Posts mit dem Label und werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label und werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 13. Juni 2020

Bloß nicht zu denen! Über Jesu Verbot, zu Heiden und Samaritern zu gehen

Es ist eine Aussage, die mir regelmäßig aufstößt – Jesu Verbot, zu den Nichtjuden zu gehen. "Geht nicht den Weg zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samaríter" (Mt 10,5), sagt er im Evangelium des Sonntags (Mt 9,36-10,8) zu seinen Aposteln. Nur den "verlorenen Schafen des Hauses Israel" (v6) sollen sie die Frohe Botschaft von Gottes heilender Nähe verkünden.
Das schockiert mich und passt nicht recht zu meiner sonstigen Auslegung des Christentums.
Bedeutet das den Ausschluss aller anderen Gruppen von der Gottesherrschaft? Will Gott nicht bei ihnen sein? Kurz: Gibt es Menschen, die bei Gott nicht gewünscht sind?

Samstag, 23. Mai 2020

Immer und überall. Christi Himmelfahrt und die Weisen der göttlichen Präsenz

Wir feiern an Christi Himmelfahrt ein Fest der Zwischenzeit – zwischen Ostern und Pfingsten, zwischen Frühling und Sommer, in diesem Jahr außerdem zwischen Corona-Shutdown und dem noch unklaren Danach.
Für heutige Christen ist klar, dass unser ganzes religiöses Leben ebenso eine Zwischenzeit ist: Jesus können wir nicht mehr sehen, wir leben alle nach seiner Himmelfahrt. Vom Heiligen Geist spüren wir mal mehr und mal weniger. Das Weltende ist noch fern. Dieser Zustand der Zwischenzeit kennt wenig Klarheit und fördert die Unsicherheit, wo Gott denn in unserem Leben zu finden sei.

In der Bibel und der christlichen Tradition kommen verschiedene Vorstellungen zum Tragen, wo Gott zu finden ist. Hier können wir auch einiges lernen für unsere persönliche Beziehung zu Gott.

Montag, 18. Mai 2020

Der 100. Geburtstag von Johannes Paul II. Eine persönliche Rückschau

1.
Zuerst war da nur der in jeder Messfeier genannte Name des Papstes, für den gebetet wurde. Sonntag für Sonntag, Jahr für Jahr der gleiche. Da ich es nicht anders kannte, fiel mir erst später auf, dass Johannes Paul II. auf diese Weise in meiner ganzen Kindheit und Jugend präsent war.

2.
Dann beschäftigte ich mich mit seinen Schriften, da ich (immer noch) der Meinung bin, dass es gut ist, sich mit grundlegenden Texten der eigenen Tradition auseinanderzusetzen. Die päpstlichen Lehrschreiben des aktuellen Pontifex zählte ich dazu. Ich muss zugeben, dass ich den Stil der Enzykliken von Johannes Paul II. schätze. Nicht an jedem Punkt teile ich seine theologische Meinung, aber er bringt seine Themen elegant auf den Punkt und hat eine überaus spirituelle Perspektive auf alle Fragestellungen. Außerdem bildete er mit der Vielzahl seiner Äußerungen zu den unterschiedlichsten Fragestellungen – von der menschlichen Arbeit über die Ostkirchen und die Frage der Mission bis hin zu Trinität und Eucharistie – eine gute Basis zum Verständnis des Katholischen, jedenfalls des Katholischen aus seiner Sicht. Es ist ein sehr kirchliches Katholischsein, das aber gleichzeitig eine große Weite über die Grenzen der Kirche hinaus kennt.

Samstag, 16. Mai 2020

Ich höre auf den, den ich liebe. Gedanke zum Evangelium am 6. Sonntag der Osterzeit

Ich fand diese Logik Jesu, die das Sonntagsevangelium einrahmt, immer ein bisschen schräg:

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Joh 14,15) am Anfang und "Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt" (v21) am Ende.
Oder auch ein Kapitel später:
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ (Joh 15,14)

Die Verknüpfung von Liebe und Freundschaft mit dem Einhalten von Regeln zu verbinden, ist mir auf den ersten Blick nicht wirklich sympathisch. 
Das klingt wie: Regeln einhalten ist ein Zeichen von Zuneigung. Und: Nähe gibt’s nur bei Gehorsam.

Dienstag, 12. Mai 2020

"Sind Gräber Atempause für die Sehnsucht?" Zum 50 Todestag von Nelly Sachs

Ich weiß nicht viel von ihr, und das wenige, das ich weiß, lässt sich überall zusammenlesen:
Nelly Sachs wurde 1891 in Berlin in einer jüdischen Familie geboren und lebte bis zu ihrem Exil 1940 ein recht stilles Leben, abseits vom Kulturbetrieb der flimmernden Großstadt. Sie veröffentlichte einige wenige Gedichte und konnte 1940 nach Schweden fliehen. Dieses Exil wurde "ihr buchstäblich zur künstlerischen Neugeburt",1 so schreibt es Hilde Domin in ihrem Nachwort zu einer Gedichtauswahl der Suhrkamp Bibliothek.

Samstag, 9. Mai 2020

Dreimal W: Den Weg kennen. Große Werke tun. Eine Wohnung finden.

Wir feiern wieder Gottesdienst. Aber kann man das wirklich eine Feier nennen – unter diesen vom Pandemieplan diktierten Bedingungen ? Ohne gemeinsamen Gesang, mit riesigen Abständen zwischen uns, ohne anschließendes Beisammensein?

Es ist das, was wir daraus machen! Wir können feiern, weil wir glauben, dass Gott in unserer Mitte sein will, wenn wir uns treffen. Egal unter welchen Umständen.

Mit meinen Gedanken war ich in den letzten Tagen immer wieder bei den Geschehnissen der letzten Tage des Krieges, an dessen Ende vor 75 Jahren vielerorts erinnert wurde. Unter welchen Umständen dort manchmal Gottesdienste gefeiert wurden.
Wie wird es diesen Menschen zumute gewesen sein, wenn sie in den Gottesdienst gegangen sind? Waren sie dankbar und erleichtert, dass alles vorbei ist? Oder doch eher verbittert über die Niederlage? Ängstlich angesichts der Besatzung und der vielen Unsicherheiten?

Auch wir haben einige der aktuellen Einschränkungen schon hinter uns – aber gerade hier im Gefängnis bestehen noch viele besondere Begrenzungen fort, vom Besuchsverbot bis zum Ausfall der Gruppenangebote.
Wie die Menschen damals stehen auch wir mit unseren unterschiedlichen Gefühlen vor Gott.

Mittwoch, 29. April 2020

"Vertigo" – Eine Auferstehungsversion an Alfred Hitchcocks 40. Todestag

"Aus dem Reich der Toten" (1958) ist einer der besten und bekanntesten Filme von Alfred Hitchcock. Der Originaltitel "Vertigo" bedeutet übersetzt "Schwindel" – und das kann hier durchaus im doppelten Sinn als Störung des Gleichgewichts einerseits und als lügnerischer Betrug andererseits verstanden werden.1

Im Hintergrund aber geht es um eine Auferstehungsgeschichte der besonderen Art.

Donnerstag, 23. April 2020

Unterirdisch: „wunder des weizenkorns“ von Andreas Knapp

Die Corona-Krise wird von religiös denkenden Menschen sehr unterschiedlich gedeutet. Manche sehen sie als eine Chance, was auch ich zum Teil tue, Andere sagen, dass aus dieser sinnlosen Lage nicht viel Gutes wachsen kann – und beides auch quer zu sonstigen Debattenlagen. Wahrscheinlich hängt die jeweilige Einschätzung sehr vom Charakter ab.

Ich selbst suche nach dem Positiven – in meinen Begegnungen im Gefängnis, in der Heiligen Schrift, in den Verlautbarungen meiner Kirche und auch in dem, was in den politischen und gesellschaftlichen Realitäten der Welt sonst so geschieht. Was meine gleichzeitige kritische Sicht auf viele Ereignisse nicht ausschließt.
Will Gott uns in den "Zeichen der Zeit" (GS 4) etwas sagen – und wenn, ja, in welcher Weise?

Samstag, 18. April 2020

Jesus empfiehlt Corona-Glauben

"Selig sind, die nicht sehen und doch glauben." (Joh 20,29)

So lautet das berühmte Diktum Jesu am Ende des Evangeliums vom "ungläubigen Thomas" (Joh 20,19-31), das eine Woche nach Ostern in den Kirchen gelesen wird.

Eine der traditionellen Deutungen dieses Wortes besagt, dass die Christen, die keinen Kontakt mehr mit dem leiblichen Jesus haben konnten, auf diese Weise gestärkt werden sollten. Denn ihr Glaube basiert nun mal nicht auf dem Sehen, sondern "nur" auf dem Zeugnis derer, die Jesus noch mit eigenen Augen sehen konnten.

Für die jetzige Zeit empfiehlt sich eine adaptierte Deutung:

Freitag, 17. April 2020

Schäbig, aber Zukunft. Von den Zeichen des neuen Lebens in Lutz Seilers "Stern 111"

Ostern erinnert uns daran, dass der Tod in Leben verwandelt wird.
Dass etwas, das gestorben ist, auferstehen kann in Neues.
Doch wie den Jüngern in den Evangelien, so fällt es auch uns nicht immer leicht, die Zeichen des Neuen richtig zu lesen.

Einer der es konnte, ist die Figur des jungen Carl in "Stern 111", der Ende 1989 aus Gera nach Berlin gekommen ist und in seiner besetzten Ost-Berliner Wohnung auf sein armseliges Hab und Gut schaut:

Montag, 13. April 2020

Ostermontag – Hasenbrot, das vom Leben erzählt, in "Am Tag davor"

Die Emmausjünger können ihre Trauer und ihre Verzweiflung nur schwer durchbrechen. Sie erkennen den Auferstandenen endgültig erst dann, als er mit ihnen das Brot bricht.
Auch Sorj Chalandon berichtet in "Am Tag davor", das im Milieu der französischen Bergleute spielt, von einem solchen Brot:

Sonntag, 12. April 2020

Ostersonntag – Verwechselt und trotzdem auferstanden, in "Serpentinen"

Das ist ein Osterbuch!
Zwar enthält es sehr viele karge, anstrengende, sich in sich selbst verwirbelnde Motive und Gedanken. Bov Bjerg hat die "Serpentinen" des Titels in die Handlung eingewoben.
Doch letztendlich spricht das Buch von einem großen Aufbruch: Ein Mann versucht, aus der Suizid-Spirale seines Vaters und seines Großvaters auszubrechen. Dazu wagt er mit seinem Sohn ein Experiment. Sie reisen in die schon lang verlassene Heimat und entdecken dabei nicht nur die dunkle Vergangenheit. Nein, sie erleben einige Krisen, Gefährdungen und Neuaufbrüche. 

Eine Entdeckung machen sie bei der Lektüre der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn (vgl. Lk 15,11-32):

Samstag, 11. April 2020

Karsamstag – Unten, im Lebenwechselraum, auf "Stern 111"

Nach dem Fall der Mauer beschließen Carls Eltern, ihr altes Leben in Gera hinter sich zu lassen und sich auf den Weg in den Westen zu machen. Ihrem Sohn übergeben sie die Verantwortung für die alte Wohnung. Mehrere Wochen bleibt er ohne Nachricht von seinen Eltern, aus dem Keller versorgt er sich mit Eingewecktem und Apfelwein.

Donnerstag, 9. April 2020

Gründonnerstag – Verletzlich, mit gewaschenen Füßen, in "Das Reich Gottes"

Der Autor ringt mit dem Christentum.
Ganz besonders kämpft er mit der Frage, ob er selbst glaubt, und wie die Frühgeschichte des Christentums damit zu tun hat. Davon handelt das monumentale Buch"Das Reich Gottes" von Emmanuel Carrère.
Ganz am Ende berichtet er von der Briefbekanntschaft mit einer Leserin, Bérengère, die ihn einlädt, sich in einer "Arche" die Füße waschen zu lassen.

Samstag, 4. April 2020

Palmsonntag: Kleider liegen auf der Straße

Mit diesen Worten werde ich am Palmsonntag um ca. 10 vor 10 Uhr auf rbb 88,8 zu hören sein:

Massen sind in Jerusalem unterwegs. Es ist fast kein Durchkommen mehr an den Eingangstoren zur Stadt. Denn dieser Wunderheiler aus Nazareth soll kommen. Ein berühmter Mann, den muss man gesehen haben.
Und da ist er endlich, auf einem Esel reitet er ein, seine Jünger bahnen ihm einen Weg durch die Menge. Die Leute reißen Zweige von den Bäumen. "Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus" und jubeln ihm zu. So ähnlich beschreibt die Bibel den Einzug Jesu in Jerusalem.

Normalerweise feiern Christen auf der ganzen Welt am heutigen Palmsonntag mit großen Gottesdiensten den Beginn der Karwoche. Ihr Höhepunkt ist nach der Erinerung an den Tod Jesu am Karfreitag die Feier seiner Auferstehung an Ostern.

Donnerstag, 2. April 2020

Bibel-Mini 5 – Elija in der Wüste

In Zeiten von Corona-Quarantäne und Rückzug aus den vertrauten sozialen Begegnungsräumen kann ein Blick auf den biblischen Urvater des Eremitentums vielleicht interessant sein.

Es handelt sich um den alttestamentarischen Propheten Elija, der sich im Konflikt mit König Ahab und vor allem mit dessen Frau Isebel für die Sache Gottes verausgabt (vgl. 1Kön 18). Nachdem Elija einen Wettstreit mit den Baalspriestern gewonnen hat, verkündet Isebel, dass sie sich an ihm rächen will (1Kön 19,1f).

Sonntag, 29. März 2020

Lasst euch nicht anstecken! Sonntag im Gefängnis

1.
Heute war ich das erste Mal nach meiner Quarantäne wieder im Gefängnis. Gottesdienste dürfen zwar aktuell nicht stattfinden, aber mit den Inhaftierten, mit denen ich regelmäßig im Kontakt bin, wollte ich doch ein paar persönliche Worte wechseln. Und natürlich einen kleinen Gruß aus dem Evangelium vorbeibringen, natürlich einzeln und unter Einhaltung der derzeitigen Regeln.

Mein Eindruck: Abstand halten ist auf den Fluren der Hafthäuser sehr schwierig, denn während der Aufschlusszeiten sind alle unterwegs, um zu duschen, zu kochen, sich zu unterhalten, an den öffentlichen Apparaten zu telefonieren oder Dinge zu tauschen. Auch das Gespür für die Sinnhaftigkeit der Abstandsregeln schien mir wenig ausgeprägt, bisweilen ist es hier auch schon schwer, grundlegende hygienische Standards einzuhalten – wie soll man dann erst mit den erweiterten Regeln umgehen...

Samstag, 28. März 2020

Der Ruf, der lebendig macht. Beobachtungen zum Tod des Lazarus und zu "Der Tod Jesu"

"...manchmal erblickt er in der Gestalt eines Kindes, das über die Straße rennt oder die Treppe hochflitzt, das Bild von David und verspürt größte Verbitterung darüber, dass allein sein Kind fortgenommen werden musste, während neunundneunzig andere unbeschadet weiterspielen und glücklich sein können. Es erscheint ungeheuerlich, dass ihn die Dunkelheit verschlungen hat, dass es keinen Aufschrei gibt, kein Klagen, kein Haareraufen oder Zähneknirschen, dass die Welt sich weiter um ihre Achse dreht, als wäre nichts geschehen."1

Ein Mensch ist gestorben und es ist schwer auszuhalten, dass es niemanden groß zu kümmern scheint. Ein Einzelschicksal hebt die Welt nicht mehr aus den Fugen; gerade in diesen Tagen bestehen die Horrormeldungen vor allem in der hohen Anzahl der am Virus Gestorbenen.

Simon aus J.M. Coetzees neu erschienenem Buch "Der Tod Jesu" durchlebt das Durcheinander der Gedanken und Gefühle. Enttäuschung, Wut, Unverständnis kommen in ihm auf, als der aus "Die Kindheit Jesu" und "Die Schulzeit Jesu" bekannte Junge David von einer geheimnisvollen Krankheit langsam dahingerafft wird.

Donnerstag, 26. März 2020

Wie sieht Nähe in der Krise aus?

Viele gute Sachen kommen in einer Krise zum Vorschein. Dazu gehört auch, dass eine Menge Hilfsangebote an Nachbarn oder Bedürftige gemacht werden, das Übernehmen von Einkäufen oder die Berliner Gabenzäune beispielsweise.
Durch solche Aktionen entsteht eine neue Nähe zu Menschen, die sonst unter die Räder kommen könnten. Nachbarn, die sonst nicht mehr als einen Gruß miteinander wechseln, können sich Hilfsangebote machen. Online-Tutorials können neue Horizonte aufschließen.

Und das alles, während es auf den Straßen und Plätzen des Landes (und in vielen anderen Regionen weltweit) weitgehende Kontaktverbote gibt. Physische Nähe fällt aus – mentale Nähe kann entstehen.

Beim heutigen Spaziergang im Wald stand mir plötzlich dieser Satz vor Augen:

Dienstag, 24. März 2020

Bibel-Mini 4 – Renaissance des Gehorsams?

Als ich las, dass 95% der Deutschen die Kontaktverbote der nächsten zwei Wochen für richtig halten, war ich sehr erstaunt. Die Einschränkungen sind massiv – und trotzdem stimmen fast alle Befragten ihnen zu. So geeint und so gehorsam habe ich diese Republik wohl noch nie erlebt.