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Donnerstag, 19. Oktober 2017

Einmal Identität und einmal Berlin. Notizen zu "Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters"

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In den letzten Jahren hat sich in der literarischen Landschaft eine faszinierende Fraktion deutschsprachiger Autoren mit osteuropäischem Migrationshintergrund etabliert.
Saša Stanišić beispielsweise ist dem großen Publikum seit "Wie der Soldat das Grammophon repariert" ziemlich gut bekannt, aber auch die Bücher von Katja Petrowskaja ("Vielleicht Esther"), Alina Bronsky ("Baba Dunjas letzte Liebe") und Matthias Nawrat ("Die vielen Tode unseres Opa Jurek") haben ihre Wege zu den Lesern gefunden.

Dienstag, 17. Oktober 2017

Wegen Vandalismus geschlossen. Von Heiligkeit und Verwundbarkeit.

Heute habe ich im Klinikum Neukölln den Raum der Stille aufgesucht und fand ihn geschlossen mit nebenstehender Inschrift.
Ich weiß nicht, was genau dort vorgefallen ist, aber wegen vereinzelter kleinerer Verstöße wäre er sicher nicht geschlossen worden.

Das Krankenhaus hält einen (multi- oder überreligiösen) Raum vor, der denen, die dorthin kommen und Kraft tanken wollen, den Rahmen dazu bieten soll – und es gibt Menschen, die genau darum dort wüten.
Natürlich finde ich das in erster Linie traurig und erschreckend und ein Zeichen übler Bosheit.

Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass es natürlich diesen Raum, der dem Äußeren nach zu urteilen, nicht besonders treffen musste.

Es gibt nämlich ein Gespür dafür, dass manchen Menschen etwas heilig ist.

Freitag, 13. Oktober 2017

Was macht Christsein wirklich aus? Aufbruch in die Tiefe mit "Silence" von Martin Scorsese

Nun endlich bin ich dazu gekommen, mir den Film anzuschauen, den ich im letzten Jahr leider nicht mehr im Kino sehen konnte: "Silence" von Martin Scorsese.

Und ich kann ihn vorbehaltlos empfehlen – es ist ein faszinierender und mitreißender Film, ein Film, den man gesehen haben muss, wenn man sich mit dem Christentum, Fragen des Glaubens oder einfach nur mit dem Menschen, seinem Gewissen und seinen Überzeugungen beschäftigt.

Er reißt jedoch nicht in erster Linie mit wegen seiner Bilder (so wunderbar sie sind), sondern wegen der tiefgehenden religiösen und menschlichen Fragen, die er aufwirft: Was macht religiöses Leben aus? Wie weit gehen Menschen für ihre (religiösen) Überzeugungen? Wie reagiert eine (christliche) Gemeinschaft auf Glaubensabfall? Was bringt das Christentum indigenen Gesellschaften? Wie viel Barmherzigkeit ist möglich?

Montag, 9. Oktober 2017

Gutgenährt und eingemauert. Ein Absatz aus "Americanah" und die Flüchtlingsfrage

Nun, da die Flüchtlingspolitik der Unionsparteien wieder zu einem deutschen Politikum wird und damit eine wichtige Komponente in den kommenden Sondierungsgesprächen darstellt, nun, da von "atmenden Deckeln" und "Asylzentren" die Rede ist und die neuerliche Unterscheidung zwischen so genannten "Wirtschaftsflüchtlingen" und Asylberechtigten über Wohl und Wehe einer kommenden Regierungskoalition mitentscheidet, in ebendiesem Moment lese ich den wunderbaren Roman "Americanah" von Chimamanda Ngozi Adichie1 und möchte an dieser Stelle einen kurzen literarischen Einwurf zur obenstehenden politischen Frage vorstellen.

Donnerstag, 21. September 2017

Zwischen Resignation und Hybris. Zwei Reflexionen vor der Bundestagswahl.

Da meine Kinder nun einmal unumgänglich zu meinem Nahumfeld gehören, fallen mir anhand ihrer Verhaltensweisen, Möglichkeiten und Grenzen auch eine Reihe von Dingen auf, die sich in meine Assoziationsketten vor der Bundestagswahl 2017 einfügen.

Die Kleine ist noch keine drei Monate alt und wahltypologisch steht sie für mich auf dem Posten der Resignation.
Langsam nimmt das Baby immer mehr wahr, was um sie herum geschieht; von Tag zu Tag beobachtet sie genauer. Der über ihr sich bewegenden Hand folgt sie mit den Augen oder gar dem Kopf, die Wärmelampe lächelt sie an, auf elterntypische Kosegeräusche reagiert sie mal mit Lachen, mal gar nicht.
Und dann ist da ein über ihr baumelndes Spielzeug, von mir angestoßen und wegen seiner Bewegung von ihr angestaunt. Aber die Möglichkeit, es selbst auch zu berühren und in Bewegung zu bringen, scheint sie nicht zu haben. Oder doch?

Sonntag, 17. September 2017

Erbarmen. Im Sandkasten, bei der Bundestagswahl und im Sonntagsevangelium

Mit diesen (hier leicht abgewandelten) Worten war ich heute morgen im rbb zu hören:

Wenn ich mit meiner kleinen Tochter auf den Spielplätzen in unserem Viertel unterwegs bin, fällt mir regelmäßig dieser eine Satz aus der Bibel ein: „Hättest nicht auch du Erbarmen haben müssen?
Eines der anderen Kinder hat meiner Tochter etwas von seinem Sandspielzeug abgegeben. Anstatt nun friedlich miteinander zu spielen, greift meine (sonst natürlich außerordentlich gut erzogene) Tochter im nächsten Augenblick alle ihre Sachen, um nur ja nichts von ihnen abgeben zu müssen.
Zwar kann sie selbst auch nicht mehr spielen, wenn sie alle Schaufeln und Eimer vor den Bauch presst, aber die Verteidigung ihres Besitzstandes ist ihr in diesem Moment viel wichtiger.

Samstag, 9. September 2017

Wenn sie nicht hören kann... Über Kindererziehung und Exkommunikation

Heute hat sie es wieder einmal geschafft. Nachdem ich mich eine Zeit lang habe anschreien, anspucken und treten lassen, bin ich aus dem Kinderzimmer gegangen, in dem meine Tochter eigentlich Mittagsschlaf machen sollte. Das Hinaus- und Hineingehen hat sich vier- bis fünfmal wiederholt. Irgendwann hatte ich genug und meine Frau hat sich der Sache angenommen. Nachdem auch sie angeschrien wurde, hinaus- und wieder hineinging, ist dann irgendwann Ruhe eingetreten.

Irgendwie passt diese Samstagmittagsszene zum morgigen Evangelium (Mt 18,15-20). 
Jesus unterweist darin seine Jünger, wie sie Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde schlichten sollen. Da es zu Jesu Lebenszeit keine wirklichen Ortsgemeinden gab, ist von einer nachösterlichen Formulierung auszugehen, die im Sinne Jesu gestaltet wurde.

Samstag, 2. September 2017

Mein Leben als Verfolgter. Ein Gedicht von Andreas Knapp deutet das Evangelium

Über Selbstverleugnung als Voraussetzung der Nachfolge wurde und wird viel Gegensätzliches, viel Gutes und auch viel Quatsch geschrieben. Jesus kündigt im Sonntagsevangelium (Mt 16,21-27) zunächst seinen Passionsweg an und weist den Einspruch des Petrus, dass Gott so etwas doch sicher nun wirklich nicht wolle, radikal ab.
"Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (v24)
Im Zusammenhang der vorhergehenden Leidensankündigung ist diese Aussage wohl so zu verstehen, dass jene, die ihm aufrichtig folgen wollen, das Leiden des Herrn in ihrem Lebensweg freiwillig mitgehen sollen.

Donnerstag, 31. August 2017

Mekka und wir

Weil gerade Hadsch nach Mekka ist, hier ein paar Informationen und Anmerkungen aus christlicher Perspektive.

1 Sinn des Hadsch allgemein
Im Islam verhilft die Reise nach Mekka, den Geburtsort Mohammeds, der „geographischer Mittelpunkt1 des Islam ist, den Gläubigen zur Erfahrung der „Einheit in ihrer Universalität2 und zur „Einheit in der Vielfalt“.3
Darüber hinaus bietet die Wallfahrt eine Erfahrung der Zugehörigkeit der Muslime zur „Bruderschaft des Islam4 und dient der „Stärkung ihres religiösen und persönlichen Selbstvertrauens“.5 Feierliche Rituale bei An- und Abreise zeugen von Sozialprestige und aus der Wallfahrt erwachsender religiöser Autorität, die unabhängig von Bildungsstand oder sozialer Stellung ist.6
Der Entschluss zur Wallfahrt ist gebunden an die körperlichen und finanziellen Möglichkeiten und an den Zeitpunkt, da der Hadsch in den Wallfahrtsmonat fallen muss.7

Sonntag, 27. August 2017

Vergangenheit oder Zukunft? Vom Mut, Jesus zu denken

Viele Menschen haben für Jesus nur Kategorien und Namen aus der Vergangenheit parat.
So auch im heutigen Evangelium (Mt 16,13-20), in dem die Menschen frühere Propheten oder wichtige Männer bemühen, um sich ein Bild von Jesus zu machen.

Dienstag, 8. August 2017

Abgenutzt und heilig – Edith Stein über Gottes- und Menschenliebe

Die anspruchsvollste und zugleich platteste christliche Wahrheit, Edith Stein hat sie in knappen Worten auf den Punkt gebracht.
Das Andere reicht hinein in unser Lebensbild.
Kanal am Lohmühlenplatz, Treptow,
Berlin, 2016.

Sonntag, 16. Juli 2017

Augen zu und ruhig sein!

... und niemandem zuhören 
... und jeden Anspruch abweisen 
... und nichts lesen
... und die Hände frei haben 
... und keine Aufgabe schultern 
... und mich aufrichten
... und nicht gleich wieder aufstehen müssen 
... und mir keine klugen Gedanken machen 
... und kein Telefon dabei haben 
... und die Augen schließen 
... und nichts weiter

Sonntag, 11. Juni 2017

Liebesdreiheit: Vergebung – rund um die Uhr – ekstatisch

Der dreifaltige Gott ist ein Gott. Gegen theologische und spirituelle Wildwüchse ebenso wie gegen Angriffe aus anderen Religionen muss im Christentum immer wieder daran erinnert und festgehalten werden – trotz und gerade wegen des heutigen Festes der Dreifaltigkeit.
Die Klammer, die das christliche Gottesbild als Bild des einen Gottes am besten zusammenhält, ist die Liebe. In Vater, Sohn und Heiligem Geist drückt sie sich mit je unterschiedlichem Schwerpunkt aus.

Samstag, 3. Juni 2017

Pfingsten – Geist ohne Taube bei Volker Stelzmann

Es ist ein Kreuz mit dem Geist Gottes.
Unbefriedigend ist vor allem, sich keine befriedigende visuelle Vorstellung, kein Bild von ihm machen zu können. Entweder wird er durch ein fliegendes Tier symbolisiert oder mithilfe eines kleinen Feuerflämmchens, was jeweils seine theologischen und künstlerischen Gründe hat, aber für befriedigend halte ich auch das nicht. Vielleicht sollte man ihn einfach überhaupt nicht darstellen.
Diese letztere Möglichkeit passt nämlich für Gott überhaupt am besten – zur Theologie genauso wie zu Kunst mit christlichen Motiven.

Mittwoch, 31. Mai 2017

Eine aber erinnert sich – Vom Geisteswehen in "Saint Mazie"

Vor Pfingsten ruft die Kirche nach dem Heiligen Geist. Der aber weht bekanntlich nicht nur in den Mauern der Kirche und zeigt sich bevorzugt dort, wo Menschen einander zugewandt sind und sich besonders gegenüber den Bedürftigen öffnen.

Daran musste ich denken, als ich vor kurzem den neuen Roman von Jamie Attenberg, "Saint Mazie", las. Attenberg greift die Lebensgeschichte der New Yorkerin Mazie Phillips-Gordon auf und erzählt, aus verschiedenen Sichtweisen wie eine Reportage zusammengesetzt, deren Leben vor allem in den 1920er Jahren. Hauptsächliche Erzählperspektive ist das fiktive Tagebuch, aber es kommt neben sich erinnernden Bekannten auch die historische echte Mazie in nachgelassenen autobiographischen Fragmenten zu Wort.
Auf diese Weise entspannt sich nach und nach ein Leben, dass in seinen Suchbewegungen und dem Einsatz für die obdachlosen Opfer der Wirtschaftskrise, aber auch in den spirituellen Andockversuchen bisweilen an Simone Weil oder Dorothy Day erinnert.

Samstag, 20. Mai 2017

Ein Anwalt voller Nähe – Predigt zum Sonntagsevangelium Joh 14,15-21

Der sich durchziehende Grundton vieler biblischer Texte, die zwischen Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten gelesen werden, entspricht dem, was wir an diesem Sonntag im Johannesevangelium (Joh 14,15-21) hören: Gott ist bei uns, auch wenn wir ihn nicht sehen oder erfahren können.

Die Jünger Jesu hatten nach seinem grausamen Tod ganz persönliche Erfahrungen der Auferstehung Jesu, die ihnen zeigten, dass er lebt.
Als sich die junge Kirche einige Jahrzehnte später fragte, was denn angesichts des Ausbleibens solch exorbitanter Erfahrungen nun werden solle, entwickelte sich bei Lukas und Johannes, aber auch bei Paulus die Überzeugung, dass Gott ihnen fortan in anderer Weise nahe sein wollte als durch den leibhaftig-menschlichen Wanderprediger Jesus und auch anders als durch übernatürliche Erscheinungen des Auferstandenen.
Denn dass Gott bei den Menschen sein will, erschien ihnen klar, darauf vertrauten sie. Nur auf welche Weise würde er es sein?

Samstag, 6. Mai 2017

Auszug der Schafe – Oder: Was für ein Hirte ist Thomas Frings?

Im Evangelium von Hirt und Herde, vom Schafstall und der Tür hinein (Joh 10,1-10) zeichnet das Johannesevangelium ein Bild des Vertrauens zwischen den Schafen und ihrem Hüter. Die Schafe folgen dem vertrauten Hirten und ihr Ein- und Ausgang ist so sicher, dass sie später das "Leben in Fülle" (v10) haben.
Wer aber auf die heutige Situation der Kirche in unseren Breiten und auf die bestellten Hirten schaut, der kann sehr rasch ernüchtert werden. Wenig Kontakt der Christen in ihre Gemeinden und zu den hauptamtlich Leitenden, wenig Zutrauen in die Leitung vor Ort, wenig Hoffnung für die Zukunft – und auch beim inneren Kontakt zum eigentlichen Hirten Christus scheint nicht Freundschaft im Gebet, sondern Sprachlosigkeit vorzuherrschen.
Was ist das für eine Herde, der die Schafe fortlaufen?

Samstag, 29. April 2017

Trainier dein träges Auge! – "Fuocoammare" und Auferstehungsglaube

Es ist ein langsam wachsendes Verstehen dessen, was dieser auf der Berlinale 2016 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Dokumentarfilm möchte. In kommentarlosen Einstellungen schneidet "Fuocoamare" (deutscher Titel "Seefeuer") von Gianfranco Rosi Szenen des alltäglichen Lebens auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa gegeneinander. Einerseits sind da die eingesessenen Einwohner, porträtiert werden zumeist Fischer, aber auch Rentner, ein Radiomoderator und ein Arzt – auf der anderen Seite die Flüchtlinge, die über das Meer kommen und von den Patrouillenbooten aufgefischt werden. 
Zunächst sind es harmlose und fast langweilige Szenen, die das Drama der Flüchtenden und ihrer Retter zeigen. Passend dazu die braven Freizeitbeschäftigungen des immer wieder dargestellten einheimischen Samuele: mit einem Freund eine Steinschleuder bauen, Steine auf Pflanzen schießen, mit dem Vater aufs Meer fahren.

Dienstag, 25. April 2017

Wer ist Gott für mich? Aussagen zu meinem Gottesbild

Kurz und knapp habe ich neulich formulieren müssen, wie mein Gottesbild aussieht. Hier nun die thesenartigen Aussagen, die sozusagen eine aktuelle Zusammenfassung der auf diesem Blog gesammelten Gedanken sind.

Mittwoch, 22. März 2017

Kreuzwegbetrachtung - Was macht es mit mir, wenn jemand meinetwegen freiwillig leidet?

Im Gefängnis habe ich heute eine Passionsandacht zu dem nebenstehenden Bild angeboten.

Jesus trägt das schwere Kreuz.
Schattenbild, 2015.
Meine Ausgangsfrage war die im Titel genannte, die sich natürlich vor allem an den Leidensweg Jesu anschloss: Was macht es mit mir, wenn jemand meinetwegen freiwillig leidet?

Aus der Lebenssituation der Anwesenden heraus kommt der Impuls:
Dass durch die Inhaftierten andere Menschen leiden mussten, die das gerade nicht wollten, ist in vielen Fällen sehr eingängig.
Dass aber jemand freiwillig um meinetwillen leidet, scheint zunächst nicht ganz so klar. Aber natürlich gibt es eine Menge Partner, Verwandter oder Freunde, denen es unter Umständen schlecht geht und die leiden, weil jemand nicht da ist und im Gefängnis sitzt.
Schon das macht viele der Inhaftierten unglücklich, wenn sie sich vorstellen, dass sie daran mitschuldig sind.

Das freiwillige Dranbleiben und Investieren von Herzblut seitens derer, die eigentlich nicht bestraft werden sollen, diese Zugewandtheit und Liebe, aus der dann oftmals viel Leid entsteht, ist vielleicht auch eine Weise, wie wir uns Jesus und seinem freiwilligen Leiden für uns nähern können.