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Sonntag, 15. Dezember 2019

Dürfen wir uns denn freuen? Notiz zum Dritten Advent

Johannes der Täufer stellt die entscheidende Frage an Jesus:
"Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?" (Mt 11,3)

Oder anders gefragt: Ist denn Grund zur Freude da? Bist du der Messias? Sind die Erfolge groß genug? Ist das Entscheidende endlich passiert? Können wir aufatmen?

Wenn wir heute den Sonntag "Gaudete" feiern, also "Freut euch!", dann stellt sich diese Frage durchaus ernsthaft: Dürfen wir uns denn freuen?
Können wir uns freuen angesichts der Weltlage, angesichts der Armut, angesichts der Wohnungsnot, angesichts der Klimaveränderungen...?
Ist das Schlechte nicht so viel stärker und größer als das Gute?

Mittwoch, 4. Dezember 2019

Waffen weg und losgehen - Jesaja-Predigt im Advent

1.
Advent ist ein Sich-auf-den-Weg-machen.
So hören wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 2,1-5) - „Viele Nationen machen sich auf den Weg" (v3), es wird darum gebeten, dass Gott seine Wege zeigt (ebd.), Jesaja fordert auf, die eigenen Wege im „Licht des Herrn" (v5) zu gehen.
Der Advent ist der Weg in Richtung auf ein großes Ziel. Hier in Haft ist Ihr Ziel, das eigene Leben draußen wieder leben zu können. Der Advent gibt uns einen Hinweis, wie das aussehen kann: Adventlich gestimmte Menschen warten darauf, dass etwas Neues geboren wird.
Der Weg besteht darin, abwarten zu können, bis dieses Neue ankommt.
Denn Advent heißt: nicht alles kommt sofort.

Samstag, 23. November 2019

Herrschaftskritik. Eine Predigt am Christkönigssonntag

Gute Herrschaft lebt davon, dass sie anerkannt wird. Sonst wird sie zum Zwang.

Am Christkönigsfest geht es darum, was für eine Art von Herrschaft Gott in dieser Welt aufbauen will. Die Lesungen, die zu diesem Fest ausgewählt werden, weisen meistens darauf hin, dass Jesus im Unterschied zu den gängigen Herrschaftsmethoden ein Königtum von Gewaltfreiheit verkörpert.
Aber auch dies ist eine Herrschaft, und auch sie muss anerkannt werden, um eine gute Herrschaft zu sein. Aus Unzufriedenheit kann nichts wachsen.

Darum soll es in dieser Predigt gehen.

Freitag, 15. November 2019

Trauriges Auseinanderfallen – Andreas Knapp und der Weltuntergang

Jesus verkündet den Evangelien am Ende des Kirchenjahres eine Zeit, in der alles endet.
Vom Tempel, der wichtigsten Stätte der Gottesanbetung für Israel über die Beziehungen zwischen den Völkern und diverse Klimakatastrophen auf der Erde bis hin zu den traditionellen Familiengefügen – alles wird auseinanderfallen (Lk 21,5-19).
Die Endlichkeit gilt für alles, nicht nur für den Menschen!

Andreas Knapp sieht die Schöpfung angesichts ihres Vergehens selber trauern.

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Alles heiligen. Oder: Wo sind die heiligen Familien?

Es ist zum Haareraufen:
Wenn ich auf den Heiligenkalender der katholischen Kirche schaue, muss ich feststellen, dass dort viele Mönche, Bischöfe, Pfarrer, Missionare, Prediger, Päpste, Nonnen und heilige Jungfrauen zu finden sind.
Aber fast keine Heiligen, die eine Familie außer ihrer Herkunftsfamilie hatten – mithin fast keine heiligen Väter oder Mütter.

Während für die frühe Kirche noch das Martyrium, und damit der Tod, die wichtigste Basis der Heiligkeit war, wurde mit der Zeit auch das heiligmäßige Leben bedeutsamer – und das schien sich vor allem in den heiligen Kirchenlehrern, Eremiten, Wüstenvätern Jungfrauen und Bischöfen zu finden.

Donnerstag, 15. August 2019

Vorsicht: Frau mit Krone. Mariä Himmelfahrt in der Kritik

In einer feministisch sensibel gewordenen Gesellschaft kann dieses Bild bestenfalls peinlich wirken. Eher noch wird es – noch schlimmer – wie eine paternalistische Geste wirken: Es zeigt die Mutter Jesu als die im Himmel Gekrönte und ist eine der häufigsten Darstellungen Marias im Mittelalter und darüber hinaus. Die "Krönung Mariens" – das Bild zum Fest Mariä Himmelfahrt.

Heute würden bei einem solchen Motiv sofort alle roten Lampen angehen: Ein Mann setzt einer hübschen jungen Frau eine Krone auf.
Das Motiv ist altbekannt: Schmuck und Geld, Macht und Scheinwerferlicht ersetzen bei reichen weißen (und meistens alten) Männern oft genug andere Formen der Beziehungsgestaltung oder gar der Männlichkeit.
Ihr Glanz ist die junge Frau, mit der sie sich schmücken.
Das öffentlichkeitswirksame Überreichen von goldenem Schmuck ist eine Variante, um dies sinnenhaft manifest zu machen.

Dienstag, 6. August 2019

Die ultimative nichtsubstanzbasierte Bewusstseinserweiterung

Wir hören heute von einer radikalen Bewusstseinserweiterung der Jünger Jesu (Lk 9,28b-36).
Wenn sie vorher noch im Zweifel waren, um wen es sich bei ihrem Meister handelt, sind sie nach diesem Erlebnis (seiner "Verklärung") einen Riesenschritt weiter.

Eine Bewusstseinserweiterung kann sich auf verschiedene Weisen ereignen:

Grundstürzende Veränderungen wie eine neue Partnerschaft oder die Geburt der eigenen Kinder sind vielfach Auslöser dafür, sich neu mit sich selbst und der eigenen Sicht auf die Welt auseinander zu setzen.

Sonntag, 23. Juni 2019

Johannes der ... - Zum Geburtstag eines Mannes, der seine Rolle in der Welt gefunden hat

Eigentlich hätte er auch Johannes der Lebensberater heißen können. Immerhin hat er den Zöllnern und den Soldaten gute Tipps für ihre Lebensführung gegeben (vgl. Lk 3,12-14).
Oder Johannes der Wütende, hat er die Pharisäer und Sadduzäer doch beschimpft, dass die Köpfe glühten (vgl. 3,7ff). Oder Johannes der Verheißene, von dem schon der Prophet Jesaja sprach (Lk3,3ff). Oder Johannes der Prediger, Johannes der Enthauptete oder oder oder.

Nichts von alledem gab den Ausschlag für seinen Eingang in die biblischen Geschichten.

Was bleibt von mir? Zinnowitz, 2019.
Was ihn für die ersten Christen so einzigartig machte, war das Taufen.

Er lebte und wirkte in der Wüste und am Jordan und „verkündete die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden" (Lk 3,3).
Also wurde er - der Täufer.

Neben all dem, was ich in meinem Leben auch noch bin - Vater, Ehemann, Seelsorger, Deutscher, Brillenträger und Wurstesser - frage ich mich manchmal, als wer ich einem Menschen im Gedächtnis bleibe.

Johannes der Täufer hatte seine Rolle gefunden. Er ist als Vorläufer Jesu für immer der Täufer.

Wir Lebenden müssen uns das noch fragen und können es auch bisweilen mitgestalten:
Was macht mein Leben aus?
Als wer werde ich meinem Gegenüber im Gedächtnis bleiben?
Welche Rolle prägt mich am meisten?

Mittwoch, 19. Juni 2019

Fronleichnam und die Zerstörung der Globuli

Als in der letzten Sendung des Neo Magazin Royale über die Homöopathie hergezogen wurde, musste ich kurz schmunzeln. Insgesamt war die Sendung ja gar nicht sehr aufs Schmunzeln angelegt, sondern auf Böhmermann-typische Weise aufklärerisch-provokativ, nicht zuletzt durch den Besuch von Rezo und einem politisch angehauchten Gespräch.

Grund meines Schmunzelns aber war der Gedanke an die mögliche innere Verbindung zwischen den geschmähten Globuli und dem heutigen Hochfest Fronleichnam, bei dem Katholiken Leib und Blut Christi in den Gestalten von Brot und Wein verehren.

Samstag, 8. Juni 2019

Pfingsten: Die "stages of change" und der Geist

"Viele Beratungsaktivitäten basieren auf der Annahme, dass die Adressaten bereit sind, ihr Verhalten zu ändern ... Dies trifft aber nur für einen ganz kleinen Teil der Bevölkerung wirklich zu. Wesentlich mehr Menschen befinden sich zum Zeitpunkt der Beratung in Stadien der Absichtslosigkeit (Precontemplation) oder der Absichtsbildung (Contemplation)."1

Mit anderen Worten: Es passiert nichts, weil die Betreffenden einfach nicht motiviert sind. Veränderung ist gar nicht gewollt, es existiert kein Problembewusstsein.

Wer mit diesen Gedanken aus der Motivationspsychologie im Hinterkopf auf die Anfänge der Kirche schaut, wie sie am Pfingstfest gefeiert werden, dem kann ein Licht aufgehen.

Mittwoch, 29. Mai 2019

Die fehlende Sehnsucht nach dem Himmel. Predigtgedanken an Christi Himmelfahrt

Ich denke gerade oft an einen Zeitungsartikel, den ich vor einigen Wochen las und in dem es darum ging, wie Menschen in Deutschland sich selbst und die Gesellschaft sehen. Es handelte sich um einen Bericht zur so genannten "Vermächtnisstudie".1

Demnach zeichnet die Deutschen aus, dass sie gern stabile Verhältnisse haben, aber keine großen Visionen. Es geht ihnen eher um ein "überschaubares Glück, eine Idylle im Kleinformat."2
Eine der Verantwortlichen für die Studie, die Soziologin Jutta Allmendinger, sagt dazu, die Deutsche seien "Menschen, die das Behagliche und Maßvolle schätzen."3 Alle haben "ihre kleinen Kokons" und richten sich darin irgendwie ein. Insgesamt geht aus der Studie eine erstaunliche Gelassenheit der Deutschen in Bezug auf die aktuellen sozialen und politischen Verhältnisse hervor.

Eng begrenztes Licht.
An der Dahme bei Zeuthen, 2019.
Angesichts der vielen Krisen, in der sich die Weltpolitik und auch die deutsche politische Landschaft gerade befinden, ist das erstaunlich. Denn Grund für Sorge und Unruhe gibt es ja mehr als genug und nicht selten wird medial auch genau diese Haltung befeuert.

Aus theologischer Sicht halte ich aber für besonders bemerkenswert, dass dieses Tendenz, sich im Nahbereich des Alltäglichen einzurichten, einhergeht mit einer zunehmenden Relevanzlosigkeit des Religiösen.
Die Frage nach Gott oder einem überfassenden Sinn, die großen Fragen nach Leben und Tod verschwinden hinter dem hohen Wert einer ruhigen gesicherten Existenz mit Jahresurlaub und Bonusmeilen.

Ist also, so frage ich mich am Fest Christi Himmelfahrt, die Sehnsucht nach dem Himmel hierzulande verschwunden? Gibt es keinen Wunsch mehr nach einem Aufbruch aus der Welt, wenn wir hier nur genug zum Leben finden?

Es scheint fast so.

Ein Sinn des heutigen Festes dagegen ist das Vertrauen darauf, dass Jesus Christus uns nur vorangegangen ist, dass wir nachkommen und dass also auch unsere Zukunft der Himmel ist.
Wer sich diesen weiten Horizont aber nicht zu eigen macht, wird sich in der eigenen Enge festhalten.

Mir selbst fehlt in dieser ganzen Behaglichkeit das Abenteuerliche.
Grenzen austesten, sich mit dem Status quo nicht zufrieden geben und ausbrechen aus dem Trott, das sind Dinge, die mir sehr wichtig sind.

Auch dafür steht Himmelfahrt für mich – das Leben besteht nicht aus Rumhängen im eigenen Bett und nicht aus dem Kleben am Sessel, sondern im Aufbruch.

Vielleicht ist das ein Gedanke, der Ihnen hier im Knast auch nicht ganz fremd ist.
Die meisten können diese vier Wände, die Fenster mit den Gittern, die zuknallenden Türen, den immer gleichen Hofgang kaum mehr ertragen.

Die Hoffnung darauf, dass es irgendwann noch mehr gibt, ist hier essenziell. Im Gefängnis lebt der Wunsch nach Freiheit, nach einem weiten Horizont, nach dem Jenseits – auch wenn es vorerst nur das Jenseits der Mauern ist.

Vielleicht ist der Aufstieg Jesu aus der Enge der irdischen Möglichkeiten, vielleicht ist Himmelfahrt also auch ein sehr passendes Fest im Gefängnis.

Ich wünsche Ihnen diese Sehnsucht, die Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi so ausdrückte:

"Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. ... Denn unsere Heimat ist im Himmel." (Phil 3,13f.20)

Richten Sie sich weder im Gefängnis noch in der Welt zu sehr ein!
Gott ruft Sie hinaus ins Weite – jetzt in diesem Leben und danach ebenso.
Amen

Sehnsucht nach Licht.
Universitätsbibliothek Warschau, 2015.

1   "Die Vermächtnis-Studie versteht sich als Seismograf gesellschaftlicher Entwicklungen in allen Lebensbereichen – wie Arbeit, Wohnen, Liebe, Gesundheit, Kommunikation, Besitz. Sie wurde 2015 zum ersten Mal durchgeführt. Nun haben DIE ZEIT, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und das infas institut für angewandte Sozialwissenschaft eine Neuauflage der Studie entwickelt und finanziert. Für die neue Runde befragten Interviewer 2.070 Bürgerinnen und Bürger in Einzelgesprächen. Die Ergebnisse wurden im Mai 2019 vorgestellt". In: https://www.zeit.de/serie/das-vermaechtnis
3   Alle Zitate von J. Allmendinger ebenda, 70.

Donnerstag, 2. Mai 2019

Vom Kern des Auferstehungsglaubens – Kurz gefasst von Medard Kehl

Alle paar Jahre wieder wird berichtet, wie schwer sich deutsche Christen mit dem Glauben an die Auferstehung und ein Leben über das irdische Leben hinaus tun.
Gerade in der Osterzeit ist das ein besorgniserregender Befund.

Begründet ist die Skepsis vieler Getaufter zum Einen mit dem um sich greifenden naturalistischen Weltbild, das sich als metaphysikfreie Welterklärung ohne Himmel anbietet. Dazu habe ich an anderer Stelle die spannenden Überlegungen von Holm Tetens angedeutet.

Zum Anderen versteht sich ein solcher Unglaube immer noch und immer wieder als Aufstand gegen die mythische Sprache von Bibel und Tradition.

Samstag, 27. April 2019

Evangelium der Wunden. Blicke auf Jesus, uns selbst und die Welt

Das Evangelium des Sonntags (Joh 20,19-31) handelt von Wunden. Und davon, dass die Wunden zu sehen sind. 

1. Gott mutet uns die Wunden der Welt zu
Die Geschichte vom Auferstandenen, der sich den Jüngern mit seinen Wunden präsentiert, passt damit leider nur zu gut in unsere Zeit.

Denn am Ostersonntag mussten wir die Bilder von den Anschlägen in Sri Lanka mit den vielen hundert Toten und Verletzten sehen. Während die Gläubigen in ihren Kirchen die Auferstehung Jesu feierten, wollten Andere sie schlimmstmöglich verletzen.

Dienstag, 23. April 2019

„Geburt des Morgens“ - Österliche Natur bei Andreas Knapp

In der Natur zeigen sich gerade im Frühjahr Andeutungen und Zeichen dessen, was wir als Christen unter Auferstehung und neuem Leben verstehen1 – kein Wunder, dass Ostern in der Blüte des Jahres gefeiert wird.

In seinem Gedichtband „Beim Anblick eines Grashalms“ hat Andreas Knapp „Naturgedichte“ versammelt, die oftmals mehr oder weniger deutlich eine spirituelle Lesart enthalten.
So auch hier2:

Geburt des Morgens
Neue Farben in der Stadt.
Neukölln, Berlin, 2019.

der letzte Stern
gibt der Amsel den Einsatz

im Crescendo des Lichts
wächst die Erwartung des neuen Tages
der erste Sonnenstrahl
bricht sich in den Nachttränen

tausendfaches Aufblitzen im Tau
als habe sich der Sternenhimmel

in den Grashalmen verfangen
alle Farben werden neu erfunden

ein Atemzug Ahnung
vom ersten Schöpfungstag


Was mich sofort anspricht: das Bild der neu erfundenen Farben.

So verstehe ich Auferstehung sofort:
Neues Leben bedeutet neue Farben.
Das sind zunächst einmal Negierungen: Nicht matt, nicht altbekannt, nicht verblasst, nicht schwarz-weiß, nicht althergebracht, nicht rosig, nicht von früher übernommen, nicht grau, nicht wiederholt.
Sondern: neu.

Alles wird neu, denn Auferstehung ist eine Neuschöpfung. Daran erinnern die letzten Zeilen: Ahnung der Frische des Urzustands.
Was wir bisher gesehen haben, ist nicht vergleichbar mit dem Neuen. Unsere Kategorien greifen nicht mehr, die Augen können nicht fassen, was Auferstehung von Gott her meint, nämlich das gänzlich Neue für uns: neue Farben, ein neuer Morgen, neue Schöpfung, neue Lebendigkeit.



1   Siehe dagegen aber auch: Die Auferstehung ist kein Schmetterling.
2   A. Knapp, Beim Anblick eines Grashalms. Naturgedichte. Würzburg 2017, 78.

Sonntag, 21. April 2019

Ostern – Rückkehr mit Umkehr. Predigtgedanken zu Maria Magdalena

1. Zurückkehren ohne Tröstung
Am Ostermorgen ist Maria von Magdala zum Grab zurückgekehrt (Joh 20,1.11-18). Im Schutz der Dunkelheit kam sie und wollte beim Grab allein um ihren Meister trauern. Da sah sie, dass der Stein fortgerollt war. Sie weint, weil sie nun auch den Leichnam verloren meint und mit ihm die letzte fassbare Spur Jesu.

Ich glaube, das ist vergleichbar mit der Erfahrung, die viele Menschen kennen, wenn sie sich neu auf die Suche nach Sinn, nach irgendeiner Bedeutung im Leben, vielleicht sogar nach Gott oder nach Religion machen:
Nachdem eine Zeitlang Funkstille herrschte und kein Kontakt mit religiösen Fragen vorhanden war, kommt diese Frage irgendwann wieder.

Samstag, 20. April 2019

Karsamstag: Blick in den Abgrund mit Andrea Mantegna

Die aktuelle Ausstellung "Mantegna und Bellini – Meister der Renaissance" in der Berliner Gemäldegalerie zeigt einige eindrucksvolle Karsamstagsbilder. Unter dem Titel "Der Abstieg Christi in die Vorhölle" hat Andrea Mantegna ein bemerkenswertes Motiv kreiert und in vielen Variationen ausgeführt, das der heute gängigen Betonung der karsamstäglichen Grabesruhe entgegensteht.

Vielmehr zeigt der oberitalienische Künstler, was die theologische Spekulation hinter den Kulissen des Todes vermutet: Christus steigt zu den Toten hinunter. Er, der am Karfreitag als Mensch gestorben war, hat nun die erlösende Aufgabe, zu all den anderen Toten hinunterzusteigen und sie teilhaben zu lassen an der kommenden Auferstehung.

Freitag, 19. April 2019

Karfreitag – Zweimal berührt. Bildbetrachtungen

Liebe will den Anderen berühren. Hass leider auch.

Am Karfreitag treffen sich beide Formen körperlicher Berührung auf intensivste Weise. Sie machen besonders deutlich, was Passion alles heißen kann: passiv, erleidend, zulassend...

Zuerst bei der Kreuzigung.

Donnerstag, 18. April 2019

Gründonnerstag – Selbsteinsatz mit Berührung

Um das Geschehen von Ostern und besonders das Mahl zu verstehen, das Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen Jüngern feiert, ist es gut, auf die zusätzliche Handlung Jesu zu schauen, die nur bei Johannes überliefert wird.
Dort steht im Zentrum des Zusammenseins, dass Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht.

1
Das ist jene Tätigkeit, die sonst dem Hauspersonal, in reichen römischen Häusern der damaligen Zeit also den Sklaven zukam. Und diesen Platz des Sklaven nimmt nun Jesus ein.
Er dient seinen Jüngern – jenen, die ihm hinterhergingen, weil sie in ihm etwas Besonderes, einen Propheten oder Wundertäter oder sogar den Sohn Gottes sahen.
Durch Jesu Rollenwechsel werden sie selbst nun zu etwas Besonderem, zu Auserwählten, denen sich dieser besondere Mann zuwendet.

Zergehender Weihrauch.
Grünheide, 2019
Er macht sich selbst klein, um zu zeigen, wie Gott sich den Menschen nähert: er kommt ihnen nahe als einer, der sie bedient und sie dadurch groß macht. Indem er sich selbst zu einem Sklaven macht.
Und genau das ist auch der Kern des Mahles.

Es mag beim Letzten Abendmahl in gewisser Weise auch darum gehen, dass Jesus sich mit allen an einen Tisch gesetzt hat, auch mit den Sündern, dass sie miteinander gegessen und getrunken haben und dass sie teilen.

Das Wichtigste aber ist, dass Jesus sich auch hier selbst einsetzt. Durch Mahl und Fußwaschung deutet er seinen bevorstehenden Tod. Denn im Mahl reicht er ihnen nicht irgendetwas, sondern er verspricht, dass er sich ihnen künftig in Brot und Wein selbst reicht: "Das ist mein Leib für euch." (1Kor 11,24)

Darin liegt auch der Kern von Ostern: Gott schenkt uns in seinem Sohn sein Leben.

2
Das hat Konsequenzen für das Leben der Christen, besonders für das Leben derer, die Jesu Botschaft weitertragen wollen, also für die Seelsorger, die Priester, Diakone, Ordensschwestern, Bischöfe, Päpste...
"Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen", betont Jesus im Anschluss an sein ungewöhnliches Tun (Joh 13,14).
Das kann man nun wortwörtlich nehmen, wie heute am Gründonnerstag.
Man kann und sollte es aber vor allem in einem weiteren Sinne verstehen – und zwar jeden Tag.
Einander die Füße zu waschen heißt dann, sich vor dem Anderen nicht aufzuplustern, sondern ihm gut zu tun; sich nicht bedienen zu lassen, sondern selbst zu helfen und zu dienen; nicht fromm zu reden, sondern hilfreich zur Seite zu stehen.

Dazu gehören Realismus und Selbstüberwindung: Jesus wusste, dass seine Jünger ganz normale Menschen mit Schwächen und Ängsten, Fehlern und Macken waren. Und er hat sich trotzdem vor sie hingekniet und ihre staubigen Füße gewaschen. Es war ihm in diesem Moment nicht wichtig, dass sie ihn nur halbwegs verstanden, wenn er vom Reich Gottes sprach oder von sich selbst, dass sie ihn enttäuschten, wenn er sie brauchte, dass sie am Ende sogar verängstigt weglaufen würden.
Er will ihnen trotzdem Gutes, setzt sich für sie ein, zeigt ihnen seine Bereitschaft, für sie da zu sein, kurz: wäscht ihnen trotzdem die Füße.

Für uns ist klar: Das ist im Alltag schwer zu verwirklichen. Einmal im Jahr jemandem die Füße zu waschen, ist dagegen leicht. Einmal im Jahr eine Karte schreiben, ein Geschenk besorgen oder anrufen, das ist kein Problem. Aber alltäglich für jemanden da zu sein mit seinem ganzen Leben, ist eine echte Herausforderung. Um diese Herausforderung geht es.

Berührend.
Pflanze an Kosmetikregal, Linum, 2019.
3
Und im Alltag geht es um Berührung.
Wenn Menschen, die wenig mit Religion zu tun haben, sich Gedanken machen, was es heißt, religiös zu sein, dann geht es oft darum, ob man dies oder jenes wirklich glauben kann, ob man dies oder jenes nicht zu anstrengend finden würde und so weiter.
Entscheidend ist jedoch nicht die Theorie, entscheidend ist, die Praxis, also ob wir uns berühren lassen.
Anders gesagt: Jesus quatscht nicht nur, sondern er berührt seine Jünger.
Auch dies ist wieder doppelt zu verstehen, im wörtlichen und im übertragenen Sinn.
Körperliche Berührung ist eine menschliche Grunderfahrung, die wir als Erwachsene jedoch manchmal, besonders in Situationen wie einer Haft, beiseite schieben (müssen). Nicht jeder darf mich anfassen, nicht von jedem möchte ich berührt werden.
Jesus berührt seine Jünger dort, wo sie einerseits festen Stand in ihrem Leben fassen, wo sie andererseits vorwärtskommen in der Welt. Eben an den Füßen.

Im übertragenen Sinn: Lasse ich mich von Gott berühren, lasse ich ihn an mein Herz? Lasse ich ihn an meine Fundamente? Lasse ich ihn dort ran und mir helfen, wo ich festen Stand brauche? Lasse ich ihn an die Pläne, wie ich in meinem Leben fortkommen möchte?

Wenn ich zulasse, dass Gott mich berührt, dann werde ich auch bereit, mir sein Leben schenken zu lassen. Dann werde ich selbst bereiter, mich praktisch für Andere einzusetzen.

Samstag, 13. April 2019

Palmsonntag - Gedanken aus der Menge

Ein Jünger, der mit Jesus in die Stadt einzieht (J)
Ein Pharisäer, der schon seine Meinung zu Jesus hat (P)
Ein Mensch in der Menge, der mal schauen will (M)


J:    Wow, wie die Leute UNS zujubeln!
P:    Da vorne ist er also, der Hampelmann, so sehe ich ihn jetzt auch endlich mal!
M:    Wer ist das? Lasst mich doch mal durch, ich sehe überhaupt nichts!

Sonntag, 10. März 2019

Meine Versuchungen im Gottesdienst. Gedanken zum Evangelium am Ersten Fastensonntag

Wenn Jesus im Evangelium des heutigen ersten Fastensonntags auf die Probe gestellt wird, dann frage ich mich, was diese Versuchungen für mich bedeuten.

(Leider gab es traditionell keine Auslegung dieses Textes durch den Gemeindepfarrer – aber dafür den in diesem Jahr äußerst hörens- und lesenswerten Fastenhirtenbrief von Erzbischof Koch. Ich kann ihn an dieser Stelle nur empfehlen und betonen, wer ihn liest und bisweilen auch in diesen Blog hineinschaut, kann dort viele Gedanken entdecken, die hier auch auftauchen: Ambivalenzen aushalten, Vielfalt würdigen, Aufmerksam durch den Alltag gehen...)

Besonders wenn ich selbst einen Gottesdienst gestalte, gibt es eine Reihe von Versuchungen, denen ich standzuhalten habe.

"Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden" (Lk 4,3), beginnt der Teufel bei Jesus.
Auch meine Versuchung ist oft genug, zu glauben, dass ich durch meine eigenen Kräfte und Möglichkeiten die Gottesdienstbesucher satt machen könnte.