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Mittwoch, 22. Mai 2019

Großartiges Ich. Unverlierbare Würde. Über Maria und das Grundgesetz

Das Grundgesetz feiert Geburtstag.

Ich mag das Grundgesetz, also gratuliere ich gern.

Besonders denke ich, wie so Viele, an den ersten Satz.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Art 1, Abs. 1, Satz 1, GG)

Ein hoher Anspruch, der trotz der scheinbar einfachen Botschaft missverständlich bleibt.

So richtig klar ist schließlich nicht, was genau diese Würde überhaupt sein soll.

Mir fällt dazu ein Satz ein, den der Evangelist Lukas Maria in den Mund legt.

Der Mächtige hat Großes an mir getan.“ (Lk 1,49)

Samstag, 11. Mai 2019

Christus ist mitten unter uns – Zur Theologie des Gottesdienstes

Gott will bei den Menschen sein – das ist der Kern des Christentums.
Es ist der Kern von Weihnachten, wenn wir feiern, dass Gottes Wort ein Mensch wird.
Es ist der Kern des Osterfestes, wenn wir feiern, dass Jesus über den Tod hinaus bei den Seinen ist.
Es ist der Kern von Pfingsten, wenn wir feiern, dass Gott im Heiligen Geist bei uns bleibt.
Immerzu feiert die Christenheit Gottes Gegenwart unter den Menschen.
Es ist auch der Kern unseres Gottesdienstes.

Heute sollen darum ein paar Gedanken zur Feier unserer Gottesdienste als Predigt dienen.


1. Versammlung
Das, womit der Gottesdienst beginnt, ist kein Wort, ist kein Lied, ist kein Zeichen.
Das Erste ist, dass wir zusammenkommen.
Denn wir können zwar auch jeder allein für sich beten, doch am Sonntag kommen wir zusammen. Wir stehen dann nicht allein vor Gott, sondern als Gemeinde.
Versammelt und vorbereitet.
Erkner, 2018.
Sie sind hier, im Gottesdienstraum der JVA Plötzensee, die versammelte Gemeinde Gottes an diesem Sonntag. Ob Sie nun getauft sind oder nicht, ob Sie glauben oder nicht, ob Sie katholisch sind oder evangelisch oder orthodox – Sie haben sich zum Gottesdienst versammelt.
Weshalb Sie genau gekommen sind, ist deshalb auch gar nicht so wichtig – wichtig ist, dass wir uns heute hier versammelt haben.

Denn Gott meint und ruft zwar jeden einzeln und persönlich, und wir können auch einzeln und persönlich mit ihm in Kontakt kommen, aber darüber hinaus ruft er uns zur Gemeinschaft. Wir sollen nicht allein bleiben.
Vielmehr will Gott die Menschen zusammenrufen, er will in ihrer Mitte wohnen, er will, wie es die Osterberichte zeigen, in ihre Gemeinschaft kommen und Gemeinschaft unter uns Menschen stiften.

Und wenn wir uns versammelt haben, dann können wir uns auch unter ein gemeinsames Zeichen stellen. Für uns Christen ist es das Kreuzzeichen – das Zeichen, das uns verbindet und zeigt, dass wir zu Jesus Christus stehen, der sich aus Liebe für die Menschen hat kreuzigen lassen.
Unter diesem Zeichen haben wir uns versammelt.

Wir bleiben nicht allein, weil wir mit den Anderen zusammen hier stehen. Und wir bleiben nicht allein, weil Gott dann selbst zu uns kommen will.

2. Sich selbst vor Gott bringen
Wenn wir uns versammeln, dann kommt jeder anders in diesen Raum. Der eine hat gut geschlafen, der andere nur mit schweren Medikamenten, einer schaut auf die Lockerung, die hoffentlich bald kommt, ein anderer macht sich Sorgen um die Familie draußen, einer musste gerade noch einen Konflikt auf der Piste austragen, ein anderer konnte in Ruhe den Tag beginnen...
Wir kommen mit unterschiedlichen Gefühlen und Erfahrungen, mit unterschiedlichen Hoffnungen und Ängsten. Und all das können wir mitbringen in diesen Gottesdienst.

Wer sich am Beginn des Gottesdienstes etwas Zeit nimmt und in Stille vor Gott tritt, der sammelt sich sozusagen selbst ein und legt all das, was er ist und hat, vor Gott hin.
All das, was in einem Leben misslungen ist, was zerbrochen ist, was steckengeblieben ist, aber auch das, was gelungen ist, was leuchtet und glänzt, was nur so schnurrt, kann dann beim Gottesdienst dabei sein.

Jeder ist gerufen, als ganzer Mensch in der Gegenwart da zu sein. Denn nur wenn wir ganz da sind, kann auch Gott ganz bei uns sein – wenn wir verstreut und mit vielen anderen Dingen beschäftigt sind, werden wir auch Gottes Gegenwart nicht bemerken. (Das gilt natürlich nicht nur für den Gottesdienst, sondern auch sonst...)

3. Lobgesang und Gebet
In dieser gesammelten Gegenwart kommen wir natürlich auch zu Gesang und Gebet zusammen.
Wir wenden uns Gott zu und nehmen Kontakt mit ihm auf. So tasten wir über uns hinaus und hoffen, dass da jemand ist, der uns hört.

Besonders intensiv kann dieses Gebet werden, wenn es gesungen wird. Nicht nur ein Stammeln und Verhaspeln, sondern der Versuch, Gott mit Klang und Stimme zu erreichen.
Zwar könnten wir auch aussprechen, was uns wichtig ist, aber wenn wir singen, dann klingt es im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal völlig anders.
Denn der Ton macht, wie man so sagt, die Musik. Und er macht eben auch das Gebet.
Wenn wir die Stimme erheben, dann gehen wir über uns hinaus – wir strengen uns an, wir bringen unser Anliegen zum Klingen, wir bringen es festlicher und feierlicher vor.

Boden. Auch bereitet.
Sonnenallee, Berlin, 2019.
Schließlich kann uns der Gesang auch in meditative Stimmung versetzen – wie das bei den Troparien oder dem Trishagion der byzantinischen Liturgie in der Ostkirche der Fall ist, oder auch bei den vielmals wiederholten Gesängen in Taizé.
Deshalb singen wir immer wieder während des Gottesdienstes – es ist das gemeinsame Gebet, ist ein Einstimmen in das Gebet der vielen Mitfeiernden – und, wie wiederum in der Ostkirche stark betont wird, es ist ein Mitsingen mit den Chören der Engel im Himmel. Vielleicht klingt es nicht so himmlisch, aber wir dürfen uns einklinken und darauf vertrauen, dass wir in einem gewaltigen Chor mitsingen und Gott loben.

4 Hören und Bekennen
Stille und Besinnung gehören also in den Gottesdienst ebenso wie Gesang und Gebet.
Aber nun kommt ein weiterer Punkt, den viele mit Kirche besonders stark assoziieren: das Hören.
Und natürlich sind es die Lesungen aus der Heiligen Schrift, die im Zentrum stehen, wenn es um das Hören geht. Wenn wir aus den Schriften der Bibel vorgelesen bekommen, dann wird eine Verbindung hergestellt zwischen uns und den damals Lebenden mit ihren Gotteserfahrungen. Das, was damals eine Bedeutung hatte, kann es auch für uns haben.

Denn wir glauben:
Christus ist in seinem Wort mitten unter uns.
In diesem Sinne wurde die Bibel auch als eine Art Brief Gottes an den Lesenden oder Hörenden bezeichnet. Denn so wie ein Briefschreiber in dem anwesend ist, was er ganz persönlich einem anderen schreibt, so ist auch Gott anwesend, wenn wir biblische Lesungen hören.
Und noch mehr: Gott schenkt sich uns in seinem Wort.
Denn beim Hören können wir uns darauf verlassen, dass er uns meint und uns aufrichten oder aufrütteln, trösten oder ermahnen will. Dass er uns einlädt, uns ansprechen zu lassen und verwandelt zu werden.

Gott schenkt sich auch in Brot und Wein. Das ist sozusagen die handfeste Variante. Wo er einsteht für das, was er uns im Wort verspricht. Die Verwirklichung des Wortes in Fleisch und Blut.
Das können wir hier nicht in dieser Form feiern.

Aber beides – Gottes Anwesenheit im Wort und seine Anwesenheit im Mahl – soll uns verwandeln.

Dann können wir antworten auf dieses Wort, das Gott uns an diesem Tag gesagt hat.
Klassischerweise kommt nach der Auslegung der Lesungen (also der Predigt) deshalb das Glaubensbekenntnis. Das Bekenntnis ist sozusagen die bestätigende Antwort auf das, was Gott durch die Bibel zu den Feiernden sagt.

5 Versöhnung
Ein weiteres Element des Gottesdienstes ist die Versöhnung, der Friedensgruß.
Dazu lädt Gott uns ein: Dass wir uns mit einander und mit ihm versöhnen.
Es geht also wiederum nicht nur um Gott und mich allein, sondern darum, dass wir mit den Menschen um uns in ein besseres Verhältnis kommen.
In einem Gottesdienst wird dann nicht ausdiskutiert, was schief gelaufen ist, man wird nicht anklagen und verteidigen oder bitterlich um Verzeihung bitten. Aber man kann ein Zeichen setzen.
Es ist ein Zeichen des guten Willens, eine Geste. Wir reichen einander die Hand.

Man könnte sagen: NUR eine Geste, NUR ein Zeichen. Man kann aber auch sagen: Immerhin ein Zeichen, immerhin ein Anfang.
Und tatsächlich bitten wir Gott ja um den Frieden, wir hoffen auf Kraft für einen neuen Anfang mit denen, die um uns herum sind. Schließlich hoffen wir, dass wir diesen Frieden auch ausbreiten können.
Damit erbitten wir eigentlich eine Aufgabe von Gott. Er soll uns seinen Frieden geben, damit wir friedliche Menschen werden.
Ob das nun jemandem im Gottesdienst Kraft gibt – oder ob es vielmehr Kraft kostet, das ist eine interessante Frage, die ich an anderer Stelle gern noch einmal näher betrachten will.

Im weiteren Sinne ist das sogar eine politische Aufgabe. Der Frieden, den wir im Gottesdienst nur in der Geste des Friedensgrußes weitergeben, soll außerhalb des Gottesdienstes unser Leben bestimmen.
Nicht dass das oft geklappt hätte in der Geschichte der Kirche: Aber immerhin ist dieser Wunsch des Friedens eines der durchgehenden Worte, die der auferstandene Jesus in vielen Erscheinungsgeschichten sagt. Es scheint damals genauso wie heute nötig gewesen zu sein, Frieden zu empfangen und Frieden weiterzugeben.

Was sonst?
Moabit, Berlin, 2016.
6 Für Andere bitten
An den Friedensgruß schließen sich bei uns die Bitten an.
Versöhnt mit Gott und den Menschen können wir das vorbringen, was uns auf dem Herzen liegt.
Sicher sind das in vielen Fällen Anliegen, die uns betreffen oder jene, mit denen wir eng verbunden sind.
Aber die Bitten sind auch ein Moment im Gottesdienst, wo sich die Gemeinde, wo sich die einzelne Person öffnen kann für Dinge, die sonst außerhalb des eigenen Horizonts liegen.

Auch alle anderen werden nun mit in den Blick genommen, besonders die Notleidenden, die Schwachen, diejenigen, die nicht glauben können oder die bei allen anderen hinten runterfallen.
Ich persönlich finde es deshalb sehr schön, wenn in Gemeindegottesdiensten bisweilen auch an jene erinnert werden, die im Gefängnis sitzen. Wer denkt sonst schon in dieser Weise an Sie – außer Ihren Angehörigen?
Und auch Sie können hier an jene denken, die sonst vergessen werden. Oder an die, die unsere Bitten besonders nötig haben.

Hinter der Bitte steht die Einsicht, dass wir nicht alles selber schaffen.
So wenden wir uns an jemandem, dem wir zutrauen, dass unser Anliegen bei ihm gut aufgehoben ist.
Wenn wir unsere Bitte vor Gott formulieren, vertrauen wir ihm diese Sache oder diese Person an. Weil wir ihn gegenwärtig glauben, legen wir ihm das vor, was uns bewegt.
Damit geben wir Sorge und Angst aus der Hand, damit sie uns nicht mehr so stark bedrängen wie vielleicht zuvor.

Am Rande sei erwähnt: Eine Hochform des Bittgebets stellt das Vaterunser dar. Und hier fällt auf, dass die Hälfte der Bitten sich auf etwas beziehen, das eigentlich Gott betrifft – „geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe." In diesen Formulierungen zeigt sich, dass das klassische Bittgebet nicht um sich selbst und die eigene kleine Welt kreist, sondern sich öffnet für Andere.

7. Sendung
Am Schluss steht schließlich die Sendung.
Nichts anderes nämlich ist der Segen: Er ist das Ausgesendetwerden in die Welt, damit das, was im Gottesdienst an uns geschehen ist, auch eine Auswirkung in unserem Alltag und unseren Beziehungen hat.
Gott wollte uns bestärken und ausrichten, trösten und halten, damit wir nun in seinem Sinne leben und handeln können.
Der Segen ist ein Auftrag. Und er steht unter demselben Zeichen wie der Beginn des Gottesdienstes: Wir werden unter dem Zeichen des Kreuzes in die Welt gesandt: Liebe bedeutet Schwachheit, aber Liebe überwindet vieles, was wir mit Gewalt und Willen nicht erreichen können. Liebe ist stärker als Leid und Tod.

Der Segen verheißt uns, dass wir Gottes Gegenwart auch dort entdecken können, dort in der Welt, wo unser Alltag ist. Dort, wo Leid und Ärger, Tod und Abschied, Trauer und Angst und Versagen sind.

So werden wir gesandt als Gesammelte, als Hörende, als Lobende, als Bekennende und nicht zuletzt als Boten des Friedens. Und hoffentlich auch als Verwandelte und Erneuerte, obwohl wir doch zu oft die Alten bleiben.

--

Mehr zu Eucharistie und Wortgottesdienst hier, mehr zum Liturgieablauf hier, mehr zur Hirtenthematik des Sonntags hier und hier, mehr zum Muttertag hier.

Erneuerung.
Kirche in Niedergrunstedt, 2017.

Donnerstag, 18. April 2019

Gründonnerstag – Selbsteinsatz mit Berührung

Um das Geschehen von Ostern und besonders das Mahl zu verstehen, das Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen Jüngern feiert, ist es gut, auf die zusätzliche Handlung Jesu zu schauen, die nur bei Johannes überliefert wird.
Dort steht im Zentrum des Zusammenseins, dass Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht.

1
Das ist jene Tätigkeit, die sonst dem Hauspersonal, in reichen römischen Häusern der damaligen Zeit also den Sklaven zukam. Und diesen Platz des Sklaven nimmt nun Jesus ein.
Er dient seinen Jüngern – jenen, die ihm hinterhergingen, weil sie in ihm etwas Besonderes, einen Propheten oder Wundertäter oder sogar den Sohn Gottes sahen.
Durch Jesu Rollenwechsel werden sie selbst nun zu etwas Besonderem, zu Auserwählten, denen sich dieser besondere Mann zuwendet.

Zergehender Weihrauch.
Grünheide, 2019
Er macht sich selbst klein, um zu zeigen, wie Gott sich den Menschen nähert: er kommt ihnen nahe als einer, der sie bedient und sie dadurch groß macht. Indem er sich selbst zu einem Sklaven macht.
Und genau das ist auch der Kern des Mahles.

Es mag beim Letzten Abendmahl in gewisser Weise auch darum gehen, dass Jesus sich mit allen an einen Tisch gesetzt hat, auch mit den Sündern, dass sie miteinander gegessen und getrunken haben und dass sie teilen.

Das Wichtigste aber ist, dass Jesus sich auch hier selbst einsetzt. Durch Mahl und Fußwaschung deutet er seinen bevorstehenden Tod. Denn im Mahl reicht er ihnen nicht irgendetwas, sondern er verspricht, dass er sich ihnen künftig in Brot und Wein selbst reicht: "Das ist mein Leib für euch." (1Kor 11,24)

Darin liegt auch der Kern von Ostern: Gott schenkt uns in seinem Sohn sein Leben.

2
Das hat Konsequenzen für das Leben der Christen, besonders für das Leben derer, die Jesu Botschaft weitertragen wollen, also für die Seelsorger, die Priester, Diakone, Ordensschwestern, Bischöfe, Päpste...
"Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen", betont Jesus im Anschluss an sein ungewöhnliches Tun (Joh 13,14).
Das kann man nun wortwörtlich nehmen, wie heute am Gründonnerstag.
Man kann und sollte es aber vor allem in einem weiteren Sinne verstehen – und zwar jeden Tag.
Einander die Füße zu waschen heißt dann, sich vor dem Anderen nicht aufzuplustern, sondern ihm gut zu tun; sich nicht bedienen zu lassen, sondern selbst zu helfen und zu dienen; nicht fromm zu reden, sondern hilfreich zur Seite zu stehen.

Dazu gehören Realismus und Selbstüberwindung: Jesus wusste, dass seine Jünger ganz normale Menschen mit Schwächen und Ängsten, Fehlern und Macken waren. Und er hat sich trotzdem vor sie hingekniet und ihre staubigen Füße gewaschen. Es war ihm in diesem Moment nicht wichtig, dass sie ihn nur halbwegs verstanden, wenn er vom Reich Gottes sprach oder von sich selbst, dass sie ihn enttäuschten, wenn er sie brauchte, dass sie am Ende sogar verängstigt weglaufen würden.
Er will ihnen trotzdem Gutes, setzt sich für sie ein, zeigt ihnen seine Bereitschaft, für sie da zu sein, kurz: wäscht ihnen trotzdem die Füße.

Für uns ist klar: Das ist im Alltag schwer zu verwirklichen. Einmal im Jahr jemandem die Füße zu waschen, ist dagegen leicht. Einmal im Jahr eine Karte schreiben, ein Geschenk besorgen oder anrufen, das ist kein Problem. Aber alltäglich für jemanden da zu sein mit seinem ganzen Leben, ist eine echte Herausforderung. Um diese Herausforderung geht es.

Berührend.
Pflanze an Kosmetikregal, Linum, 2019.
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Und im Alltag geht es um Berührung.
Wenn Menschen, die wenig mit Religion zu tun haben, sich Gedanken machen, was es heißt, religiös zu sein, dann geht es oft darum, ob man dies oder jenes wirklich glauben kann, ob man dies oder jenes nicht zu anstrengend finden würde und so weiter.
Entscheidend ist jedoch nicht die Theorie, entscheidend ist, die Praxis, also ob wir uns berühren lassen.
Anders gesagt: Jesus quatscht nicht nur, sondern er berührt seine Jünger.
Auch dies ist wieder doppelt zu verstehen, im wörtlichen und im übertragenen Sinn.
Körperliche Berührung ist eine menschliche Grunderfahrung, die wir als Erwachsene jedoch manchmal, besonders in Situationen wie einer Haft, beiseite schieben (müssen). Nicht jeder darf mich anfassen, nicht von jedem möchte ich berührt werden.
Jesus berührt seine Jünger dort, wo sie einerseits festen Stand in ihrem Leben fassen, wo sie andererseits vorwärtskommen in der Welt. Eben an den Füßen.

Im übertragenen Sinn: Lasse ich mich von Gott berühren, lasse ich ihn an mein Herz? Lasse ich ihn an meine Fundamente? Lasse ich ihn dort ran und mir helfen, wo ich festen Stand brauche? Lasse ich ihn an die Pläne, wie ich in meinem Leben fortkommen möchte?

Wenn ich zulasse, dass Gott mich berührt, dann werde ich auch bereit, mir sein Leben schenken zu lassen. Dann werde ich selbst bereiter, mich praktisch für Andere einzusetzen.

Samstag, 6. April 2019

Vergeben kann, wer Vergebung erfährt. Jesus und die Ehebrecherin

Schriftgelehrte und Pharisäer wollen Jesus im Sonntagsevangelium (Joh 8,1-11) auf die Probe stellen und degradieren dafür die sowieso schon beim sexuellen Akt erwischte Frau nun auch noch zum Instrument ihres Ärgers auf Jesus.
Durch Jesu bekannte Antwort auf die Frage, was angesichts des eindeutigen Gesetzesverstoßes zu tun sei, ergibt sich ein klarer Fokus auf das Thema Schuld: Jesus fordert die Schuldlosen auf, die Schuld zu sühnen und die Strafe zu vollziehen (v7). Die betretene Reaktion und der Verzicht auf die Bestrafung seitens der Männer (v9) zeigt, dass sie sich ihrer Schuld bewusst werden.
Ob dies auch auf die Schuld der Instrumentalisierung eines Menschen zutrifft, bleibt unklar.

Schaut man die ganze Szene aber nicht aus der Perspektive der Schuld, sondern aus Sicht der Vergebung an, dann verschiebt sich etwas.

Montag, 1. April 2019

Darf ein Priester am Sonntag in der Bank sitzen?

Gestern habe ich den Gemeindegottesdienst mit äußerst ambivalenten Gefühlen verlassen.
Denn der Prediger in meiner Ortsgemeinde bot zwar eine sehr schöne Auslegung des Sonntagsevangeliums, aber er fügte auch noch einige Bemerkungen an, die mich nachdenklich zurückließen.
Es ging darum, dass er als Priester, der im Pfarrhaus neben der Kirche wohnt, aber nicht für die Pfarrseelsorge eingesetzt ist, sich nicht als Notnagel der Gemeindepastoral gebrauchen lassen wolle. Konkret gedenke er, lieber auch in den (bei uns regelmäßig stattfindenden) sonntäglichen Wortgottesdiensten in der Bank zu sitzen und auf diese Weise mit zu feiern, zumal er bei seiner Ankunft einen Wortgottesdienst erlebte, der ihn positiv beeindruckt hat.

Alte Kirchenteile, neu verpackt.
Nikolaikirche, Stralsund, 2018.
Ich stelle mir schon jetzt den Aufschrei vor, der durch die hiesigen Gemeinden gehen wird, nachdem monatelang um eine Gottesdienstordnung für die kommende Großpfarrei Nordneukölln mit ihren zwei Priestern, drei Hauptkirchen und fünf Gottesdienstorten insgesamt gerungen wurden. 
Der Wunsch nach Eucharistiefeiern und die gefühlte Not, nicht genügend Priester für das bisherige Gottesdienstangebot zu haben, war in den Diskussionen deutlich spürbar. Und nun ist da ein Priester, der im Zweifelsfalle aber nicht als Zelebrant zur Verfügung steht.

Persönlich finde ich die Haltung eines Priesters, der am Sonntag lieber einen Wortgottesdienst besucht, statt selbst eine Eucharistiefeier anzubieten, mindestens merkwürdig.
Aber ich kann die dahinterstehenden (und in den Bemerkungen des Geistlichen angedeuteten) Gründe teilweise verstehen.
Denn man kann diese Haltung von den verschiedenen möglichen Effekten her und damit in mehrfacher Hinsicht ansehen.

1: Pro I
Wenn es darum geht, Laien zu selbstverantwortlichem, auch liturgisch eigenständigem, Handeln zu motivieren und sich damit einem Klerikalismus entgegenzustellen, der ja oft von auf Priester fixierten Laien ausgeht, dann halte ich es für gut, wenn sich nicht in jede mögliche Gottesdienstform ein Priester hineindrängt.
Dann halte ich es auch für akzeptabel, wenn ein Priester an einem Sonntagvormittag in einer Kirche Eucharistie mit der Gemeinde feiert und anschließend zum Gemeindekaffee bleibt, dafür in einer anderen Kirche ein Wortgottesdienst gefeiert wird (so hier vor Ort zum Teil die künftige Praxis). Meiner Meinung nach muss ein Priester nicht von Messe zu Messe hetzen, damit nur ja unter allen Umständen keine eucharistiefreie Zone am Sonntag entsteht (auch wenn ich selbst eher geneigt bin, dann lieber einen weiteren Weg für eine Sonntagseucharistie auf mich zu nehmen).
Schließlich ist ein Priester keine Sakramentenmaschine, sondern ein Mensch.

Unter der Hinsicht der Ermutigung von Laien zu selbstmächtigen Handeln im Kirchenraum kann ich also nachvollziehen, dass nicht auf Druck immer eine Eucharistie gefeiert werden muss. (Darüber hinaus kann in einer Eucharistiefeier ruhig immer mal ein qualifiziertes Glaubenszeugnis oder eine persönliche Auslegung der Lesungen statt Predigt "im Angebot" sein, denn an der fehlenden Predigtvorbereitung des Priesters soll es nun nicht scheitern.)

2: Pro II
Zugleich wird der Eigenwert von Wortgottesdiensten hervorgehoben, wenn dort das Wort Gottes in einer schönen Form gefeiert, zu Gehör gebracht und ausgelegt wird. Wider die eucharistische Monokultur!
Das wäre die Bejahung dieser Haltung unter Hinsicht der gottesdienstlichen Vielfalt.
Andersherum wird durch die Feier von Wortgottesdiensten auch der Wert der Eucharistiefeier wieder mehr betont. Denn logischerweise steigt das Rare im Wert, wird man sich dessen, was man aktuell nicht hat, stärker bewusst und schätzt es mehr.

Alles ist fast schon bereitet.
Nikolaikirche, Stralsund, 2018.
3: Contra I
Demgegenüber steht beim Priester die Weihe zum Dienst.
Nicht für die persönliche Heiligung oder zur Erbauung der Hierarchie oder für das Erbringen wissenschaftlicher Leistungen wird jemand zum Priester geweiht, sondern für den Dienst am Volk Gottes.
Das Amtspriestertum ist ein Dienstamt!

Das bedeutet (wie oben schon erwähnt) nicht, dass Priester nur für liturgische und sakramentale Belange da wären (auch wenn das im Zeitalter von Verwaltungsleitern einer Pfarrei, die nicht Priester sind, praktisch im Vordergrund steht).
Der Dienst des Priesters besteht in solchen Situationen jedoch darin, sich auch dann für liturgische Feiern zur Verfügung zu stellen, wenn er eigentlich keine Lust dazu hat oder aus oben genannten (und möglicherweise noch anderen) Gründen der Meinung ist, dass keine Eucharistiefeier angeboten werden muss.

Unter der Hinsicht der grundsätzlichen Zielstellung des Amtspriestertums in der katholischen Kirche wäre es also mehr als angemessen, für die sonntägliche Feier der Eucharistie bereit zu sein. 
(Aus privatem Erleben als Seelsorger mit Familie kann ich sagen, dass hier ein äußerst praktischer Grund für den Zölibat liegt - auch ich möchte gern mal am Sonntag frei haben und mit meinen Kindern den Gottesdienst besuchen und nicht immer selbst vorn stehen.)

4: Contra II
Noch mehr gilt dies in Hinsicht auf die Ausbildung. Die Priester nämlich wurden, im Gegensatz zu den meisten Gläubigen, genau für diese liturgischen Feiern ausgebildet.
Während viele engagierte Laien, die nicht im kirchlichen Dienst stehen, vor großen Problemen stehen, wenn sie einen Gottesdienst leiten oder einen Segen spenden oder eine Predigt halten sollen, gehört es für den Priester zum Alltag, in kompetenter Weise liturgische Präsenz zu zeigen (was, zugegeben, mal mehr und mal weniger gut gelingt...).

Nur mal zum Vergleich: Würde der Busfahrer sich lieber nach hinten in den Bus setzen und stattdessen einen Fahranfänger ans Steuer lassen, würden wir uns doch sehr wundern. Der anwesende, aber nicht aktiv werdende Arzt würde im Fall der Fälle sogar vor Gericht kommen.
Aber in der Kirche soll der Heilige Geist nun in allen gleichermaßen wehen, egal wie professionell sie der liturgischen Aufgabe gerecht werden können. Bei aller Liebe: die Ausrichtung an den verschiedenen Talenten schließt eine Förderung dieser Talente gerade mit ein.

Ich halte es deshalb unter dieser Hinsicht nötiger, nicht vorgebildete Laien mehr auszubilden und zu befähigen, als sie irgendetwas machen zu lassen. Das würde Wortgottesdienste nämlich wirklich entwerten.

5: Conclusio
Mir persönlich liegt die Betonung des Dienstcharakters der Priesterweihe (s. 3) besonders am Herzen. Wenn ein Priester demütig Gott und dem Volk Gottes dient, wird Klerikalismus (s. 1) auch kein Problem werden. Ein solcher Priester wird die nichtgeweihten Gläubigen gern ermutigen und befähigen (s. 4), im rechten Moment das ihnen Gemäße zu tun – und selbst seine eigenen Aufgaben wahrnehmen.

Damit bin ich vom konkreten Erlebnis sehr weit ins Allgemeine gerutscht – aber so ist das eben.
Ich hoffe auf gedeihliches Gemeindeleben.

Alles im Umbau.
Kulturkirche, Neuruppin, 2017.

Samstag, 30. März 2019

Die Heimkehr des Sohnes. Ein meditatives Puzzle

Heute mal eine Art Puzzle, aus dem ich die mir gemäßen Sätze zum Evangelium am Sonntag Laetare mit der Geschichte vom barmherzigen Vater herauspicken und zusammenstellen kann. 


Es sind noch Plätze frei.
Tübke-Villa, Leipzig, 2018.
Ich komme nach Hause.
Das heißt:

ich habe genug
ich brauche mich nicht mehr mit fremden Menschen umgeben
ich habe es geschafft
ich muss nicht mehr arbeiten
ich kann endlich ausruhen
ich darf mich anlehnen
ich muss nicht mehr funktionieren


Allerdings hatte ich ursprünglich nicht vor, zu dir zurück zu kommen.
Das heißt:

ich habe mich verschätzt
ich konnte mich nicht zurecht finden
ich musste aufgegeben
ich bin ein Versager
ich habe dich enttäuscht
ich fürchte mich vor dem, was jetzt kommt 
ich will mich nicht länger verkriechen
ich will dich eigentlich nicht sehen
ich erwarte nicht, dass du mich annimmst


Unerwartet stehst du in der Tür und wartest auf mich.
Das heißt:

Du hast mich nicht aufgegeben
Du willst dich nicht rächen
Du freust dich auf mich
Du möchtest mich bei dir haben
Du bist nachsichtig
Du gibst mir noch eine Chance
Du stehst auf meiner Seite
Du schaust großzügig auf meine Fehler 


Was ist meine Antwort darauf? 

Angebrannt und trotzdem schön.
Neukölln, 2017.

P.S. Ein titelgleicher Beitrag zu einem gänzlich anderen Thema findet sich hier.

Samstag, 16. März 2019

"Schaut die verklärte Leibsgestalt." Ostern in Sicht und Abstieg ins Tal

1. Ostern in Sicht
"Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all,
die Seel durchstrahlt ihn licht und rein wie tausendfacher Sonnenschein"
"Bedeck, o Mensch, dein Augenlicht! Vor dieser Sonn besteht es nicht."

Es ist ein Osterlied, das mir angesichts des Sonntagsevangeliums in den Sinn kam. Denn dort heißt es außerdem gleich zu Beginn in der ersten Strophe:

"Kommt, kommt, ihr Christen jung und alt, schaut die verklärte Leibsgestalt!"1

Während im Evangelium die Rede war vom Aufstieg Jesu auf den Berg und von seiner dortigen Verklärung vor den drei mit hinaufgegangenen Jüngern, singt das Lied vom auferstandenen Jesus.

Sonntag, 10. März 2019

Meine Versuchungen im Gottesdienst. Gedanken zum Evangelium am Ersten Fastensonntag

Wenn Jesus im Evangelium des heutigen ersten Fastensonntags auf die Probe gestellt wird, dann frage ich mich, was diese Versuchungen für mich bedeuten.

(Leider gab es traditionell keine Auslegung dieses Textes durch den Gemeindepfarrer – aber dafür den in diesem Jahr äußerst hörens- und lesenswerten Fastenhirtenbrief von Erzbischof Koch. Ich kann ihn an dieser Stelle nur empfehlen und betonen, wer ihn liest und bisweilen auch in diesen Blog hineinschaut, kann dort viele Gedanken entdecken, die hier auch auftauchen: Ambivalenzen aushalten, Vielfalt würdigen, Aufmerksam durch den Alltag gehen...)

Besonders wenn ich selbst einen Gottesdienst gestalte, gibt es eine Reihe von Versuchungen, denen ich standzuhalten habe.

"Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden" (Lk 4,3), beginnt der Teufel bei Jesus.
Auch meine Versuchung ist oft genug, zu glauben, dass ich durch meine eigenen Kräfte und Möglichkeiten die Gottesdienstbesucher satt machen könnte.

Dienstag, 5. März 2019

Um Vergebung bitten - Predigt an Aschermittwoch

Ein wichtiges Thema der beginnenden Fastenzeit ist der Aufruf zur Umkehr.

Dort, wo ich falsch gegangen bin, dort, wo ich meinen Nächsten verletzt habe, dort, wo ich Schuld auf mich geladen habe, dort bin ich aufgefordert, umzukehren.

Oft genug gehört dazu, um Vergebung zu bitten.
Aber es müssen mehrere Hindernisse bewältigt werden, wenn ich diese Bitte aussprechen will:

1. Oft genug versuche ich als erstes, mich zu entschuldigen.
Hinauf! Ins Licht!
Wilmersdorf, Berlin, 2018.
Doch ich kann mir meine Schuld nicht selbst wegnehmen – was "mich entschuldigen" ja genau genommen heißt.
Vielmehr bitte ich die Person, an der ich schuldig geworden bin, darum mir zu verzeihen.
Das kostet enorme Überwindung - und führt damit zum zweiten Hindernis.

2. Oft genug schaffe ich es nicht, um Vergebung zu bitten.
Ich selbst kenne das, wenn die Situation einfach noch zu aufgeheizt ist und der Andere maulend rausgeht oder mit der Tür knallt, so dass ich jetzt erst recht keine Lust mehr habe, meinen Teil der Schuld einzugestehen. Dann muss ich erst einmal tief durchatmen und emotional runterkommen.
Besonders anstrengend finde ich das im Straßenverkehr, wo die Einsicht, selbst etwas falsch gemacht zu haben, gerade in einer Stadt wie Berlin nur selten vorhanden ist.
In solchen Situationen rege ich mich besonders schnell auf und werde auch aggressiv, aber bevor sich die Sache entspannen kann, ist die Person auch schon wieder weg.
Das korrespondiert mit einem weiteren Hindernis:

3. Oft genug gibt es gar keine Instanz, bei der ich Vergebung finden kann.
Im Straßenverkehr (und auch sonst manchmal) ist die Person, an der ich schuldig geworden bin, schon wieder fort.
Auch bei manch anderer Art von Schuld, wie zu hoher Alkoholkonsum oder Steuerhinterziehung, haben keinen direkten Adressaten, der dies verzeihen kann.
Doch dieses Hindernis geht noch tiefer: Wohin wendet sich ein Mensch, der an keine göttliche Instanz über sich glaubt, wenn er mit Schuld und Vorwürfen seines Gewissens zu kämpfen hat? Wo findet er Vergebung?

Manche Menschen, die für eine Straftat verurteilt wurden, gehen davon aus, dass die Vollstreckung eines Urteils dafür sorgt, dass sie anschließend "ent-schuldigt" aus dem Gefängnis gehen. Im juristischen Sinne mag das auch stimmen. Allerdings ist es zwar die Aufgabe der Justiz, Verbrechen zu ahnden, und demzufolge sitzen viele Verurteilte im Knast dann ihre Strafe ab, aber der Freiheitsentzug schenkt keine Vergebung – höchstens das Gefühl, nun lang genug gesessen zu haben.

Wenn sich jemand also mit seiner Schuld, sei sie nun strafrechtlich relevant oder nicht, auseinandersetzt, dann wird er (oder sie) irgendwann an den Punkt kommen, dass bei allen Relativierungen, bei aller Schuld der Gegenseite, bei allen zwecklosen Versuchen, Vergebung zu erlangen, irgendwann die Frage im Raum steht, wie man dieses Geschenk der Vergebung denn nun bekommen kann.
Für nicht wenige wird dies zu einer existenziellen Frage: Wer vergibt mir all den Mist, den ich in meinem Leben falsch gemacht habe? Wie finde ich die innere Freiheit wieder, die Vergebung mir schenken kann?

Garben, stehend.
Neuendorf, Hiddensee, 2018.
4. Ein barmherziger Vater
Wenn wir uns die Geschichte vom verlorenen Sohn anschauen (Lk 15,11-32), die Jesus im Lukasevangelium erzählt, dann hören wir von einem Draufgänger, der sich mit seinem Erbe davonmacht und den Vater sitzen lässt. Das Geld, das ihm eigentlich erst nach dem Tod des Alten zusteht, zieht der Junge ihm aus der Tasche, während er noch am Leben ist und es selbst benötigt. Für den Sohn ist der Vater nichts mehr wert, er braucht ihn nicht mehr, jetzt, wo er das Geld hat.
So mit Geld und Schuld beladen, geht er von dannen und macht sich ein schönes Leben. Als dieses mangels Geld endet, steht er allein da. Er versucht noch kurz, mit Arbeit über die Runden zu kommen, aber merkt schnell, dass er dort nicht weiterkommt.

Nun kommt die entscheidende Stelle (v18f): Der Sohn im Gleichnis weiß, wohin er gehen kann, um Vergebung zu erbitten!

"Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!" (Lk 15,18f.)

Obwohl er seinen Vater so furchtbar behandelt hat, ist die innere Verbindung zu ihm noch nicht ganz abgerissen und er will um Verzeihung bitten.
Obwohl der Vater nicht anwesend ist, macht er sich Gedanken – und schließlich auf den Weg.
Obwohl er dem Vater gesagt hat, dass der für ihn schon nicht mehr existiert – wagt er es dennoch.

Der Sohn macht also das, was Fastenzeit will: Er kehrt um. Außerdem will er sich vor seinem Vater erniedrigen, weil ihm klar wird, wie furchtbar sein Verhalten war.

Aber er weiß nicht, was wir schon wissen:
Es erwartet ihn ein Vater, der ihn in die Arme nimmt. Der nicht straft. Nicht schimpft. Nicht Genugtuung und Sühne und Erniedrigung will.
Sondern sich einfach freut, dass der Verlorene zurückkehrt.

Das ist toll. Denn dieses Gottesbild kann sehr befreiend sein. 

5. Und wir
Unser Problem ist nur:
Wir erwarten schon die Vergebung vom "lieben Gott". Wir rechnen heimlich schon mit einem Gott, der uns vergibt. 
Nicht wie der Sohn, der sich noch voll Angst und Zittern auf dem Weg machte.
Wir glauben, dass der liebe Gott schon kommen wird, wenn es ihm so wichtig ist. Dass er uns schon aus der Scheiße ziehen wird, in die wir uns noch einmal extra reinsetzen.

Und tatsächlich hat er das in Jesus getan. Hat sich auf den Weg gemacht, um uns zu suchen.

Aber wozu braucht es dann noch unsere Umkehr?

Umkehr kann dann nur noch bedeuten, dass wir uns nicht mehr verstecken vor ihm.
Dass wir unsere Schuld anerkennen. Dass wir sie loswerden wollen.
Dasss wir ihm unser stolzes, unser ärgerliches, unser liebloses und unser neidisches Herz hinhalten. Und ihn bitten: Vergib mir.

Dann kann er uns befreien und heilen. Uns Auferstehung schenken.

Neuer Aufgang.
Kirchmöser, 2017.

Samstag, 16. Februar 2019

Nichts für Mittelschichtschristen. Eine Auslegung zum Sonntagsevangelium

Sind wir gemeint, wenn das Evangelium vorgelesen wird?

Es ist möglich, mit etwas geistlichem Balsam viele Aussagen der Heiligen Schriften für uns Heutige fruchtbar zu machen. Aber wenn wir uns fragen, zu wem Jesus (jedenfalls im heutigen Evangelienabschnitt) wirklich spricht, dann müssen wir uns eingestehen, dass wir es nicht sind.

Und das nicht deshalb, weil Zeit und Raum und Kultur uns trennen, sondern weil Jesus Menschen in einer komplett anderen existenziellen Lage anspricht.
Die Frohe Botschaft dieses Predigers aus Nazareth, seine Seligpreisungen, richten sich an die Abgehängten, Überrollten, Marginalisierten, Randständigen, Geängstigten, Hungrigen.

Samstag, 2. Februar 2019

Deine Zukunft gehört dir nicht! Visionen an Darstellung des Herrn

Das Evangelium am Fest der „Darstellung des Herrn" hat eine doppelte Botschaft:
Es sagt nämlich, dass unser Leben eigentlich Gott gehört – aber auch, dass er uns mit einer vollen Zukunft beschenken will. Gott erhebt Anspruch auf unser Leben – und zugleich gibt er uns das Versprechen, dass er eine wunderbare Vision dafür hat.

1. Erläuterung zum jüdischen Hintergrund1
Wenn die Eltern Jesu etwas mehr als einen Monat nach seiner Geburt in den Tempel kommen, um ihren Sohn vor Gott hinzubringen („darzustellen", wie es im Namen des Festes heißt), dann erfüllen sie damit zwei Gebote, die in der Torah zu finden sind.
Das ist sperrige Kost, die ich hier gern nur kurz erläutern und stehen lassen möchte:

Im Tempel.
Propsteikirche, Leipzig, 2018.
Zum einen geht das Denken jener Zeit davon aus, dass eine Frau sich nach der Geburt rituell reinigen, das heißt in einen Zustand versetzen muss, in dem sie vor Gott hintreten kann. Für diese Wiedereingliederung in das religiöse Leben bringt sie im Tempel eine Gabe dar (vgl. Lev 12,1-8).
Das zweite mit dem Besuch erfüllte Gebot besagt, dass der Erstgeborene bei Gott „ausgelöst", also sozusagen umgetauscht werden muss. Dahinter wiederum steht der Gedanke, dass jede männliche Erstgeburt Gott gehört.
Dieser Anspruch Gottes auf das erste Kind zweier Menschen geht nach der biblischen Überlieferung zurück auf die Verschonung der Erstgeborenen der Juden beim Auszug aus Ägypten (im Gegensatz zu den Erstgeborenen der Ägypter). Während die einen (die Juden) gerettet wurden, mussten die anderen (die Ägypter) sterben (Ex 13,12-15).
Diese historische Bevorzugung soll nun gewissermaßen von den einzelnen Gläubigen wieder aufgeholt werden.
Abgesehen von den Hinweisen auf die Exodus-Geschichte stecken aber auch noch grundsätzlichere Hinweise im Text:
Der Evangelist betont außerdem die Gesetzestreue der Eltern Jesu, die sich ganz in der Frömmigkeit ihrer Religion bewegen, die ja nicht die Religion der ersten Leserschaft ist. So zeigt er Kontinuität und Differenz zur Religion Israels auf.
Dazu kommt, dass im Hereinbringen des Kindes in den Tempel die Zugehörigkeit Jesu zu Gott besonders herausgestellt wird – bemerkenswert ist, dass dies eigentlich für alle gilt, der Evangelist (der den Tempel vermutlich nicht mehr gekannt hat) stellt Jesu Verbindung zu seinem im Tempel verehrten Vater jedoch noch einmal besonders heraus, wenn er betont, dass sie das Kind brachten, "um es dem Herrn zu weihen." (v22)

Ein weiteres Motiv taucht auf, nämlich dass Kinder, und zwar alle Kinder, als eine Gottesgabe angesehen werden.
Die Eltern kommen zu Gott und bitten ihn mit dem Opfer gewissermaßen noch einmal um ihr Kind, das sie doch schon haben – das zeigt, dass Kinder nicht ihren Eltern gehören. Sie sind, trotz aller Abhängigkeit von den Eltern und trotz der engen Blutsbande, freie Wesen und stehen nicht nur als Kinder von irgendwem, sondern direkt als sie selbst vor Gott.
Das betont die individuelle Freiheit jeder Person vor Gott. 

2. Die Zukunft vorhersagen
Der greise Simeon sagt Jesus etwas Großes voraus. Seit Jahren wartet er darauf, den Erlöser zu sehen und nun wird dieser Wunsch ihm erfüllt. Er sagt vom Kind, dass es das Heil und das Licht der Heiden sei, dass es Herrlichkeit für Israel bedeute (vgl. v31.32) und dass es die Verhältnisse umkehren werde: viele sollen "durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden". (v34)

Aber dieses Vorhersagen ist zutiefst zwiespältig:
Auch in der Situation der Haft gibt es immer wieder Leute, die Ihnen sagen, wo es für Sie - höchstwahrscheinlich – hingeht. Jedes Mal, wenn der Plan für den weiteren Verlauf des Vollzugs geschrieben wird, muss eine Diagnose erstellt werden. Dann entscheidet irgendwer, dass Sie jetzt bereit sind, stundenweise frei hinauszugehen – oder dass es eben noch nicht so weit ist.
Oder es geht gar darum, dass eine Verlegung in den Offenen Vollzug ansteht – auch hier muss jemand sagen: „Ja, er wird es unter den Bedingungen größerer Freiheit schaffen." Oder: „Nein, das kann er nicht."
Was die Zukunft bringt.
Werbetafeln am S-Bahnhof Sonnenallee, Berlin, 2018.
Wir alle wissen, dass Vorhersagen über das Leben eines Menschen unmöglich sind. Alle, die das trotzdem tun müssen, tun es (hoffentlich) im Wissen um ihre eigene Beschränktheit bezüglich solcher Aussagen.

Simeon scheint sich jedoch sehr sicher zu sein, ihm wird vom Evangelisten jedenfalls bescheinigt, dass der Geist ihn in den Tempel geführt habe (vgl. v27).

Als Erwachsener fragen Sie sich natürlich, ob sich das, was andere da über Sie sagen, auch mit dem deckt, was Sie selbst in sich sehen. Im positiven Fall, wenn Ihnen etwas zugetraut wird, ist das wahrscheinlich eher so. 
Man muss ja ehrlicherweise sagen: Wenige Leute möchten gern über sich hören, dass sie zu bestimmten Dingen, die sie tun sollen, nicht in der Lage sind. Mir scheint oft, dass nur selten jemand ausspricht (um im Kontext Haft zu bleiben): Ja, Sie haben recht, es stimmt, für den Offenen Vollzug bin ich doch gar nicht bereit.

Das Schöne ist nun, dass es eine Perspektive gibt, die noch unendlich viel weiter geht als die Perspektive eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin. Es ist die Perspektive Gottes.

Denn Gott hat Großes mit Ihnen vor! Nicht nur mit einigen Wenigen, sondern mit jedem, der hier sitzt.
Gott sieht in Ihnen etwas äußerst Wichtiges und er möchte eine Zukunft für Sie, die Sie erfüllt und zum Heil führt. Und er will Sie zum Heil machen, auch für jene, die nicht zum auserwählten Volk gehören. 
Sie können ein Licht sein! 
Sie können Herrlichkeit für einen Menschen sein! 
Sie können Menschen retten!

Und seien Sie beruhigt: Auch für Jesus war das nicht leicht. 
Gott verspricht uns kein Leben ohne Leiden, wenn er uns eine große Zukunft und eine Leben in Fülle verheißt.
Wenn jemand für seinen Glauben eintritt, Gottes Liebe zu allen verkündet und danach lebt, dann wird oft genug genau das passieren, was von Jesus gesagt wurde: "er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird." (v34)

Aber darauf muss man sich einlassen. Oder sich ehrlich entscheiden, dass das nichts ist. Sie dürfen sich aber sicher sein: Gott traut es Ihnen zu, er will Sie dabei sogar unterstützen. Allerdings macht er nichts aus Ihnen, wenn Sie nicht mitmachen. Auch Jesus hat sich auf den Weg seines göttlichen Vaters gemacht und ist nicht sein Leben lang der Zimmermann geblieben, der er hätte sein können.
Denn dieser Weg verändert eine Person. Auch dafür muss man bereit sein. Wenn Sie Ihr Leben in die Spur Gottes stellen, dann gehört Ihnen Ihre Zukunft nicht mehr.
Dann lassen Sie sich darauf ein, dass Gott Sie und die Zukunft Ihres Lebens verwandelt.

Das aber fordert Mut, Geduld und das tiefe Vertrauen darauf, dass Gottes Plan für Sie wirklich gut ist.
Wenn Sie das probieren wollen, dann ist der erste Schritt, dass Sie darauf hören, was Gott eigentlich mit Ihnen ganz konkret vorhat – mit Ihren Erfahrungen, Ihrer Lebensgeschichte, Ihren Talenten, Ihren Schwächen, Ihren Wünschen.
Fragen Sie ihn ruhig: Gott, was willst Du von mir? Welche Zukunft siehst Du für mich?
(Manchmal kann auch die Perspektive der Sozialarbeiterin bei der Beantwortung dieser Fragen helfen!)

3. Das Leiden der Eltern
Ein kurzes Wort noch zu Jesu Eltern: Von Maria wird noch gesagt, dass ihr ein Schwert durchs Herz fahren werde (vgl. v35).
Das ist ein bekanntes Thema: Besonders die Mütter haben es schwer mit ihren Kindern und sie leiden besonders daran, wenn ihre Söhne Wege gehen, die nicht mit den Erwartungen übereinstimmen…
Sicher geht oder ging es Ihren Müttern nicht viel besser als der Mutter Jesu.
Manchmal sind die Situationen dann auch schon so festgefahren, dass weitere Erklärungen oder Beteuerungen nichts bringen.
Dann – und auch sonst – ist es eine gute Möglichkeit, für die eigenen Eltern zu beten.
Mit Dank. Um Kraft und gelassene und friedvolle Gedanken, wenn es um die eigenen Kinder geht.

4. Schluss
Lassen Sie sich ein auf den Weg, den Gott mit Ihnen gehen will!
Seien Sie ein Zeichen, dem widersprochen wird – aber ein Zeichen im Geiste Gottes!
Fragen Sie Gott, was Er von Ihnen will!

Wohin soll es gehen, Gott?
Im Wald bei Grünheide, 2018.

Freitag, 18. Januar 2019

Reflexionen aus dem belanglosen Leben im Anschluss an die Hochzeit in Kana

Die Geschichte von der Hochzeit in Kana (Joh 2,1-10), bei der Jesus Wasser zu Wein wandelt, wird oft gedeutet als ein Zeugnis von Jesu Kraft, aus dem normalen Alltagsbestand (das zum Waschen, Trinken, Reinigen bestimmte Wasser) einen Genuss (der tolle Wein) zu machen.

Seit ich mich vor diesem Sonntag mit dem Text auseinandersetze, frage ich mich, ob ich dazu etwas schreiben kann.
Denn seit der Rückkehr aus dem Silvesterurlaub trudeln die Tage nur so an mir vorbei, ohne dass ich einen klaren Gedanken finden kann. Also auch keinen klaren dazu!?

Leere Rahmen - Bilder wie immer irgendwie dazu.
Rudow, Berlin, 2018.
Verstärkt wird dieses Gefühl, nichts zu sagen zu haben, durch die eher grundsätzlich Frage, ob ich in diesem Blog noch etwas schreiben will. Religiöse Themen muss ich gerade eher mit Gewalt an mich heranziehen, literarische Entdeckungen mache ich in den gerade gelesenen Büchern auch nicht wirklich.
Und überhaupt – wie bisher aus jedem biblischen Text eine Weisheit an den Haaren ziehen, das ist mir selbst ein bisschen suspekt, und doch weiß ich keine andere Art zu schreiben, keine andere zu denken vielleicht.
Im Endeffekt ist die Stimmung diesbezüglich: Lustlos, ausgelaugt, resigniert. Der Wein ist alle. 

Beste Voraussetzungen also, um nach der Verwandlung Ausschau zu halten, die das Evangelium verheißt...?!

Was ist also das Normale, das rangeschafft wird, damit Jesus etwas daraus macht?

In der Berliner Nasskälte bin ich dauerkränkelnd nach der Rückkehr aus der Toskana, wo alles sonnig, schön und auch ein wenig (aber wirklich nur ein wenig) kalt war.
Jetzt dagegen: Viel Grau, kein weiter Blick mehr, drückende Luft, Schmutz und Ekel in den Straßen.
Die Bücher, die ich gerade lese bzw. gelesen habe, sind nicht schlecht, aber auch nicht umwerfend, was ich vor allem daran merke, dass ich mir keine Notizen mache und keine Seiten merke, aber auch nicht hinwerfe. Na gut, letzteres liegt mir sowieso nicht.
Das Humboldt-Buch von Andreas Wulf war zwar anregend und spannend, aber irgendwann viel zu lang und sich in Neben- und Nachgeschichten verheddernd, außerdem voller Wiederholungen in enervierend immer gleicher Wortwahl.
Dann schleife ich immer noch Esther Kinskys „Hain" hinter mir her. Mein Eindruck, dass es keine Geschichte ist, die eine Entwicklung erzählt, sondern Miniaturen, die manchmal gar nicht schlecht sind, aber auch die sind nervtötend langsam und lang. Der Grundton der Trauer, der das Buch durchzieht, verbessert die Sache nicht.
Weiterhin die Einsicht, dass ich nicht viel zu sagen habe und auch keine ausreichend guten Worte, um das dann wenigstens gut zu präsentieren.
Die Arbeitsstellen könnten dissonanter nicht sein: Einmal fühle ich mich weitgehend überflüssig, einmal bin ich so gefragt, dass ich nur noch hinterher hetze und kein Gefühl für die Qualität meines Tuns mehr habe. Und viele Leute enttäuschen muss.
Die Kinder kränkeln auch, meine Frau arbeitet, wir sehen uns abends, reden etwas, gehen zu Bett.
Politische Ereignisse (Datenleck, Brexit-Chaos, Flüchtlingsschiffe, AfD-Querelen, US-Shutdown, Dauer-Klima-Krise) ziehen eher so neben mir vorbei, ohne dass ich den Eindruck habe, dass mich davon irgendetwas tiefer berühren kann.

Bei all dem fühle ich mich an einer belanglosen Oberfläche festgenagelt, matt, nutzlos und ohne Antrieb. „Bis zum Rand" gefüllte Wasser-Tage (vgl. v7).
Also suche ich mal die Perlen.

Kleines Glück. Trotz allem.
Toskana, 2018.
Was mich beglückt hat in diesen letzten Tagen: 

Die Facebook-Einträge eines ehemaligen Mitstudenten mit zeitversetzten Logbuch-Notizen über einen Aufenthalt in der Psychiatrie: knapp, eindrücklich, offen.
Die Stimme von SabineDevieilhe (zugegebenermaßen entdeckt, weil von youtube empfohlen), die wirklich eine grandiose Offenbarung ist.
Das Schreib- und Lesebedürfnis meiner vierjährigen Tochter.
Der Lesungstext vom Donnerstag, dem 17. Januar, meinem Tauftag – ein Aussätziger kommt zu Jesus und wird geheilt (Mk 1,40-45).
Ein paar kurze Begegnungen mit Kiezbekanntschaften auf der Straße.
Die Umarmungen meiner eineinhalbjährigen kranken Tochter.
Ein Foto, das ich am Mittwoch, 16.01., auf dem Weg zum Gefängnis aufgenommen habe.
Und schließlich der Stil der Essays von David Foster Wallace in „Der Spaß an der Sache", der mich einerseits deprimiert, weil auf den Boden der Realität holt, andererseits aber beflügelt, jetzt überhaupt wieder zu schreiben.

Wahrscheinlich ist es diese Sammlung schon. Ein Wein-Wunder.
Aufschreiben als Therapie und Weg zum Genuss.
Jedenfalls für mich. Jedenfalls ein wenig.

Dienstag, 25. Dezember 2018

Das Geschenk der Weihnacht: Was für ein Glück! Was für eine Aufgabe!

Als unsere zweite Tochter geboren wurde, ging alles ganz schnell. Natürlich hatten wir uns vorbereitet so gut es ging, und mit einem drei Jahre älteren Kleinkind zu Hause ist ja auch schon einiges kindgerecht eingerichtet. Aber die innere Vorbereitung war nicht mehr besonders ausführlich – für Ruhe und Besonnenheit fehlte uns einfach die Zeit.

Donnerstag, 20. Dezember 2018

Ankunftszeit 20 – Verändert in "Olga" von Bernhard Schlink

Olga und Herbert kommen aus zwei verschiedenen Welten: Das einfache Mädchen und der Sohn eines Großgrundbesitzers können nicht zusammen kommen. Zusammen mit Herberts Schwester Viktoria waren sie jedoch einige Zeit ein enges Dreiergespann – bis Viktoria auf eine weiter entfernte Schule geht. Im Sommer kehrt sie zurück:

Montag, 17. Dezember 2018

Ankunftszeit 17 – Pathetisch in „Töchter“ von Lucy Fricke

Eine super Road-Novel, in der es um Vaterbeziehungen geht: Zwei Frauen machen sich auf den Weg in die Schweiz, um den todkranken Vater der einen in den Tod zu begleiten. Doch dann ändert sich das Ziel und nach einer Reihe von Umwegen dreht sich plötzlich alles darum, den verschollenen Vater der anderen zu finden.
Diese Suche führt die Reisenden schließlich auf eine Insel in der Ägäis:

Samstag, 8. Dezember 2018

Donnerstag, 6. Dezember 2018

Ankunftszeit 6 – Verspätet in "Altes Land" von Dörte Hansen

Die Musiklehrerin Anne gerät mit ihrem Leben an die Grenze der Überforderung, als sie mitbekommt, dass ihr Freund sie betrügt. Darum wird sie im Verlauf von Dörte Hansens Bestseller aus Hamburg in das titelgebende Alte Land entfliehen. Zuvor jedoch holt sie ihren Sohn Leon aus der Kita ab, allerdings leicht verspätet:

Mittwoch, 5. Dezember 2018

Ankunftszeit 5 – Schmerzhaft in "Neujahr" von Juli Zeh

Henning macht mit seiner Familie Urlaub auf Lanzarote. Am Neujahrsmorgen setzt er sich nach einer Reihe ruhig verbrachter Tage endlich aufs Fahrrad und will ein bisschen Sport machen.
Es folgt eine unerwartet anstrengende Strecke bergauf.
Schließlich kommt er völlig ausgelaugt in Femés an:

Sonntag, 25. November 2018

Machtlos glücklich und trotzdem DIE Zukunft. Christkönigspredigt

0. Überblick über Thema und Lesungen
Als Pius XI. das heutige Fest einführte, war die Monarchie in den meisten Ländern Europas schon Geschichte. Sieben Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, 1925, stellte dieser Papst zum Jubiläum eines der wichtigsten Konzilien der Antike (1600 Jahre Konzil von Nizäa) Jesus Christus als König in den Mittelpunkt.1 Königswürde für den Gottessohn, das scheint sehr einleuchtend zu sein.

Aber die dazu passenden biblischen Lesungen weisen in sehr verschiedene Richtungen und sind alles andere als klar.

Mittwoch, 21. November 2018

„Sie verurteilen mich nicht!“ Radio-Worte auf den Weg

In dieser Woche bin ich von Montag bis Samstag jeweils dreimal mit kurzen spirituellen Beiträgen aus dem Gefängnisalltag im Radio zu hören: 5.50 Uhr auf Radio Berlin 88.8; 6:45 Uhr auf Kulturradio; 9:12 Uhr auf Antenne Brandenburg. 
Hier die (ungefähr so vorgetragene) Textfassung von heute:

Als Gefängnisseelsorger bin ich während der Aufschlusszeiten oft auf den langen Gängen der Hafthäuser unterwegs. Da ergeben sich manchmal gute Gespräche mit Leuten, die nicht von sich aus in den Gottesdienst kommen. Die lockere Atmosphäre auf dem Gang gibt uns Gelegenheit, ganz frei zu plaudern und uns über dies und das auszutauschen.

Besonders eindrücklich ist mir eine Begegnung mit einem muslimischen Inhaftierten im Gedächtnis geblieben. Er interessierte sich sehr dafür, was ich als Seelsorger mache. Ich erklärte, dass ich in erster Linie aufmerksam zuhöre und versuche, das Problem meines Gegenübers gut zu verstehen. Dann könne ich gemeinsam mit ihm herausfinden, was für ihn hilfreich wäre. Als er das hörte, fragte er, ob auch er einmal zum Gespräch kommen kann.