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Samstag, 7. Dezember 2019

Geliebt 7 – Blumen in "Die Nickel Boys" von Colson Whitehead

In seinem Roman "Die Nickel Boys" seziert Colson Whitehead die Wunden, die staatliche Besserungsanstalten in den 1960er Jahren jungen Männer in den USA gerissen haben. Seine Darstellung einer rigorosen und von willkürlicher Gängelung geprägten Gefängniswelt ist emotional sehr aufrüttelnd.
Einer der Protagonisten wird viele Jahre später beschrieben, wie er immer noch dabei ist, normale menschliche Verhaltensweisen auszuloten.
Elwood wartet auf der Straße auf seine Frau, um mit ihr Essen zu gehen.

Sonntag, 1. Dezember 2019

Geliebt 1 – Kätzchen in "Unterleuten" von Juli Zeh

Im fiktiven Dorf Unterleuten in der Prignitz beobachtet Juli Zeh die kleinsten Ebenen der Gesellschaft und ihre Konflikte. Durch klare Beschreibungen und schnörkellose Sprache entsteht ein vielschichtiges Panorama des Dorfalltags. Ein Teil davon ist das von ihrem Großvater vergötterte Krönchen:

Samstag, 19. Oktober 2019

Der Gott des Rechts und die menschliche Beharrlichkeit 

Zwei ungewöhnliche Schlaglichter auf Mensch und Gott zeigen sich im Evangelium des Sonntags (Lk 18,1-8), in dem Jesus mit der Geschichte einer auf ihr Recht drängenden Witwe und dem endlich nachgebenden Richter operiert:

Nicht Liebe, nicht Begeisterung, nicht Wohltaten - nein: Beharrlichkeit wird vom Menschen erwartet.

Samstag, 12. Oktober 2019

Jesu miese Erfolgsquote. Von Heilung und Dank und Glaube und Liebe

Im Vordergrund des Evangeliums vom Sonntag (Lk 17,11-19) steht Jesus als Heiler. 
Jedenfalls auf den ersten Blick. 
Denn schnell schiebt sich etwas ganz anderes in den Vordergrund – nämlich die Tatsache, dass da einer der Geheilten zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken. Doch auch daran schließt sich in der Lesung noch ein weiteres Thema an: Die Frage, was für Jesus ein Erfolg gewesen wäre – die Heilung all dieser Kranken oder ihre dankbare Umkehr.
Es wird also in meiner Predigt drei Punkte geben: 1. Aussatz und Heilung, 2. Dankbarkeit und Glaube, 3. Erfolg und Misserfolg.

Samstag, 5. Oktober 2019

Gottes Großzügigkeit stärkt den Glauben

Ich habe gerade eine Woche Wanderexerzitien, das heißt eine Woche Wandern in Gebet und Schweigen, hinter mir. 
In den Bergen Österreichs klappt das (trotz wechselndem Wetter) ganz wunderbar. 
Dort wurde mir in gewisser Weise auch die Bitte erfüllt, die die Jünger im heutigen Evangelium vor Jesus bringen (Lk 17,5-10): „Stärke unseren Glauben." (v5)

Ich habe gespürt: Die Welt ist so voll von der Großzügigkeit Gottes. Wer sehenden Auges und offenen Herzens durch die Natur geht, kann erfahren: Gott teilt seine Gaben im Überfluss aus und wer sich diesem Reichtum öffnet (so wie ich es versucht habe), fühlt sich beschenkt. Dann wird Dankbarkeit sich ausbreiten. So jedenfalls war es bei mir. 

Einen Teil dieser Überfülle der Natur möchte ich hier mit Fotos andeuten.

Donnerstag, 15. August 2019

Vorsicht: Frau mit Krone. Mariä Himmelfahrt in der Kritik

In einer feministisch sensibel gewordenen Gesellschaft kann dieses Bild bestenfalls peinlich wirken. Eher noch wird es – noch schlimmer – wie eine paternalistische Geste wirken: Es zeigt die Mutter Jesu als die im Himmel Gekrönte und ist eine der häufigsten Darstellungen Marias im Mittelalter und darüber hinaus. Die "Krönung Mariens" – das Bild zum Fest Mariä Himmelfahrt.

Heute würden bei einem solchen Motiv sofort alle roten Lampen angehen: Ein Mann setzt einer hübschen jungen Frau eine Krone auf.
Das Motiv ist altbekannt: Schmuck und Geld, Macht und Scheinwerferlicht ersetzen bei reichen weißen (und meistens alten) Männern oft genug andere Formen der Beziehungsgestaltung oder gar der Männlichkeit.
Ihr Glanz ist die junge Frau, mit der sie sich schmücken.
Das öffentlichkeitswirksame Überreichen von goldenem Schmuck ist eine Variante, um dies sinnenhaft manifest zu machen.

Dienstag, 13. August 2019

"Oh Allah, hier bin ich. Ich ergebe mich Deinem Willen" - Christliche Gedanken zum Opferfest

Viele Millionen Muslime feiern derzeit das Opferfest. Sei es bei der Hadsch in Mekka, sei es am jeweiligen Wohnort: sie erinnern sich an Abrahams Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern und feiern darin "den Ausdruck maximalen Gehorsams und absoluter Aufrichtigkeit", wie es die Islamische Zeitung traditionell beschreibt. In dieser Interpretation steht Ibraham, wie ihn der Koran nennt, als der ideale Muslim da. Er hat nicht gezögert, sich dem Willen Gottes sofort und gänzlich zu unterwerfen.

Aus christlicher Perspektive schaue ich auf diesen Festanlass, der sich als Text ja auch in der hebräischen Bibel findet, mit einigen Fragen.

Samstag, 27. Juli 2019

Wer an Gott nur glaubt, der lügt sich in die Tasche! Von Aufdringlichkeit und Freundschaft

Die Pointe und wichtigste Botschaft des heutigen Evangeliums (Lk 11,1-13) ist die Aufforderung, zu Gott zu gehen und darauf zu vertrauen, dass er mir hilft wie ein guter Freund. Man könnte sogar zuspitzen und sagen: Wir sollen Gott gegenüber genauso aufdringlich sein wie ein störender Freund, der nachts klopft.
Dazu drei Gedanken.

1. In der Not füreinander da sein - oder?
Ich sehe es hier immer wieder, wenn ich über die Flure gehe: Männer stehen zusammen in der Küche und bereiten sich gemeinsam eine gute Mahlzeit zu. Oder sie sitzen in den Aufenthaltsräumen und essen miteinander. Man hat vielleicht einen ähnlichen Geschmack oder Essensrhythmus, man kommt ins Gespräch, man verbringt gemeinsam Zeit und, hier besonders wichtig: man vertraut einander. (Jedenfalls insoweit es um die Verteilung des Essens und die gemeinsame Einkaufsliste geht...)
Jedes Mal freue ich mich darüber, denn es ist für mich ein Zeichen, dass Inhaftierte miteinander Verantwortung übernehmen für das, was ihr Leben angeht, auch wenn es sich dabei "nur" um das Essen handelt. Zugleich ist es ein Zeichen dafür, dass Essen verbindet.

Dienstag, 23. Juli 2019

Ein Sämann ging aufs Feld... Predigt über Vögel, Wurzeln, Dornen

Jesus beschreibt das Handeln und die Herrschaft Gottes oft in Bildern. Viele dieser Bilder kommen aus der Landwirtschaft und aus dem Alltag der einfachen Leute in Israel. Mit seinen Vergleichen will Jesus deutlicher machen, worum es ihm geht.
Im Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9) geht es ihm um die Frage, ob die Frohe Botschaft bei mir und dir ankommt.

Allerdings ist das Gleichnis mit Vorsicht zu genießen, denn es geht Jesus nicht um eine Darstellung der damaligen Lebenswirklichkeit! Es ist eben „nur" ein Bild.

Der Karmelitenpater Reinhard Körner meint darum, dass die Kleinbauern um den See Genezareth erst einmal gelacht haben werden, als sie hörten, wie der Bauer in Jesu Rede vorgeht. Er stellt sich vor, wie er zwischen ihnen steht und ihre Reaktionen mitbekommt:

Mittwoch, 19. Juni 2019

Fronleichnam und die Zerstörung der Globuli

Als in der letzten Sendung des Neo Magazin Royale über die Homöopathie hergezogen wurde, musste ich kurz schmunzeln. Insgesamt war die Sendung ja gar nicht sehr aufs Schmunzeln angelegt, sondern auf Böhmermann-typische Weise aufklärerisch-provokativ, nicht zuletzt durch den Besuch von Rezo und einem politisch angehauchten Gespräch.

Grund meines Schmunzelns aber war der Gedanke an die mögliche innere Verbindung zwischen den geschmähten Globuli und dem heutigen Hochfest Fronleichnam, bei dem Katholiken Leib und Blut Christi in den Gestalten von Brot und Wein verehren.

Samstag, 15. Juni 2019

Living out of the box. Predigt am Dreifaltigkeitssonntag.

Wenn wir Christen heute die Heilige Dreifaltigkeit feiern, dann frage ich mich, ob das etwas ist, was uns heute etwas Wichtiges zu sagen hat. Ich versuche es - passenderweise - in drei Schritten.

1. Vater
Ich weiß nicht, was in Ihnen für Gedanken und Gefühle entstehen, wenn ich "Vater" sage. Vielleicht denken Sie "Idiot". Oder Sie bringen "Vater" mit "Vorbild" zusammen. Vielleicht denken Sie aber auch: "Trinker".
Vielleicht entsteht Sehnsucht. Oder Wehmut. Oder aber Wut. Oder Traurigkeit.
Jeder macht andere Erfahrungen mit dem Wort Vater.

Mir fällt bei dem Wort "Vater" ein Mann ein, der vor vier Jahren mit dem großen Strom der Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kam und den ich in einem Nest in Brandenburg kennengelernt habe, als ich ein paar Freizeitangebote für die Bewohner der dortigen Unterkunft machen wollte.

Samstag, 11. Mai 2019

Christus ist mitten unter uns – Zur Theologie des Gottesdienstes

Gott will bei den Menschen sein – das ist der Kern des Christentums.
Es ist der Kern von Weihnachten, wenn wir feiern, dass Gottes Wort ein Mensch wird.
Es ist der Kern des Osterfestes, wenn wir feiern, dass Jesus über den Tod hinaus bei den Seinen ist.
Es ist der Kern von Pfingsten, wenn wir feiern, dass Gott im Heiligen Geist bei uns bleibt.
Immerzu feiert die Christenheit Gottes Gegenwart unter den Menschen.
Es ist auch der Kern unseres Gottesdienstes.

Heute sollen darum ein paar Gedanken zur Feier unserer Gottesdienste als Predigt dienen.


1. Versammlung
Das, womit der Gottesdienst beginnt, ist kein Wort, ist kein Lied, ist kein Zeichen.
Das Erste ist, dass wir zusammenkommen.
Denn wir können zwar auch jeder allein für sich beten, doch am Sonntag kommen wir zusammen. Wir stehen dann nicht allein vor Gott, sondern als Gemeinde.
Versammelt und vorbereitet.
Erkner, 2018.
Sie sind hier, im Gottesdienstraum der JVA Plötzensee, die versammelte Gemeinde Gottes an diesem Sonntag. Ob Sie nun getauft sind oder nicht, ob Sie glauben oder nicht, ob Sie katholisch sind oder evangelisch oder orthodox – Sie haben sich zum Gottesdienst versammelt.
Weshalb Sie genau gekommen sind, ist deshalb auch gar nicht so wichtig – wichtig ist, dass wir uns heute hier versammelt haben.

Denn Gott meint und ruft zwar jeden einzeln und persönlich, und wir können auch einzeln und persönlich mit ihm in Kontakt kommen, aber darüber hinaus ruft er uns zur Gemeinschaft. Wir sollen nicht allein bleiben.
Vielmehr will Gott die Menschen zusammenrufen, er will in ihrer Mitte wohnen, er will, wie es die Osterberichte zeigen, in ihre Gemeinschaft kommen und Gemeinschaft unter uns Menschen stiften.

Und wenn wir uns versammelt haben, dann können wir uns auch unter ein gemeinsames Zeichen stellen. Für uns Christen ist es das Kreuzzeichen – das Zeichen, das uns verbindet und zeigt, dass wir zu Jesus Christus stehen, der sich aus Liebe für die Menschen hat kreuzigen lassen.
Unter diesem Zeichen haben wir uns versammelt.

Wir bleiben nicht allein, weil wir mit den Anderen zusammen hier stehen. Und wir bleiben nicht allein, weil Gott dann selbst zu uns kommen will.

2. Sich selbst vor Gott bringen
Wenn wir uns versammeln, dann kommt jeder anders in diesen Raum. Der eine hat gut geschlafen, der andere nur mit schweren Medikamenten, einer schaut auf die Lockerung, die hoffentlich bald kommt, ein anderer macht sich Sorgen um die Familie draußen, einer musste gerade noch einen Konflikt auf der Piste austragen, ein anderer konnte in Ruhe den Tag beginnen...
Wir kommen mit unterschiedlichen Gefühlen und Erfahrungen, mit unterschiedlichen Hoffnungen und Ängsten. Und all das können wir mitbringen in diesen Gottesdienst.

Wer sich am Beginn des Gottesdienstes etwas Zeit nimmt und in Stille vor Gott tritt, der sammelt sich sozusagen selbst ein und legt all das, was er ist und hat, vor Gott hin.
All das, was in einem Leben misslungen ist, was zerbrochen ist, was steckengeblieben ist, aber auch das, was gelungen ist, was leuchtet und glänzt, was nur so schnurrt, kann dann beim Gottesdienst dabei sein.

Jeder ist gerufen, als ganzer Mensch in der Gegenwart da zu sein. Denn nur wenn wir ganz da sind, kann auch Gott ganz bei uns sein – wenn wir verstreut und mit vielen anderen Dingen beschäftigt sind, werden wir auch Gottes Gegenwart nicht bemerken. (Das gilt natürlich nicht nur für den Gottesdienst, sondern auch sonst...)

3. Lobgesang und Gebet
In dieser gesammelten Gegenwart kommen wir natürlich auch zu Gesang und Gebet zusammen.
Wir wenden uns Gott zu und nehmen Kontakt mit ihm auf. So tasten wir über uns hinaus und hoffen, dass da jemand ist, der uns hört.

Besonders intensiv kann dieses Gebet werden, wenn es gesungen wird. Nicht nur ein Stammeln und Verhaspeln, sondern der Versuch, Gott mit Klang und Stimme zu erreichen.
Zwar könnten wir auch aussprechen, was uns wichtig ist, aber wenn wir singen, dann klingt es im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal völlig anders.
Denn der Ton macht, wie man so sagt, die Musik. Und er macht eben auch das Gebet.
Wenn wir die Stimme erheben, dann gehen wir über uns hinaus – wir strengen uns an, wir bringen unser Anliegen zum Klingen, wir bringen es festlicher und feierlicher vor.

Boden. Auch bereitet.
Sonnenallee, Berlin, 2019.
Schließlich kann uns der Gesang auch in meditative Stimmung versetzen – wie das bei den Troparien oder dem Trishagion der byzantinischen Liturgie in der Ostkirche der Fall ist, oder auch bei den vielmals wiederholten Gesängen in Taizé.
Deshalb singen wir immer wieder während des Gottesdienstes – es ist das gemeinsame Gebet, ist ein Einstimmen in das Gebet der vielen Mitfeiernden – und, wie wiederum in der Ostkirche stark betont wird, es ist ein Mitsingen mit den Chören der Engel im Himmel. Vielleicht klingt es nicht so himmlisch, aber wir dürfen uns einklinken und darauf vertrauen, dass wir in einem gewaltigen Chor mitsingen und Gott loben.

4 Hören und Bekennen
Stille und Besinnung gehören also in den Gottesdienst ebenso wie Gesang und Gebet.
Aber nun kommt ein weiterer Punkt, den viele mit Kirche besonders stark assoziieren: das Hören.
Und natürlich sind es die Lesungen aus der Heiligen Schrift, die im Zentrum stehen, wenn es um das Hören geht. Wenn wir aus den Schriften der Bibel vorgelesen bekommen, dann wird eine Verbindung hergestellt zwischen uns und den damals Lebenden mit ihren Gotteserfahrungen. Das, was damals eine Bedeutung hatte, kann es auch für uns haben.

Denn wir glauben:
Christus ist in seinem Wort mitten unter uns.
In diesem Sinne wurde die Bibel auch als eine Art Brief Gottes an den Lesenden oder Hörenden bezeichnet. Denn so wie ein Briefschreiber in dem anwesend ist, was er ganz persönlich einem anderen schreibt, so ist auch Gott anwesend, wenn wir biblische Lesungen hören.
Und noch mehr: Gott schenkt sich uns in seinem Wort.
Denn beim Hören können wir uns darauf verlassen, dass er uns meint und uns aufrichten oder aufrütteln, trösten oder ermahnen will. Dass er uns einlädt, uns ansprechen zu lassen und verwandelt zu werden.

Gott schenkt sich auch in Brot und Wein. Das ist sozusagen die handfeste Variante. Wo er einsteht für das, was er uns im Wort verspricht. Die Verwirklichung des Wortes in Fleisch und Blut.
Das können wir hier nicht in dieser Form feiern.

Aber beides – Gottes Anwesenheit im Wort und seine Anwesenheit im Mahl – soll uns verwandeln.

Dann können wir antworten auf dieses Wort, das Gott uns an diesem Tag gesagt hat.
Klassischerweise kommt nach der Auslegung der Lesungen (also der Predigt) deshalb das Glaubensbekenntnis. Das Bekenntnis ist sozusagen die bestätigende Antwort auf das, was Gott durch die Bibel zu den Feiernden sagt.

5 Versöhnung
Ein weiteres Element des Gottesdienstes ist die Versöhnung, der Friedensgruß.
Dazu lädt Gott uns ein: Dass wir uns mit einander und mit ihm versöhnen.
Es geht also wiederum nicht nur um Gott und mich allein, sondern darum, dass wir mit den Menschen um uns in ein besseres Verhältnis kommen.
In einem Gottesdienst wird dann nicht ausdiskutiert, was schief gelaufen ist, man wird nicht anklagen und verteidigen oder bitterlich um Verzeihung bitten. Aber man kann ein Zeichen setzen.
Es ist ein Zeichen des guten Willens, eine Geste. Wir reichen einander die Hand.

Man könnte sagen: NUR eine Geste, NUR ein Zeichen. Man kann aber auch sagen: Immerhin ein Zeichen, immerhin ein Anfang.
Und tatsächlich bitten wir Gott ja um den Frieden, wir hoffen auf Kraft für einen neuen Anfang mit denen, die um uns herum sind. Schließlich hoffen wir, dass wir diesen Frieden auch ausbreiten können.
Damit erbitten wir eigentlich eine Aufgabe von Gott. Er soll uns seinen Frieden geben, damit wir friedliche Menschen werden.
Ob das nun jemandem im Gottesdienst Kraft gibt – oder ob es vielmehr Kraft kostet, das ist eine interessante Frage, die ich an anderer Stelle gern noch einmal näher betrachten will.

Im weiteren Sinne ist das sogar eine politische Aufgabe. Der Frieden, den wir im Gottesdienst nur in der Geste des Friedensgrußes weitergeben, soll außerhalb des Gottesdienstes unser Leben bestimmen.
Nicht dass das oft geklappt hätte in der Geschichte der Kirche: Aber immerhin ist dieser Wunsch des Friedens eines der durchgehenden Worte, die der auferstandene Jesus in vielen Erscheinungsgeschichten sagt. Es scheint damals genauso wie heute nötig gewesen zu sein, Frieden zu empfangen und Frieden weiterzugeben.

Was sonst?
Moabit, Berlin, 2016.
6 Für Andere bitten
An den Friedensgruß schließen sich bei uns die Bitten an.
Versöhnt mit Gott und den Menschen können wir das vorbringen, was uns auf dem Herzen liegt.
Sicher sind das in vielen Fällen Anliegen, die uns betreffen oder jene, mit denen wir eng verbunden sind.
Aber die Bitten sind auch ein Moment im Gottesdienst, wo sich die Gemeinde, wo sich die einzelne Person öffnen kann für Dinge, die sonst außerhalb des eigenen Horizonts liegen.

Auch alle anderen werden nun mit in den Blick genommen, besonders die Notleidenden, die Schwachen, diejenigen, die nicht glauben können oder die bei allen anderen hinten runterfallen.
Ich persönlich finde es deshalb sehr schön, wenn in Gemeindegottesdiensten bisweilen auch an jene erinnert werden, die im Gefängnis sitzen. Wer denkt sonst schon in dieser Weise an Sie – außer Ihren Angehörigen?
Und auch Sie können hier an jene denken, die sonst vergessen werden. Oder an die, die unsere Bitten besonders nötig haben.

Hinter der Bitte steht die Einsicht, dass wir nicht alles selber schaffen.
So wenden wir uns an jemandem, dem wir zutrauen, dass unser Anliegen bei ihm gut aufgehoben ist.
Wenn wir unsere Bitte vor Gott formulieren, vertrauen wir ihm diese Sache oder diese Person an. Weil wir ihn gegenwärtig glauben, legen wir ihm das vor, was uns bewegt.
Damit geben wir Sorge und Angst aus der Hand, damit sie uns nicht mehr so stark bedrängen wie vielleicht zuvor.

Am Rande sei erwähnt: Eine Hochform des Bittgebets stellt das Vaterunser dar. Und hier fällt auf, dass die Hälfte der Bitten sich auf etwas beziehen, das eigentlich Gott betrifft – „geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe." In diesen Formulierungen zeigt sich, dass das klassische Bittgebet nicht um sich selbst und die eigene kleine Welt kreist, sondern sich öffnet für Andere.

7. Sendung
Am Schluss steht schließlich die Sendung.
Nichts anderes nämlich ist der Segen: Er ist das Ausgesendetwerden in die Welt, damit das, was im Gottesdienst an uns geschehen ist, auch eine Auswirkung in unserem Alltag und unseren Beziehungen hat.
Gott wollte uns bestärken und ausrichten, trösten und halten, damit wir nun in seinem Sinne leben und handeln können.
Der Segen ist ein Auftrag. Und er steht unter demselben Zeichen wie der Beginn des Gottesdienstes: Wir werden unter dem Zeichen des Kreuzes in die Welt gesandt: Liebe bedeutet Schwachheit, aber Liebe überwindet vieles, was wir mit Gewalt und Willen nicht erreichen können. Liebe ist stärker als Leid und Tod.

Der Segen verheißt uns, dass wir Gottes Gegenwart auch dort entdecken können, dort in der Welt, wo unser Alltag ist. Dort, wo Leid und Ärger, Tod und Abschied, Trauer und Angst und Versagen sind.

So werden wir gesandt als Gesammelte, als Hörende, als Lobende, als Bekennende und nicht zuletzt als Boten des Friedens. Und hoffentlich auch als Verwandelte und Erneuerte, obwohl wir doch zu oft die Alten bleiben.

--

Mehr zu Eucharistie und Wortgottesdienst hier, mehr zum Liturgieablauf hier, mehr zur Hirtenthematik des Sonntags hier und hier, mehr zum Muttertag hier.

Erneuerung.
Kirche in Niedergrunstedt, 2017.

Donnerstag, 18. April 2019

Gründonnerstag – Selbsteinsatz mit Berührung

Um das Geschehen von Ostern und besonders das Mahl zu verstehen, das Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen Jüngern feiert, ist es gut, auf die zusätzliche Handlung Jesu zu schauen, die nur bei Johannes überliefert wird.
Dort steht im Zentrum des Zusammenseins, dass Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht.

1
Das ist jene Tätigkeit, die sonst dem Hauspersonal, in reichen römischen Häusern der damaligen Zeit also den Sklaven zukam. Und diesen Platz des Sklaven nimmt nun Jesus ein.
Er dient seinen Jüngern – jenen, die ihm hinterhergingen, weil sie in ihm etwas Besonderes, einen Propheten oder Wundertäter oder sogar den Sohn Gottes sahen.
Durch Jesu Rollenwechsel werden sie selbst nun zu etwas Besonderem, zu Auserwählten, denen sich dieser besondere Mann zuwendet.

Zergehender Weihrauch.
Grünheide, 2019
Er macht sich selbst klein, um zu zeigen, wie Gott sich den Menschen nähert: er kommt ihnen nahe als einer, der sie bedient und sie dadurch groß macht. Indem er sich selbst zu einem Sklaven macht.
Und genau das ist auch der Kern des Mahles.

Es mag beim Letzten Abendmahl in gewisser Weise auch darum gehen, dass Jesus sich mit allen an einen Tisch gesetzt hat, auch mit den Sündern, dass sie miteinander gegessen und getrunken haben und dass sie teilen.

Das Wichtigste aber ist, dass Jesus sich auch hier selbst einsetzt. Durch Mahl und Fußwaschung deutet er seinen bevorstehenden Tod. Denn im Mahl reicht er ihnen nicht irgendetwas, sondern er verspricht, dass er sich ihnen künftig in Brot und Wein selbst reicht: "Das ist mein Leib für euch." (1Kor 11,24)

Darin liegt auch der Kern von Ostern: Gott schenkt uns in seinem Sohn sein Leben.

2
Das hat Konsequenzen für das Leben der Christen, besonders für das Leben derer, die Jesu Botschaft weitertragen wollen, also für die Seelsorger, die Priester, Diakone, Ordensschwestern, Bischöfe, Päpste...
"Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen", betont Jesus im Anschluss an sein ungewöhnliches Tun (Joh 13,14).
Das kann man nun wortwörtlich nehmen, wie heute am Gründonnerstag.
Man kann und sollte es aber vor allem in einem weiteren Sinne verstehen – und zwar jeden Tag.
Einander die Füße zu waschen heißt dann, sich vor dem Anderen nicht aufzuplustern, sondern ihm gut zu tun; sich nicht bedienen zu lassen, sondern selbst zu helfen und zu dienen; nicht fromm zu reden, sondern hilfreich zur Seite zu stehen.

Dazu gehören Realismus und Selbstüberwindung: Jesus wusste, dass seine Jünger ganz normale Menschen mit Schwächen und Ängsten, Fehlern und Macken waren. Und er hat sich trotzdem vor sie hingekniet und ihre staubigen Füße gewaschen. Es war ihm in diesem Moment nicht wichtig, dass sie ihn nur halbwegs verstanden, wenn er vom Reich Gottes sprach oder von sich selbst, dass sie ihn enttäuschten, wenn er sie brauchte, dass sie am Ende sogar verängstigt weglaufen würden.
Er will ihnen trotzdem Gutes, setzt sich für sie ein, zeigt ihnen seine Bereitschaft, für sie da zu sein, kurz: wäscht ihnen trotzdem die Füße.

Für uns ist klar: Das ist im Alltag schwer zu verwirklichen. Einmal im Jahr jemandem die Füße zu waschen, ist dagegen leicht. Einmal im Jahr eine Karte schreiben, ein Geschenk besorgen oder anrufen, das ist kein Problem. Aber alltäglich für jemanden da zu sein mit seinem ganzen Leben, ist eine echte Herausforderung. Um diese Herausforderung geht es.

Berührend.
Pflanze an Kosmetikregal, Linum, 2019.
3
Und im Alltag geht es um Berührung.
Wenn Menschen, die wenig mit Religion zu tun haben, sich Gedanken machen, was es heißt, religiös zu sein, dann geht es oft darum, ob man dies oder jenes wirklich glauben kann, ob man dies oder jenes nicht zu anstrengend finden würde und so weiter.
Entscheidend ist jedoch nicht die Theorie, entscheidend ist, die Praxis, also ob wir uns berühren lassen.
Anders gesagt: Jesus quatscht nicht nur, sondern er berührt seine Jünger.
Auch dies ist wieder doppelt zu verstehen, im wörtlichen und im übertragenen Sinn.
Körperliche Berührung ist eine menschliche Grunderfahrung, die wir als Erwachsene jedoch manchmal, besonders in Situationen wie einer Haft, beiseite schieben (müssen). Nicht jeder darf mich anfassen, nicht von jedem möchte ich berührt werden.
Jesus berührt seine Jünger dort, wo sie einerseits festen Stand in ihrem Leben fassen, wo sie andererseits vorwärtskommen in der Welt. Eben an den Füßen.

Im übertragenen Sinn: Lasse ich mich von Gott berühren, lasse ich ihn an mein Herz? Lasse ich ihn an meine Fundamente? Lasse ich ihn dort ran und mir helfen, wo ich festen Stand brauche? Lasse ich ihn an die Pläne, wie ich in meinem Leben fortkommen möchte?

Wenn ich zulasse, dass Gott mich berührt, dann werde ich auch bereit, mir sein Leben schenken zu lassen. Dann werde ich selbst bereiter, mich praktisch für Andere einzusetzen.

Samstag, 23. März 2019

Jesus und der Vampirbaum. Ein Gedanke zum Sonntagsevangelium (Lk 13,1-9)

Warum sollte ein Baum, der keine Früchte bringt, weiter im Garten stehen? Der Baum entzieht dem Boden Nährstoffe und schädigt auf diese Weise die früchtetragenden Nachbarn. Ein solcher Baum schwächt seine Umwelt – er ist wie ein Vampir, der seinen Opfern die Lebenskraft aussaugt.
Also: "Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?" (Lk 13,7)
Diese Frage jedenfalls stellt sich dem Besitzer des Gartens im Evangelium des Sonntags. Der kann und will es sich wirtschaftlich nicht leisten, einen solchen Nichtsnutz stehen zu lassen.

In unserer Gesellschaft stellen sich ähnliche Fragen.

Sonntag, 6. Januar 2019

Die wollen nix haben, sondern was bringen! Predigtgedanken zum Dreikönigsfest

1. Auf der Suche
Die Geschichte ist altbekannt: Nach dem Matthäusevangelium (Mt 2,1-12) machen sich Weise aus einem fernen Land auf den Weg, um den neugeborenen König der Juden zu finden. Sie werden als "Magoi" bezeichnet und kennen sich mit Sternenkonstellationen aus, so dass sie in den deutschen Übersetzungen mal als Magier, mal als Sterndeuter, mal einfach als Weise bezeichnet werden. Von den alten Völkern des Ostens (im heutigen Irak und Iran) war bekannt, dass sie sich mit den Sternen beschäftigten, deshalb lag die Herkunftsbezeichnung nahe. Es waren also keine gläubigen Juden und trotzdem hatten sie Interesse daran, was in Israel an wichtigen Ereignissen passieren würde, wenn schon so besondere Sternenkonstellationen zu sehen waren. Ihre Daten aus den Sternen glichen sie darum bei den Schriftgelehrten Jerusalems mit den Angaben aus der Bibel ab (vv4-6).

Suche nach dem Richtigen.
Comenius-Garten, Neukölln, Berlin, 2018.
Die Sterndeuter bemerkten etwas Besonderes, das sie in ihrer Lebenswelt (Sternbeobachtung) anspricht. Sie deuten dieses Besondere als das Zeichen eines neuen Königs.
Und nun kommt das Entscheidende: Als sie das Zeichen für die Ankunft des neuen Königs gesehen haben, bleiben sie nicht in ihren Sesseln sitzen, sondern machen sich auf den Weg und suchen ihn.
Erst gehen sie dafür ins Zentrum der Macht dieses kleinen Landes, in den Königspalast nach Jerusalem – aber dort finden sie den neugeborenen König nicht. Also lassen sie sich beraten und gehen weiter.

Mir gefällt das: Losgehen auf ein Zeichen hin, das mir was sagt. Suchen. Mich nicht irre machen lassen, wenn ich nicht sofort am ersten Ort was finde. Und schließlich gut beraten weiter gehen.

Gott sagt ja im Alten Testament von sich: "Ihr werdet mich suchen und ihr werdet mich finden, wenn ihr nach mir fragt von ganzem Herzen. Und ich lasse mich von euch finden" (Jer 29,13f.).
Jesus bestätigt das später im Neuen Testament: "Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet! Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet." (Mt 7,7f)

Das ist auch an uns gerichtet: Wenn wir uns auf den Weg machen und Gott suchen, dann finden wir ihn. Nur müssen wir losgehen; manchmal jeden Tag neu.
Aber wie macht man das, werden manche sich fragen. Hier im Gefängnis würden ja viele sehr gern losgehen, egal wohin.
Der Theologe Karl Rahner hat die Antwort darauf kurz auf den Punkt gebracht: "Das Herz muss sich bewegen!" Auch wenn viele andere "mit der verdrossenen Lebensklugheit ihrer engen Herzen zu Haus sitzen bleiben und solche abenteuerliche Reisen des Herzens für Kindereien halten"1 – unser Herz soll sich auf den Weg machen und Gott suchen. Die Leute aus dem Osten haben das vorgemacht, während diejenigen, die nah dran waren, in Jerusalem sitzen geblieben sind.

Als Hinweis diente ihnen auf ihrer Suche zuerst der Stern ihrer Sehnsucht, dem auch wir folgen können – der Sehnsucht unseres Herzens nach Mehr, nach einem neuen Anfang, nach Gerechtigkeit, nach der großen Umarmung Gottes.
Dazu tritt die Heilige Schrift mit den Schriftkundigen, die sie ihnen auslegten. Und auch das können wir, lesen und uns die schwierigen Stellen auslegen lassen – angesprochen sein durch das Wort Gottes in der Bibel.
Für uns kommt nun noch das Wissen dazu, dass Gott nicht dort zu finden ist, wo die weltliche Macht ist, sondern dass wir uns einfach nur dem kleinen Kind in der Krippe zuwenden müssen. Dort ist Gott zu finden – in der Unschuld, im Kleinen, und in der Einfachheit.

2. Geschenke dabei
Die Anzahl der Suchenden bleibt uns der Evangelist schuldig, immerhin wird erwähnt, dass sie drei Geschenke mitbringen (v11), so dass wir getrost von drei Personen sprechen können. Dann hat jeder was in der Hand gehabt.
Vielleicht hatten auch sie das Problem, was man denn diesem Kind sinnvollerweise schenken kann.
Was sie letztlich mitbringen, wird von den Theologen traditionell so gedeutet, dass die Gaben für drei Funktionen Christi stehen. Sie weisen hin auf Jesus als Priester, König und Propheten. Der Weihrauch für das Priestersein mit seiner liturgisch-kultischen Aufgabe im Tempel, das Gold für das Königtum und seine Assoziation mit Macht und Reichtum, die Myrrhe, das "Bitterkraut" auf das bittere Schicksal des Propheten. 
All das sah in Jesu Leben natürlich anders aus als die Bibel es für Priester, Könige und Propheten des Volkes Israel berichtet, aber das ist eine andere Geschichte.
Sie bringen also etwas mit, das etwas aussagt über den Beschenkten.

Geschenke!?
Alt-Buchhorst, 2018.
Das ist aus zwei Gründen interessant.

Einmal: Die wollen nix haben, sondern die wollen was bringen. Wenn sie den neuen König besuchen und schon so einen langen Weg auf sich nehmen, hätte es ja durchaus sein können, dass wenigstens etwas für sie dabei herausspringen soll. Aber nein, sie bringen lieber etwas mit.

Und dann: Sie schenken nicht sinnlos etwas, das überall und zu jeder Zeit geschenkt werden könnte. Sondern sie haben sich Gedanken gemacht, was das für einer ist, zu dem sie kommen.
Sie wollen etwas schenken, was zu ihm passt und was ausdrückt, was ihnen an ihm wichtig ist.

Für unser Gottesverhältnis kann das heißen: Anstatt immer nur zu bitten und nur dann zu Gott zu kommen, wenn wir etwas haben wollen, könnten wir ihm etwas bringen.
Und zwar etwas, das etwas aussagt darüber, was uns an Gott wichtig ist.
Das kann eine Übung sein, so wie sie auch bei manchen längeren Gebets- und Meditationsübungen angedacht sind – wer ist Gott für mich und finde ich dementsprechend einen Namen für ihn. Bei seinen "Exerzitien auf der Straße" nennt der Jesuit Christian Herwartz das Beispiel einer Frau, die Gott als den erfahren hat, der sie schön ansieht – und ihn eben auch so benennt: "Du, die du mich schön ansiehst".2

Andere werden völlig andere Erfahrungen mit Gott machen:
Vielleicht fällt es mir nicht immer leicht, so wie oben beschrieben auf die Suche zu gehen und mich immer wieder neu nach Gott auszustrecken. Das ist so mühsam und ich bin so schwach. Dann passt als symbolisches Geschenk vielleicht eine Batterie, die mich ausdauernd genug macht. Oder ein Jojo, das immer wieder losgeht, wenn es ganz unten angekommen ist.
Vielleicht entdecke ich Gottes Spuren einfach nicht in meinem Leben, weil so vieles schief gegangen ist. Zu viele Scherben, zu viel Misslungenes und zu viel Enttäuschung. Dann kann ich Gott vielleicht eine Lupe bringen, damit ich ihn besser entdecken kann.
Oder vielleicht bin ich froh über etwas, das ich gelernt habe und dankbar für Dinge, die gelungen sind. Dann kann ich mein Lächeln bringen.

Das sind die Gaben, die wir vor Gott bringen können. Gaben, die sich durchaus auch verändern können auf dem Weg. Gaben, die zu uns und zu ihm passen.


3. Anders zurückkehren
Die weisen Männer waren wirklich sehr weise. Entweder hatten sie alle denselben Traum und fanden das so überzeugend, dass sie nicht mehr zu Herodes zurückgingen. Oder einer überzeugte die anderen von seinem Traum.
Oder es wurde ihnen klar, dass ihre Frage nach dem neuen König und das Erschrecken, das sie damit ausgelöst hatten (v2f), nichts Gutes bedeutete. Vielleicht wurden sie dann weise durch ihre Unvorsichtigkeit.
Wie dem auch sei, sie gingen jedenfalls auf einem anderen Weg zurück als sie gekommen waren.

Nachdem ich gerade aus einem Urlaub wiedergekommen bin, kann ich nur bestätigen, dass das besonders dann Sinn macht, wenn man die Umgebung näher kennenlernen will.
Aber auch darüber hinaus scheint eine Reise gut dafür zu sein, Veränderungen herbeizuführen.

Verändert.
Rudow, Berlin, 2018.


Wenn wir uns auf die Suche nach Gott machen und ihm das mitbringen, was wir ihm schon immer einmal geben wollten, dann werden vielleicht auch wir dadurch verändert.
Gerade wenn es, wie hier im Gefängnis ja nicht anders möglich, eine innere Reise, eben die Reise des Herzens sein wird, von der Karl Rahner sprach, dann werden wir nicht mehr genauso auf die Welt schauen wie zuvor.

Wer beim Besuch des Kindes in der Krippe mit Gott in Berührung kommt, wird mehr lieben und mehr verzeihen. Und er wird von Gott nicht mehr schweigen können.
Zwar werden die Sterndeuter in der Bibel nie wieder erwähnt, doch das muss nichts bedeuten. Auch wir werden in der Weltgeschichte vielleicht nie wieder erwähnt. Aber auch wir können von unserer Suche nach Gott sprechen und davon, was er für uns bedeutet, was wir ihm also bringen können.
Das macht uns zu anderen Menschen – und es verändert die Welt.


1   K. Rahner, Von der seligen Reise des gottsuchenden Menschen. Gedanken zum Fest der Erscheinung des Herrn, in: Geist und Leben 22 (1949) 405-409, hier: 409. – Zu finden auch unter https://www.geist-und-leben.de/component/docman/doc_download/954-22-1949-6-405-409-rahner-0.html und https://www.jesuiten.org/news/der-stern-leuchtet/.
2   C. Herwartz, Brennende Gegenwart. Exerzitien auf der Straße. Würzburg 2011, 21.

Dienstag, 25. Dezember 2018

Das Geschenk der Weihnacht: Was für ein Glück! Was für eine Aufgabe!

Als unsere zweite Tochter geboren wurde, ging alles ganz schnell. Natürlich hatten wir uns vorbereitet so gut es ging, und mit einem drei Jahre älteren Kleinkind zu Hause ist ja auch schon einiges kindgerecht eingerichtet. Aber die innere Vorbereitung war nicht mehr besonders ausführlich – für Ruhe und Besonnenheit fehlte uns einfach die Zeit.

Samstag, 20. Oktober 2018

Der Macht nahe sein? Enttäuschung auf ganzer Linie.

1.
Sie kennen das Gefühl wahrscheinlich und haben sicher auch schon das ein oder andere Mal zu hören bekommen, dass jemand sagt: Du bist eine Enttäuschung für mich.
Jemand hatte Erwartungen an Sie gestellt und sich etwas Schönes von Ihnen erhofft – und Sie haben versagt.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meinem Berufsalltag:
An manchen Tagen im Gefängnis habe ich den Eindruck, dass ich nur enttäuschen kann.

Mittwoch, 26. September 2018

Cosmas und Damian – Heilung ist unentgeltlich

Im Evangelium (Lk 9,1-10) am Fest der heiligen Ärzte Cosmas und Damian lesen wir, dass Jesus seine Jünger losschickt, um zu heilen. Drei Gedanken dazu.

1 Christentum bedeutet Heilung
Gott will, dass wir heil werden. Und zwar an Seele und Leib.
Dazu sendet er die Christen, damit sie in seinem Namen Heilung und Heil wirken.
Denn es ist seit dem Beginn Teil der christlichen Botschaft und Praxis, auch für die körperliche Gesundheit anderer zu sorgen.

Samstag, 8. September 2018

"Ich atme nicht ohne die Stimme" Hilde Domin und der Atem des Lebens

Atem trägt Leben weiter.
Linum, 2018.
"Deine Stimme, die mich umarmt hat,
es ist viele Tage her,
ich habe jeden Tag
ein kleines Stück von ihr gegessen,
ich habe viele Tage
von ihr gelebt."

Samstag, 18. August 2018

Der Laientheologe und die eucharistische Kirche. Ein Konfliktfeld in der Praxis

Vor ein paar Tagen las ich in der Herder-Korrespondenz ein Interview mit dem Bostoner Erzbischof Seán Patrick O'Malley, der davon sprach, dass wir als katholische Kirche "eine eucharistische Kirche" seien.
Ohne es an dieser Stelle zu explizieren, bezieht er sich damit auf eine schon bei Paulus bezeugte1 und seit der frühen Kirche des zweiten Jahrhunderts gewachsene Theologie, derzufolge der Ursprung der Kirche als lebendiger Leib Christi in der Feier des Mahles um den eucharistischen Leib Christi liegt. Das Zweite Vatikanische Konzil weist ebenso darauf hin wie Johannes Paul II. in seiner letzten Enzyklika mit dem sprechenden Namen "Ecclesia de Eucharistia" (2003), der wie üblich ihrem ersten Satz entnommen ist: "Die Kirche lebt von der Eucharistie."2

Mir ist diese Art des Herangehens an Kirche und Kult sehr einleuchtend, wie ich auch hier schon dargestellt habe. Durch die Mitfeier der Messe wird für mich im Idealfall eben nicht nur die Gemeinschaft mit Christus, sondern auch mit den anderen Mitfeiernden spürbar.