht. Jedes Mal, wenn der Plan für den weiteren Verlauf des Vollzugs geschrieben wird, muss eine Diagnose erstellt werden. Dann entscheidet irgendwer, dass Sie jetzt bereit sind, stundenweise frei hinauszugehen – oder dass es eben noch nicht so weit ist.
Oder es geht gar darum, dass eine Verlegung in den Offenen Vollzug ansteht – auch hier muss jemand sagen: „Ja, er wird es unter den Bedingungen größerer Freiheit schaffen." Oder: „Nein, das kann er nicht."
Was die Zukunft bringt.
Werbetafeln am S-Bahnhof Sonnenallee, Berlin, 2018.
Wir alle wissen, dass Vorhersagen über das Leben eines Menschen unmöglich sind. Alle, die das trotzdem tun müssen, tun es (hoffentlich) im Wissen um ihre eigene Beschränktheit bezüglich solcher Aussagen.

Simeon scheint sich jedoch sehr sicher zu sein, ihm wird vom Evangelisten jedenfalls bescheinigt, dass der Geist ihn in den Tempel geführt habe (vgl. v27).

Als Erwachsener fragen Sie sich natürlich, ob sich das, was andere da über Sie sagen, auch mit dem deckt, was Sie selbst in sich sehen. Im positiven Fall, wenn Ihnen etwas zugetraut wird, ist das wahrscheinlich eher so. 
Man muss ja ehrlicherweise sagen: Wenige Leute möchten gern über sich hören, dass sie zu bestimmten Dingen, die sie tun sollen, nicht in der Lage sind. Mir scheint oft, dass nur selten jemand ausspricht (um im Kontext Haft zu bleiben): Ja, Sie haben recht, es stimmt, für den Offenen Vollzug bin ich doch gar nicht bereit.

Das Schöne ist nun, dass es eine Perspektive gibt, die noch unendlich viel weiter geht als die Perspektive eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin. Es ist die Perspektive Gottes.

Denn Gott hat Großes mit Ihnen vor! Nicht nur mit einigen Wenigen, sondern mit jedem, der hier sitzt.
Gott sieht in Ihnen etwas äußerst Wichtiges und er möchte eine Zukunft für Sie, die Sie erfüllt und zum Heil führt. Und er will Sie zum Heil machen, auch für jene, die nicht zum auserwählten Volk gehören. 
Sie können ein Licht sein! 
Sie können Herrlichkeit für einen Menschen sein! 
Sie können Menschen retten!

Und seien Sie beruhigt: Auch für Jesus war das nicht leicht. 
Gott verspricht uns kein Leben ohne Leiden, wenn er uns eine große Zukunft und eine Leben in Fülle verheißt.
Wenn jemand für seinen Glauben eintritt, Gottes Liebe zu allen verkündet und danach lebt, dann wird oft genug genau das passieren, was von Jesus gesagt wurde: "er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird." (v34)

Aber darauf muss man sich einlassen. Oder sich ehrlich entscheiden, dass das nichts ist. Sie dürfen sich aber sicher sein: Gott traut es Ihnen zu, er will Sie dabei sogar unterstützen. Allerdings macht er nichts aus Ihnen, wenn Sie nicht mitmachen. Auch Jesus hat sich auf den Weg seines göttlichen Vaters gemacht und ist nicht sein Leben lang der Zimmermann geblieben, der er hätte sein können.
Denn dieser Weg verändert eine Person. Auch dafür muss man bereit sein. Wenn Sie Ihr Leben in die Spur Gottes stellen, dann gehört Ihnen Ihre Zukunft nicht mehr.
Dann lassen Sie sich darauf ein, dass Gott Sie und die Zukunft Ihres Lebens verwandelt.

Das aber fordert Mut, Geduld und das tiefe Vertrauen darauf, dass Gottes Plan für Sie wirklich gut ist.
Wenn Sie das probieren wollen, dann ist der erste Schritt, dass Sie darauf hören, was Gott eigentlich mit Ihnen ganz konkret vorhat – mit Ihren Erfahrungen, Ihrer Lebensgeschichte, Ihren Talenten, Ihren Schwächen, Ihren Wünschen.
Fragen Sie ihn ruhig: Gott, was willst Du von mir? Welche Zukunft siehst Du für mich?
(Manchmal kann auch die Perspektive der Sozialarbeiterin bei der Beantwortung dieser Fragen helfen!)

3. Das Leiden der Eltern
Ein kurzes Wort noch zu Jesu Eltern: Von Maria wird noch gesagt, dass ihr ein Schwert durchs Herz fahren werde (vgl. v35).
Das ist ein bekanntes Thema: Besonders die Mütter haben es schwer mit ihren Kindern und sie leiden besonders daran, wenn ihre Söhne Wege gehen, die nicht mit den Erwartungen übereinstimmen…
Sicher geht oder ging es Ihren Müttern nicht viel besser als der Mutter Jesu.
Manchmal sind die Situationen dann auch schon so festgefahren, dass weitere Erklärungen oder Beteuerungen nichts bringen.
Dann – und auch sonst – ist es eine gute Möglichkeit, für die eigenen Eltern zu beten.
Mit Dank. Um Kraft und gelassene und friedvolle Gedanken, wenn es um die eigenen Kinder geht.

4. Schluss
Lassen Sie sich ein auf den Weg, den Gott mit Ihnen gehen will!
Seien Sie ein Zeichen, dem widersprochen wird – aber ein Zeichen im Geiste Gottes!
Fragen Sie Gott, was Er von Ihnen will!

Wohin soll es gehen, Gott?
Im Wald bei Grünheide, 2018.

Mittwoch, 23. Januar 2019

Sabbat: Heilung und Ablehnung

Der Sabbat, für Christen der Sonntag, hat die Funktion, Ruhe zu ermöglichen. So können Menschen Kraft sammeln, sie haben Zeit für Außergewöhnliches oder können einfach eine Pause machen. Diesen Sinn einer Unterbrechung des Alltags gibt es auch jenseits einer religiösen Begründung.
Religiös betrachtet kann der Sabbat Zeit für eine Begegnung mit Gott schaffen.

Heilung nötig.
San Gimignano, 2018.
Wenn Jesus im heutigen Evangelium (Mk 3,1-6) am Sabbat einen Mann heilt, dann liegt sein Fokus jedoch nicht auf der Pause an sich, sondern auf der Ermöglichung heilsamer Begegnung durch diese Pause. 

Er macht aus der freien Zeit eine Zeit der Heilung.

Denn das ist es, was Gott will: dass wir heil werden. Auch wir können in den Unterbrechungen und Pausen, vielleicht auch in der leeren Zeit der Haft und noch mehr hier im Krankenhaus eine Begegnung machen, die heilsam wirkt.

Denn von Gott geht Kraft aus, die in der Liebe stark ist.
Dort,
wo wertschätzende Begegnungen stattfinden,
wo Vergebung möglich ist,
wo grundlos geschenkt und geteilt wird,
wo gegen alle Hoffnung gehofft wird,
wo nicht der eigene Nutzen im Vordergrund steht,
wo Gebrechlichkeit und Schlechtigkeit nicht einfach aussortiert werden,
wo jemand aufbricht und aus sich herausgeht
– dort kann Gott eintreten.

Dann ist unser Alltag wie die Synagoge, in die Jesus kommt und heilen kann.
Machen wir solche eben genannten Erlebnisse (oder noch andere in der Art), dann müssen wir ihm unsere Heilungsbedürftigkeit nur noch hinhalten.

Aber nicht für alle steht dieser Aspekt des Sabbats im Vordergrund.

Die im Text genannten "Pharisäer" und "Anhänger des Herodes" (Mk 3,6) stehen, wie auch viele Juden heute noch, für die strikte Pause ein. Und auch das ist eine legitime Sicht, die den Sabbat über Jahrhunderte bewahrt hat.
Keine Arbeit, kein langer Weg, kein Feuer im Herd.
Nur Notfälle zählen gerade noch als erlaubte Handlung.

Doch in der Geschichte entsteht dadurch bei den Anwesenden das Problem, dass ihr Herz dabei stehenbleibt: es sieht nicht Gottes liebevolle Zuwendung und Jesu heilende Nähe, es sieht nur die Grenzüberschreitung. Da tut jemand etwas, als eigentlich nichts getan werden darf. Mehr sehen sie nicht. Diese Verstocktheit macht Jesus zornig.

Aber der Zorn hilft, wie so oft, nichts.

Denn durch die verstockte Verengung des Blicks kommt es zur radikalsten Ablehnung: Sie wollen Jesus umbringen.
Jesus rührt nicht am Glauben an den einen Gott. Aber immerhin am Dritten Gebot des Dekalogs. Das ist nicht nichts, auch wenn uns das vielleicht so vorkommen mag.

Und dafür gehen sie sogar in den Konflikt mit dem Fünften Gebot, in dem ja der Mord verboten wird. Es scheint, dass religiöse Kategorien hier gar keine Rolle mehr spielen, sondern dass in sinnloser Wut über Jesu Regelübertretung das größtmögliche Geschütz aufgefahren wird.

Doch Jesus nimmt das auf sich, um weiterhin seinen Weg unbeirrt zu gehen.
Trotz seines Zorns über die Verstocktheit gibt er nicht auf und verkündet einen Gott, der Heilung bringt, der Vergebung ermöglicht, der Leben rettet (vgl. v4).

Für diese Botschaft geht er bis ins Äußerste: Nicht im kalkulierten Niederreißen aller Regeln und Gesetze des Volkes Israel, wohl aber in seiner Bereitschaft, für seine Botschaft bis in den Tod zu gehen.

Denn für Jesus ist heilsame Begegnung nötig. Die Zeit der Heilung beginnt sofort. Eines Menschen Rettung kann keinen Aufschub vertragen.
Für diese Überzeugung scheut Jesus keinen Konflikt.

Steiler Aufstieg.
San Gimignano, 2018.


Samstag, 15. Dezember 2018

Ankunftszeit 15 – Verschneit in "Underground Railroad" von Colson Whitehead

Immer wieder flohen Sklaven aus dem Süden der USA, um im Norden ein besseres Leben anzufangen. Die Anfänge des Zufluchtsortes in Colson Whiteheads Roman, zu dem die Heldin Cora kommt, werden mittels einer Geschichte kurz erzählt:

Freitag, 14. Dezember 2018

Ankunftszeit 14 - Frei in "Sonnenfinsternis" von Arthur Koestler

Der ehemalige Star der Partei Rubaschow wird Opfer einer Säuberungskampagne in der stalinistischen UdSSR der späten 1930er Jahre. Mitten in der Nacht aus dem Bett gerissen und verhaftet, bringt man ihn zum Gefängnis.

Samstag, 3. November 2018

"Ich wollte dir nur mal eben sagen..." – Dreimal Liebe im Lied

Zum Evangelium des Sonntags (Mk 12,28b-34), das von Gottes- und Nächstenliebe handelt, kamen mir drei Lieder in den Sinn.

1. Gottesliebe
Mehr als nur "Ein Kompliment" machen die Musiker von Sportfreunde Stiller mit ihrem Liebeslied indem sie im Song einfach Vergleich an Vergleich reihen:

Donnerstag, 27. September 2018

Das schreckliche Schwanken. "Der Vogelgott" von Susanne Röckel

Ich wusste vorher nicht, was mich bei der Lektüre dieses Romans "Der Vogelgott"1 erwartet – aber ich wurde nicht enttäuscht.

Susanne Röckel hat in dunklen Farben die Geschichte dreier Geschwister gemalt, die in unterschiedlicher Weise einer geheimnisvollen Religion auf die Spur kommen.

Da ist zunächst Thedor, der jüngste der drei, der sonst nie etwas auf die Reihe bekommt. Ausgerechnet er macht sich auf den Weg in die weitgehend unbekannte Region der Aza, um dort humanitäre Hilfe zu leisten – verführt durch einen faulig riechenden und doch charismatischen Unbekannten, der ihm den Eindruck vermittelt hatte, gerade er sei dort besonders vonnöten. In der Fremde angekommen scheint es zunächst, als sei er vergessen worden.

Samstag, 15. September 2018

Hohle Bekenntnisse. Oder: Das Evangelium als Religionskritik.

Petrus hat es wirklich nicht leicht.
Da ist er nun der Erste aus dem Kreis der Jünger, der ausspricht, was allen auf den Lippen brennt – und dann ist sein nächster Schritt gleich ein solcher Patzer!

Der Hergang des Sonntagsevangeliums (Mk 8,27-35) ist schnell erzählt: Als Jesus seine Jünger fragt, für wen ihn die Leute halten, zählen sie ein paar Namen auf, die im Rahmen des religiös Bekannten und Erwartbaren bleiben. Mit der weiteren Frage, wer er für sie selbst ist, bekommt Petrus seine Chance: Jetzt kann er zeigen, was er begriffen hat und wie groß sein Vertrauen in Jesus ist – "Du bist der Messias!" (v29).

Samstag, 25. August 2018

Von zwei Gründen, kein Christ (mehr) zu sein.

Es gibt genügend Gründe, warum man der Meinung sein kann, es sei besser, kein Christ zu sein.
Ich fasse heute einmal zwei Beweggründe ins Auge, die weiter voneinander entfernt nicht sein können.
Es mögen nicht die gängigsten Gründe sein, aber sie sind auch nicht gänzlich ohne Relevanz.
1.
Derzeit schauen sehr viele US-Amerikaner und viele Menschen weltweit auf die ungeheuerlichen Taten von Priestern und Ordensleuten in den USA, die Kinder und Jugendliche zum Teil schwer sexuell missbraucht haben – und sie hören von der jahrelangen Vertuschung durch die Verantwortlichen.1

Dieses Thema raubt mir beim Schreiben alle Kraft.
Ich will keine Entsetzlichkeiten ausbreiten und mir wird schlecht, wenn ich lese, was genau passiert ist. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, auszusprechen, in welcher Weise Kirchenleute hier auf die verschiedensten Weisen schuldig geworden sind.

Montag, 16. Juli 2018

Wann ist mein Handy eigentlich aus? Zur Besinnung

Wann bin ich eigentlich mal nicht erreichbar auf dem Smartphone?
Solche Momente gibt es – aber, ich gebe es zu, nur sehr selten. Mein Telefon hat meinen Alltag fest im Griff, fester als ich will.
Dass es grundsätzlich ausbleibt, kommt nur an drei Punkten vor.

Samstag, 14. Juli 2018

Geht nicht allein! Eine Kirchenvision

Jesus sendet die Jünger aus, immer zu zweit (Mk 6,7ff). Sie haben keine Taschen, kein Wifi, keine Wechselwäsche, keine Gehhilfen.
Sie haben nur einander.

Und natürlich „haben“ sie Jesu Vollmacht und Auftrag. Die jedoch bleiben unsichtbar und nicht zu fassen.
Fassbar und im besten Sinne an-greifbar ist auf diesem Weg, auf den ihr Herr sie schickt, nur der Gefährte. Jede weitere Hilfe entfällt.
Das ist Sharing-Kultur in ihrem Ursprung.

Mich fasziniert das.

Samstag, 7. Juli 2018

Von Mutationen und Wunderblockern. Eine Predigt im Gefängnis

Das heutige Evangelium (Mk 6,1-6) ist ein Evangelium über Vorurteile, über die Bindung an die Familie und über die Voraussetzung von Wundern.

Wie wir schon vor ein paar Wochen gehört haben, versucht Jesus alles, um sich von seiner Familie abzugrenzen. Er emanzipiert sich radikal. Und doch versuchen jetzt Leute, die ihn von klein auf kennen, Jesus eben auf seine Familie zu reduzieren.
Sie können nicht glauben, dass dieser ihnen schon altbekannte Jesus plötzlich wirklich was Neues zu sagen hat: „Woher hat er das bloß?“ (v2) Wie kommt er denn auf so etwas, als Kind war er doch immer normal?! Was will er uns da plötzlich erzählen? Welche Fähigkeiten bildet er sich da ein? Kann er nicht einfach ein Zimmermann bleiben und nicht versuchen, jemand anderes zu sein?

Mittwoch, 27. Juni 2018

Radikale Lebensreife. Aus Rudyard Kiplings „Brief an meinen Sohn“

Aus Konflikten, Enttäuschungen, Zweifeln und vielen Begrenztheiten besteht das Leben zu weiten Teilen. In der großen Politik ebenso wie im Privatleben, im Fußball wie in der Religionsausübung. 
Mit diesen Problemen umzugehen erfordert charakterliche Reife, die oftmals schmerzhaft erworben werden muss. Durch die Drangsal hindurch erst lernen wir mit der Drangsal umzugehen. 
Aber wir können uns natürlich vorbereiten - oder es wenigstens versuchen. 

Eine kritische Hilfestellung bietet der Brief des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Rudyard Kipling an seinen Sohn von 1910. Seine Aufzählung von Haltungen einer reifen Persönlichkeit ist weise und immer noch gültig, wenn wir auch manches anders ausdrücken würden, weniger pathetisch vor allem. 

Dienstag, 12. Juni 2018

Gespalten 3. Das Ideal des Simon Strauß und mein spirituelles Versagen

Die "Sieben Nächte"1 von Simon Strauß schlugen im letzten Jahr richtig ein – da schreibt ein Noch-nicht-Dreißiger an gegen die Gesetztheit und Mentalität der Absicherung, gegen das gepolsterte Leben und allzu anpassungswilligen Pragmatismus. Dagegen setzt er seine Sehnsucht nach mehr, nach einem Mehr an Phantasie, Risikobereitschaft und Empfindsamkeit. Eingebettet in die Geschichte vom Auftrag eines Unbekannten, der ihn in sieben Nächten die sieben Todsünden zu begehen auffordert, sucht der FAZ-Journalist noch einmal neu das radikale Leben, sehnt sich nach "wilderem Denken ... Nach Ideen ohne feste Ordnung, Utopien ohne berechenbaren Sinn, nach Ecken und Kanten".2

Freitag, 1. Juni 2018

Ich entscheide mich nicht! Aufgeklärter Liberaler und kirchentreuer Katholik zugleich

Neulich hatte ich einen Arzttermin. Als wir mit Blick auf meine herumkrabbelnde Tochter darauf kamen, dass ich derzeit in Elternteilzeit bin, freute sich die Ärztin: "Ah, ein fortschrittlicher Arbeitgeber!"
Da konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen: "Ja, ich arbeite für die katholische Kirche."
Woraufhin sie erstaunt und fast entrüstet irgendetwas Relativierendes hinterhersagte.

Mittwoch, 23. Mai 2018

Religiöse Ekstase in James Baldwins "Von dieser Welt"

"... etwas regte sich in Johns Körper, das nicht John war. Etwas war in ihn eingedrungen, hatte ihn entwürdigt und besetzt. Diese Kraft hatte John in den Kopf oder ins Herz getroffen und auf einen Streich, indem sie ihn ganz und gar mit einer Qual erfüllte, die er sich niemals hätte vorstellen können und sicher nicht aushalten und selbst jetzt noch nicht fassen konnte, geöffnet, mittendurch aufgeknackt wie Holz unter einer Axt, wie brechendes Gestein; hatte ihn auf einen Streich mitgerissen und hingestreckt, sodass John nicht die Wunder spürte, sondern nur den Schmerz, nicht den Fall, sondern nur die Furcht. Und so lag er nun da, hilflos, schreiend, am Grund der Finsternis."1

Ein Sturz in die Tiefe, Finsternis, Tränen, Schreie, endlos tiefes Wasser, Feuer und einsame Verzweiflung – der gerade vierzehn Jahre alt gewordene John hat beim abendlichen Gottesdienst eine Vision.

Mittwoch, 9. Mai 2018

Himmelfahrtskommando. Filme zum Fest

Wie die Begriffe sich doch wandeln!
Während die Himmelfahrt Christi noch eine theologisch vollkommen positiv besetzte Begrifflichkeit ist (wenn die Jünger auch zunächst allein zurückgelassen werden), so meint das „Himmelfahrtskommando“, wie man es vorwiegend aus Kriegs- und Actionfilmen kennt, nicht Rettung durch die Rückkehr zum Ursprung, sondern ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, in das die Protagonisten, meist Soldaten oder Söldner, ohne große Hoffnung auf Rückkehr geschickt werden.
Himmelfahrt ist damit Synonym für „quasi tot“ geworden.

Samstag, 21. April 2018

"Ich habe noch andere Schafe" – Jesus Christus als Hirte aller Religionen?

Ein Satz im heutigen Sonntagsevangelium (Joh 10,11-18) macht mir regelmäßig zu schaffen. Nachdem Jesus sich als guter Hirte eingeführt hat, sagt er:

"Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten." (v16)

Wenn alle Christen Jesus als ihren Hirten ansehen und als seine Herde von ihm zu Gott geführt werden wollen, dann kann es sich bei denen, die als "andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind" bezeichnet werden, nicht um Christen handeln.

Es scheint mir also die Frage nach Jesus und seinem Verhältnis zu den Anhängern anderen Religionen zu sein, die in oben genanntem Satz auftaucht (jedenfalls möchte ich ihn hier einmal so lesen). Unzählige Schriften sind zu dieser Problematik verfasst worden, das Problem wurde von den verschiedensten Seiten gewälzt.1
Hier nur ein paar Gedanken dazu: