„Ihr wollt nicht?“ - „Dann machen wir es eben ohne euch!“
Die Dynamiken in der Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 13,43-52) zeigen ziemlich gut, wozu wir Menschen in Krisensituationen neigen: Wenn es Konflikte gibt, schlagen die emotionalen Wellen hoch und die Verständigung wird schwieriger. Es gibt Spaltung und Hetze gegen „die Anderen“, außerdem bestimmen Konkurrenz und Neid das Bild. Man hat sich nichts mehr zu sagen der Dialog wird beendet.
Wie traurig!
Und doch – manchmal geht es auch nicht anders.
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Samstag, 7. Mai 2022
Eine wirklich gute Zukunft im Blick. Predigtgschnipsel zum Evangelium vom Guten Hirten
Freitag, 15. April 2022
Karfreitag: Wissen sie, was sie tun? Von Opfern und Tätern
Nach der Farbattacke. Magistrale, Frankfurt (Oder), 2022. |
Denn Jesus hat sich auf die Seite all derer gestellt, die leiden müssen. Er hat selbst gelitten, hat ausgehalten und ist für viele Menschen der Leidende schlechthin geworden.
Heute schauen wir auf das Leiden der Menschen in Mariupol, in Kramatorsk, in Charkiw und an vielen anderen Orten in der Ukraine, aber auch auf der Flucht, in Polen, in Rumänien, in Deutschland. Manchmal können wir uns den vielen schrecklichen Bildern und Nachrichten nicht entziehen und es wird uns zu viel. Dann müssen wir auch wegschauen lernen und auf die schöneren Seiten der Welt sehen.
Sonntag, 27. März 2022
Versöhnung braucht Umkehr, Zeit und Mut. Parabel vom verlorenen Sohn im Krieg.
Die Parabel vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) handelt von Versöhnung.
Und jeder, der sie heute – in diesen Kriegstagen – liest oder im Gottesdienst hört, wird sich eventuell fragen, wie das denn aktuell gehen soll mit der Versöhnung zwischen den Kriegsparteien. Manche schieben den Ball zur Ukraine mit der mehr impliziten oder mehr expliziten Aufforderung, sich doch zu ergeben und die Kämpfe so zu beenden. Manche fordern weitere Zugeständnisse an Russland und kritisieren die Waffenlieferungen an die Ukraine als etwas, das mehr Öl ins Feuer gießen würde.
Und alles unter den Hoffnungsbegriffen von Frieden und Versöhnung.
Samstag, 12. September 2020
Wie lerne ich, gern zu vergeben? Predigt im Gefängnis
Mitten in die Predigtvorbereitung über
das heutige Evangelium von der Vergebung (Mt
18,21-35) wird mir in der Nacht zu Freitag mein Fahrrad aus dem
Hof geklaut. Das vierte geklaute Rad in acht Jahren in Berlin.
Da fällt es mir schwer, über
Vergebung nachzudenken.
Weil ich selbst betroffen bin.
Sitze ich in der JVA jemandem
gegenüber, der von seinen Straftaten erzählt, kann ich leichter
Verständnis aufbringen. Ich bin ja nicht der Geschädigte, nur der
Seelsorger, der dann die Lebensumstände und den Suchtdruck des
Inhaftierten bedenkt und sich wohlwollend verhalten kann.
Aber wenn es um mich selbst geht, werde
ich aggressiv.
Und dann dieses Evangelium!
Sonntag, 6. September 2020
Zurechtweisung als Mittel der Konfliktlösung? Über das Evangelium Mt 18,15-20
Wie soll eine Problemlösung aussehen,
wenn sie christlichen Idealen folgt?
Das Sonntagsevangelium (Mt
18,15-20) bietet eine Schrittfolge an, wie mit ungehörigem
Verhalten unter Christen umgegangen werden soll, damit der einen
Seite Vergebung, der anderen Umkehr zu möglich wird. Der Konflikt,
also "wenn dein Bruder gegen dich sündigt" (v15),
soll, wenn er nicht gelöst werden kann, immer weiter ins Öffentliche
gebracht, um es dem, der da Unruhe in eine Gruppe gebracht hat, zu
erleichtern, ohne (allzu großen) Gesichtsverlust sein Verhalten zu
ändern. Erst wenn auch die immer größere Öffentlichkeit nichts
gebracht hat, heißt es, „sei er für dich wie ein Heide oder
Zöllner“ (v17), also nicht mehr zur Gemeinschaft dazugehörig.
Sicher geht es in manchen, seltenen
Fällen, nicht anders. Aber Leute hinauszuwerfen ist ja auf Dauer
keine Lösung.
Freitag, 19. Juni 2020
„…eine unglaubliche Energie oder Strahlung…“ Pierre Teilhard de Chardin und das Herz Jesu
Es wirkt wie ein seltsam aus der Zeit gefallenes Fest – das heutige
„Fest des Heiligsten Herzens Jesu“. Die Verehrung des Herzens Jesu und seine
Frömmigkeit mit ihren eigenartig kitschigen und auf verstörende Weise verdinglichenden
Darstellungen ließen mich oft schaudern.
Nicht meine Spiritualität.
Aber ich bin damit nicht allein: auch Teilhard de Chardin hat sich kritisch gegenüber den Ausdrucksformen dieser Frömmigkeit geäußert – und es zugleich geschafft, eine innere Erweiterung des Festinhalts zu denken, die mich versöhnlicher stimmt.
Aber ich bin damit nicht allein: auch Teilhard de Chardin hat sich kritisch gegenüber den Ausdrucksformen dieser Frömmigkeit geäußert – und es zugleich geschafft, eine innere Erweiterung des Festinhalts zu denken, die mich versöhnlicher stimmt.
Samstag, 11. April 2020
Corona-Ostern: Infiziert euch mit dem Leben Gottes!
Eine neue Infektion ist im Anmarsch!
Eine unsichtbare Macht, die
alles in uns verändert. Wenn wir mit ihr in Kontakt kommen, übernimmt sie unser Leben. Als Befallene werden wir ansteckend und
geben weiter, was in uns steckt.
Gott infiziert uns mit seinem eigenen Leben!
Gott infiziert uns mit seinem eigenen Leben!
Doch in uns arbeitet es kräftig dagegen. Unser bisheriges Leben wehrt sich. Mit
gewaltigem Aufwand werden Antikörper gebildet. Denn diese Infektion bedroht unser altes Leben.
Samstag, 28. Dezember 2019
Von wahrer Größe. "Marriage Story" und die Heilige Familie
Es ist der beste Film, den ich in
diesem Jahr gesehen habe. Zugegeben, es waren insgesamt nicht viele
Filme, aber "Marriage Story" war wirklich toll.
Auch wenn es herzerweichend und zu
Tränen rührend war, wie dort die Liebe und die Trennung von Nicole
(Scarlett Johansson) und Charlie (Adam Driver) gezeigt wurde. Es sind
zwei, die noch im Auseinanderleben versuchen, vernünftig miteinander
umzugehen und sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen. Doch sie
geraten in einen juristischen Kampf hinein, der mit ihren
anfänglichen Wünschen anscheinend nicht viel zu tun hat, in dem
aber jede Kleinigkeit plötzlich eine Rolle spielt.
Samstag, 21. Dezember 2019
Geliebt 21 – Nasen in "Die zweite Frau" von Günter Kunert
Beim Aufräumen und Sortieren hat
Günter Kunert diesen Roman nach eigener Aussage wiedergefunden,
entstanden in den frühen 1970ern, wurde er in diesem Jahr erstmals
veröffentlicht und spiegelt eine Beziehung, ein Lebensgefühl aus
der DDR und eine Liebe.
Nach vielen Seiten Stress und Ärger
liegt das Paar nun im Anschluss an eine alkoholschwere
Geburtstagsfeier nebeneinander im Bett. Sie erzählt aus ihrer
Kindheit:
Dienstag, 24. September 2019
Welcher Ruf? Welche Heilung? Welcher Staub?
Am 25. September feiern wir einen
Heiligen, der es in sich hat: den heiligen Nikolaus von Flüe. Er ist
der Nationalheilige der Schweiz und wird als Einsiedler, als
Visionär, als Friedensstifter verehrt.
Ich beziehe mich in meiner Predigt im
Berliner Haftkrankenhaus auf das Evangelium vom Tage (Lk
9,1-6).
1. Jesus ruft und sendet
"Jesus rief die Zwölf zu sich"
und gab ihnen "Kraft" und "Vollmacht"
(v1).
Wenn katholische Christen von den
Aposteln (denn das sind die "Zwölf") sprechen, dann geht
es ihnen in der Regel darum, auf Menschen hinzuweisen, die etwas
besonderes sind.
Aber wenn wir uns anschauen, wen Jesus
da zu sich ruft, können wir uns leicht wieder erkennen: da sind
Betrüger, Aufschneider, Vordrängler, Angsthasen, Vorlaute,
Spätzünder, Jähzornige und Lachnummern aller Art dabei. Man denke
nur den mit den römischen Besatzern kollaborierenden Zöllner
Matthäus, an den Petrus, der Jesus belehren will und zurechtgewiesen
wird, an die beiden Söhne des Zebedäus, die sich an den anderen
vorbei den besten Platz bei Jesus sichern wollen und so fort.
Freitag, 2. August 2019
Gier bis zum Tod und über den Tod hinaus. George Saunders und das Evangelium
Wer sich nur über
seinen Besitz definiert, wird von Kritikern des Materialismus gern
als armer Tropf angesehen. So gesehen bei Jesus im Evangelium
des Sonntags (Lk 12,13-21), in dem er die Sorge des reichen
Mannes um seinen Besitz geißelt.
Doch wie weit reicht die
menschliche Gier?
Während die Pointe in
Jesu Gleichnis des Reichen Tod ist, mit dem alles verloren geht,
stellt George Saunders mit seinem Buch "Lincoln im Bardo"1
eine weitergehende Phantasie vor.
Auf dem Gelände eines
Friedhofs treffen sich die Geister der Toten und führen ein
ruheloses Zwischendasein. Allerdings ist ihnen, im Gegensatz zu
vielen anderen untoten Geistern in Literatur und Film nicht klar,
dass sie eigentlich schon gestorben sind. Umhergeistern können sie
nur, weil sie sich an die Hoffnung einer Rückkehr in jene "vormalige
Welt" klammern.
Samstag, 11. Mai 2019
Christus ist mitten unter uns – Zur Theologie des Gottesdienstes
Gott will bei den Menschen
sein – das ist der Kern des Christentums.
Es ist der Kern von
Weihnachten, wenn wir feiern, dass Gottes Wort ein Mensch wird.
Es ist der Kern des
Osterfestes, wenn wir feiern, dass Jesus über den Tod hinaus bei den
Seinen ist.
Es ist der Kern von
Pfingsten, wenn wir feiern, dass Gott im Heiligen Geist bei uns
bleibt.
Immerzu feiert die
Christenheit Gottes Gegenwart unter den Menschen.
Es ist auch der Kern
unseres Gottesdienstes.
Heute sollen darum ein
paar Gedanken zur Feier unserer Gottesdienste als Predigt dienen.
1. Versammlung
Das, womit der
Gottesdienst beginnt, ist kein Wort, ist kein Lied, ist kein Zeichen.
Das Erste ist, dass wir
zusammenkommen.
Denn wir können zwar auch
jeder allein für sich beten, doch am Sonntag kommen wir zusammen.
Wir stehen dann nicht allein vor Gott, sondern als Gemeinde.
Versammelt und vorbereitet. Erkner, 2018. |
Sie sind hier, im
Gottesdienstraum der JVA Plötzensee, die versammelte Gemeinde Gottes
an diesem Sonntag. Ob Sie nun getauft sind oder nicht, ob Sie glauben
oder nicht, ob Sie katholisch sind oder evangelisch oder orthodox –
Sie haben sich zum Gottesdienst versammelt.
Weshalb Sie genau gekommen
sind, ist deshalb auch gar nicht so wichtig – wichtig ist, dass wir
uns heute hier versammelt haben.
Denn Gott meint und ruft
zwar jeden einzeln und persönlich, und wir können auch einzeln und
persönlich mit ihm in Kontakt kommen, aber darüber hinaus ruft er
uns zur Gemeinschaft. Wir sollen nicht allein bleiben.
Vielmehr will Gott die
Menschen zusammenrufen, er will in ihrer Mitte wohnen, er will, wie
es die Osterberichte zeigen, in ihre Gemeinschaft kommen und
Gemeinschaft unter uns Menschen stiften.
Und wenn wir uns
versammelt haben, dann können wir uns auch unter ein gemeinsames
Zeichen stellen. Für uns Christen ist es das Kreuzzeichen – das
Zeichen, das uns verbindet und zeigt, dass wir zu Jesus Christus
stehen, der sich aus Liebe für die Menschen hat kreuzigen lassen.
Unter diesem Zeichen haben
wir uns versammelt.
Wir bleiben nicht allein,
weil wir mit den Anderen zusammen hier stehen. Und wir bleiben nicht
allein, weil Gott dann selbst zu uns kommen will.
2. Sich selbst vor Gott
bringen
Wenn wir uns versammeln,
dann kommt jeder anders in diesen Raum. Der eine hat gut geschlafen,
der andere nur mit schweren Medikamenten, einer schaut auf die
Lockerung, die hoffentlich bald kommt, ein anderer macht sich Sorgen
um die Familie draußen, einer musste gerade noch einen Konflikt auf
der Piste austragen, ein anderer konnte in Ruhe den Tag beginnen...
Wir kommen mit
unterschiedlichen Gefühlen und Erfahrungen, mit unterschiedlichen
Hoffnungen und Ängsten. Und all das können wir mitbringen in diesen
Gottesdienst.
Wer sich am Beginn des
Gottesdienstes etwas Zeit nimmt und in Stille vor Gott tritt, der
sammelt sich sozusagen selbst ein und legt all das, was er ist und
hat, vor Gott hin.
All das, was in einem
Leben misslungen ist, was zerbrochen ist, was steckengeblieben ist,
aber auch das, was gelungen ist, was leuchtet und glänzt, was nur so
schnurrt, kann dann beim Gottesdienst dabei sein.
Jeder ist gerufen, als
ganzer Mensch in der Gegenwart da zu sein. Denn nur wenn wir ganz da
sind, kann auch Gott ganz bei uns sein – wenn wir verstreut und mit
vielen anderen Dingen beschäftigt sind, werden wir auch Gottes
Gegenwart nicht bemerken. (Das gilt natürlich nicht nur für den
Gottesdienst, sondern auch sonst...)
3. Lobgesang und Gebet
In dieser gesammelten
Gegenwart kommen wir natürlich auch zu Gesang und Gebet zusammen.
Wir wenden uns Gott zu und
nehmen Kontakt mit ihm auf. So tasten wir über uns hinaus und
hoffen, dass da jemand ist, der uns hört.
Besonders intensiv kann
dieses Gebet werden, wenn es gesungen wird. Nicht nur ein Stammeln
und Verhaspeln, sondern der Versuch, Gott mit Klang und Stimme zu
erreichen.
Zwar könnten wir auch
aussprechen, was uns wichtig ist, aber wenn wir singen, dann klingt
es im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal völlig anders.
Denn der Ton macht, wie
man so sagt, die Musik. Und er macht eben auch das Gebet.
Wenn wir die Stimme
erheben, dann gehen wir über uns hinaus – wir strengen uns an, wir
bringen unser Anliegen zum Klingen, wir bringen es festlicher und
feierlicher vor.
Boden. Auch bereitet. Sonnenallee, Berlin, 2019. |
Schließlich kann uns der
Gesang auch in meditative Stimmung versetzen – wie das bei den
Troparien oder dem Trishagion der byzantinischen Liturgie in der
Ostkirche der Fall ist, oder auch bei den vielmals wiederholten
Gesängen in Taizé.
Deshalb singen wir immer
wieder während des Gottesdienstes – es ist das gemeinsame Gebet,
ist ein Einstimmen in das Gebet der vielen Mitfeiernden – und, wie
wiederum in der Ostkirche stark betont wird, es ist ein Mitsingen mit
den Chören der Engel im Himmel. Vielleicht klingt es nicht so
himmlisch, aber wir dürfen uns einklinken und darauf vertrauen, dass
wir in einem gewaltigen Chor mitsingen und Gott loben.
4 Hören und Bekennen
Stille und Besinnung
gehören also in den Gottesdienst ebenso wie Gesang und Gebet.
Aber nun kommt ein
weiterer Punkt, den viele mit Kirche besonders stark assoziieren: das
Hören.
Und natürlich sind es die
Lesungen aus der Heiligen Schrift, die im Zentrum stehen, wenn es um
das Hören geht. Wenn wir aus den Schriften der Bibel vorgelesen
bekommen, dann wird eine Verbindung hergestellt zwischen uns und den
damals Lebenden mit ihren Gotteserfahrungen. Das, was damals eine
Bedeutung hatte, kann es auch für uns haben.
Denn wir glauben:
Christus ist in seinem
Wort mitten unter uns.
In diesem Sinne wurde die
Bibel auch als eine Art Brief Gottes an den Lesenden oder Hörenden
bezeichnet. Denn so wie ein Briefschreiber in dem anwesend ist, was
er ganz persönlich einem anderen schreibt, so ist auch Gott
anwesend, wenn wir biblische Lesungen hören.
Und noch mehr: Gott
schenkt sich uns in seinem Wort.
Denn beim Hören können wir uns darauf verlassen, dass er uns meint und uns
aufrichten oder aufrütteln, trösten oder ermahnen will. Dass er uns
einlädt, uns ansprechen zu lassen und verwandelt zu werden.
Gott schenkt sich auch in
Brot und Wein. Das ist sozusagen die handfeste Variante. Wo er
einsteht für das, was er uns im Wort verspricht. Die Verwirklichung
des Wortes in Fleisch und Blut.
Das können wir hier nicht
in dieser Form feiern.
Aber beides – Gottes
Anwesenheit im Wort und seine Anwesenheit im Mahl – soll uns
verwandeln.
Dann können wir antworten
auf dieses Wort, das Gott uns an diesem Tag gesagt hat.
Klassischerweise kommt
nach der Auslegung der Lesungen (also der Predigt) deshalb das
Glaubensbekenntnis. Das Bekenntnis ist sozusagen die bestätigende
Antwort auf das, was Gott durch die Bibel zu den Feiernden sagt.
5 Versöhnung
Ein weiteres Element des
Gottesdienstes ist die Versöhnung, der Friedensgruß.
Dazu lädt Gott uns ein:
Dass wir uns mit einander und mit ihm versöhnen.
Es geht also wiederum
nicht nur um Gott und mich allein, sondern darum, dass wir mit den
Menschen um uns in ein besseres Verhältnis kommen.
In einem Gottesdienst wird
dann nicht ausdiskutiert, was schief gelaufen ist, man wird nicht
anklagen und verteidigen oder bitterlich um Verzeihung bitten. Aber
man kann ein Zeichen setzen.
Es ist ein Zeichen des
guten Willens, eine Geste. Wir reichen einander die Hand.
Man könnte sagen: NUR
eine Geste, NUR ein Zeichen. Man kann aber auch sagen: Immerhin ein
Zeichen, immerhin ein Anfang.
Und tatsächlich bitten
wir Gott ja um den Frieden, wir hoffen auf Kraft für einen neuen
Anfang mit denen, die um uns herum sind. Schließlich hoffen wir,
dass wir diesen Frieden auch ausbreiten können.
Damit erbitten wir
eigentlich eine Aufgabe von Gott. Er soll uns seinen Frieden geben,
damit wir friedliche Menschen werden.
Ob das nun jemandem im
Gottesdienst Kraft gibt – oder ob es vielmehr Kraft kostet, das ist
eine interessante Frage, die ich an anderer Stelle gern noch einmal
näher betrachten will.
Im weiteren Sinne ist das
sogar eine politische Aufgabe. Der Frieden, den wir im Gottesdienst
nur in der Geste des Friedensgrußes weitergeben, soll außerhalb des
Gottesdienstes unser Leben bestimmen.
Nicht dass das oft
geklappt hätte in der Geschichte der Kirche: Aber immerhin ist
dieser Wunsch des Friedens eines der durchgehenden Worte, die der
auferstandene Jesus in vielen Erscheinungsgeschichten sagt. Es
scheint damals genauso wie heute nötig gewesen zu sein, Frieden
zu empfangen und Frieden weiterzugeben.
![]() |
Was sonst? Moabit, Berlin, 2016. |
6 Für Andere bitten
An den Friedensgruß
schließen sich bei uns die Bitten an.
Versöhnt mit Gott und den
Menschen können wir das vorbringen, was uns auf dem Herzen liegt.
Sicher sind das in vielen
Fällen Anliegen, die uns betreffen oder jene, mit denen wir eng
verbunden sind.
Aber die Bitten sind auch
ein Moment im Gottesdienst, wo sich die Gemeinde, wo sich die
einzelne Person öffnen kann für Dinge, die sonst außerhalb des
eigenen Horizonts liegen.
Auch alle anderen werden nun mit in den Blick genommen, besonders die Notleidenden, die Schwachen,
diejenigen, die nicht glauben können oder die bei allen anderen
hinten runterfallen.
Ich persönlich finde es
deshalb sehr schön, wenn in Gemeindegottesdiensten bisweilen auch an
jene erinnert werden, die im Gefängnis sitzen. Wer denkt sonst schon
in dieser Weise an Sie – außer Ihren Angehörigen?
Und auch Sie können hier
an jene denken, die sonst vergessen werden. Oder an die, die unsere
Bitten besonders nötig haben.
Hinter der Bitte steht die
Einsicht, dass wir nicht alles selber schaffen.
So wenden wir uns an
jemandem, dem wir zutrauen, dass unser Anliegen bei ihm gut
aufgehoben ist.
Wenn wir unsere Bitte vor
Gott formulieren, vertrauen wir ihm diese Sache oder diese Person an.
Weil wir ihn gegenwärtig glauben, legen wir ihm das vor, was uns
bewegt.
Damit geben wir Sorge und Angst aus der Hand, damit sie uns nicht mehr so
stark bedrängen wie vielleicht zuvor.
Am Rande sei erwähnt:
Eine Hochform des Bittgebets stellt das Vaterunser dar. Und hier
fällt auf, dass die Hälfte der Bitten sich auf etwas beziehen, das
eigentlich Gott betrifft – „geheiligt werde Dein Name, Dein Reich
komme, Dein Wille geschehe." In diesen Formulierungen zeigt sich,
dass das klassische Bittgebet nicht um sich selbst und die eigene
kleine Welt kreist, sondern sich öffnet für Andere.
7. Sendung
Am
Schluss steht schließlich die Sendung.
Nichts
anderes nämlich ist der Segen: Er ist das Ausgesendetwerden in die
Welt, damit das, was im Gottesdienst an uns geschehen ist, auch eine
Auswirkung in unserem Alltag und unseren Beziehungen hat.
Gott
wollte uns bestärken und ausrichten, trösten und halten, damit wir
nun in seinem Sinne leben und handeln können.
Der
Segen ist ein Auftrag. Und er steht unter demselben Zeichen wie der
Beginn des Gottesdienstes: Wir werden unter dem Zeichen des Kreuzes
in die Welt gesandt: Liebe bedeutet Schwachheit, aber Liebe
überwindet vieles, was wir mit Gewalt und Willen nicht erreichen
können. Liebe ist stärker als Leid und Tod.
Der
Segen verheißt uns, dass wir Gottes Gegenwart auch dort entdecken
können, dort in der Welt, wo unser Alltag ist. Dort, wo Leid und
Ärger, Tod und Abschied, Trauer und Angst und Versagen sind.
So werden wir gesandt als Gesammelte, als Hörende, als Lobende, als
Bekennende und nicht zuletzt als Boten des Friedens. Und hoffentlich auch als Verwandelte und Erneuerte, obwohl wir doch zu oft die Alten
bleiben.
--
Mehr zu Eucharistie und Wortgottesdienst hier, mehr zum Liturgieablauf hier, mehr zur Hirtenthematik des Sonntags hier und hier, mehr zum Muttertag hier.
--
Mehr zu Eucharistie und Wortgottesdienst hier, mehr zum Liturgieablauf hier, mehr zur Hirtenthematik des Sonntags hier und hier, mehr zum Muttertag hier.
Erneuerung. Kirche in Niedergrunstedt, 2017. |
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Samstag, 6. April 2019
Vergeben kann, wer Vergebung erfährt. Jesus und die Ehebrecherin
Schriftgelehrte und
Pharisäer wollen Jesus im Sonntagsevangelium
(Joh 8,1-11) auf die Probe stellen und degradieren dafür die sowieso
schon beim sexuellen Akt erwischte Frau nun auch noch zum Instrument
ihres Ärgers auf Jesus.
Durch Jesu bekannte
Antwort auf die Frage, was angesichts des eindeutigen
Gesetzesverstoßes zu tun sei, ergibt sich ein klarer Fokus auf das Thema Schuld: Jesus
fordert die Schuldlosen auf, die Schuld zu sühnen und die Strafe zu
vollziehen (v7). Die betretene Reaktion und
der Verzicht auf die Bestrafung seitens der Männer (v9) zeigt, dass
sie sich ihrer Schuld bewusst werden.
Ob dies auch auf die
Schuld der Instrumentalisierung eines Menschen zutrifft, bleibt
unklar.
Schaut man die ganze Szene
aber nicht aus der Perspektive der Schuld, sondern aus Sicht der
Vergebung an, dann verschiebt sich etwas.
Dienstag, 2. April 2019
Freiheitsgewinn 3 - Frei durch Freiheitsentzug? Konferenznotizen
Auf der bundesweiten Fachtagung der Gefängnisseelsorge waren in diesem Jahr u.a. der ehemalige Anstaltsleiter Dr. Thomas Galli und die Juniorprofessorin Dr. Edeltraud Koller als ReferentInnen anwesend.
Themen des gestrigen Tages waren der Blick auf Inhaftierte und der Umgang mit Schuld und dem Sinn des derzeitigen Justizvollzugs, zu denen ich hier einige Gedanken im Anschluss an die Referate präsentieren möchte.
Mögliche Aktualisierungen auf die Fastenzeit hin möge die geneigte Leserschaft selbstbestimmt vornehmen.
1. Frei durch Reue?
Das Strafgesetzbuch gibt in § 46 Abs. 1 vor: „Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe." Wenn die Strafe als Freiheitsstrafe angesetzt ist, dann führt sie in konkrete Unfreiheit, nämlich in die Haft. Aus dieser heraus kommen Inhaftierte entweder nach voller Verbüßung oder aber zuvor schon, dann jedoch u.U. durch Reue.
Themen des gestrigen Tages waren der Blick auf Inhaftierte und der Umgang mit Schuld und dem Sinn des derzeitigen Justizvollzugs, zu denen ich hier einige Gedanken im Anschluss an die Referate präsentieren möchte.
Mögliche Aktualisierungen auf die Fastenzeit hin möge die geneigte Leserschaft selbstbestimmt vornehmen.
1. Frei durch Reue?
Das Strafgesetzbuch gibt in § 46 Abs. 1 vor: „Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe." Wenn die Strafe als Freiheitsstrafe angesetzt ist, dann führt sie in konkrete Unfreiheit, nämlich in die Haft. Aus dieser heraus kommen Inhaftierte entweder nach voller Verbüßung oder aber zuvor schon, dann jedoch u.U. durch Reue.
Samstag, 30. März 2019
Die Heimkehr des Sohnes. Ein meditatives Puzzle
Heute mal eine Art Puzzle, aus dem ich die mir gemäßen
Sätze zum Evangelium am Sonntag Laetare mit der Geschichte vom barmherzigen Vater herauspicken und zusammenstellen
kann.
Es sind noch Plätze frei. Tübke-Villa, Leipzig, 2018. |
Ich komme nach Hause.
Das
heißt:
ich habe genug
ich habe genug
ich brauche mich nicht
mehr mit fremden Menschen umgeben
ich habe es geschafft
ich muss nicht mehr arbeiten
ich kann endlich ausruhen
ich darf mich anlehnen
ich muss nicht mehr funktionieren
ich habe es geschafft
ich muss nicht mehr arbeiten
ich kann endlich ausruhen
ich darf mich anlehnen
ich muss nicht mehr funktionieren
Allerdings hatte ich ursprünglich nicht vor, zu dir zurück zu kommen.
Das heißt:
ich habe mich verschätzt
ich konnte mich nicht zurecht finden
ich musste aufgegeben
ich bin ein Versager
ich habe dich enttäuscht
ich bin ein Versager
ich habe dich enttäuscht
ich fürchte mich vor dem,
was jetzt kommt
ich will mich nicht länger verkriechen
ich will dich eigentlich nicht sehen
ich erwarte nicht, dass du mich annimmst
ich will dich eigentlich nicht sehen
ich erwarte nicht, dass du mich annimmst
Unerwartet stehst du in der Tür und wartest auf mich.
Das heißt:
Du hast mich nicht aufgegeben
Du willst dich nicht rächen
Du freust dich auf mich
Du möchtest mich bei dir haben
Du bist nachsichtig
Du gibst mir noch eine Chance
Du stehst auf meiner Seite
Du schaust großzügig auf meine Fehler
Was ist meine Antwort darauf?
Angebrannt und trotzdem schön. Neukölln, 2017. |
P.S. Ein titelgleicher Beitrag zu einem gänzlich anderen Thema findet sich hier.
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Vertrauen
Freitag, 23. November 2018
High five! Radio-Worte auf den Weg
In dieser Woche bin ich von Montag
bis Samstag jeweils dreimal mit kurzen spirituellen Beiträgen aus
dem Gefängnisalltag im Radio zu hören: 5.50 Uhr auf Radio Berlin
88.8; 6:45 Uhr auf Kulturradio; 9:12 Uhr auf Antenne Brandenburg.
Hier die
(ungefähr so vorgetragene) Textfassung von heute:
In Berliner Gefängnissen sitzen
Menschen aus sehr vielen Nationen und mit den unterschiedlichsten
Muttersprachen. Viele der Inhaftierten nichtdeutscher Herkunft können
sich durch ihren Alltag in der Haft inzwischen ganz gut auf Deutsch
ausdrücken.
Aber nicht alles möchte man
auch in einer fremden Sprache sagen.
Für sehr persönliche oder gar peinliche Sachen verwenden viele Menschen gern die Sprache ihrer Herkunft, eben ihre eigene Sprache.
Für sehr persönliche oder gar peinliche Sachen verwenden viele Menschen gern die Sprache ihrer Herkunft, eben ihre eigene Sprache.
Freitag, 19. Oktober 2018
Schrei um Erbarmen. Gebet nach einem Tag im Gefängnis
Großer Gott,
selten ist mir danach, zu schreien und dich um Erbarmen anzurufen, wenn ich aus dem Gefängnis komme.
selten ist mir danach, zu schreien und dich um Erbarmen anzurufen, wenn ich aus dem Gefängnis komme.
Aber heute ist so ein Tag, an dem ich nicht anders kann!
Was fährt in die Menschen, dass sie sich gegenseitig so fertigmachen? Warum muss es immer wieder bis kurz vor den Anschlag gehen? Warum zu oft darüber hinaus?
Dienstag, 9. Oktober 2018
Vater, Vergebung und Versuchung. Vom Vaterunser
Der heutige
Evangelientext (Lk 11,1-4) bietet die Version des Vaterunsers aus
dem Lukasevangelium.
Die Jünger Jesu wollen
von ihrem Meister wissen, wie sie beten sollen. Jesu Antwort ist
knapp und deutlich, aber sie lohnt einen näheren Blick, da es sich
ja um das wichtigste Gebet der Christen handelt.
Ich konzentriere mich auf
drei Aspekte.
![]() |
Der Vater wartet. Neukölln, Berlin, 2015. |
1. Vater unser im
Himmel
Gott lässt sich von uns
als Vater anreden. Und damit als der, von dem wir herkommen. Das
heißt, wir sind ihm von unserem Ursprung her ähnlich und nahe.
Gott spricht zu jedem
Einzelnen: Du kommst von mir – und ich wünsche mir, dass du
auch nach mir kommst und mir immer ähnlicher wirst. So ist
Gott als Vater zugleich der, der liebevoll wartet, dass wir zu ihm
kommen.
Eigentlich ein komisches
Bild: Gott wartet auf uns. Aber genau so stellt Jesus uns Gott vor in
seinem Gleichnis vom Verlorenen Sohn: Der Sohn hat Mist gebaut und
alles ausgegeben, was er hatte und kommt nun kleinmütig wieder –
da steht sein Vater schon mit offenen Armen da und nimmt ihn in
Empfang.
Je nachdem, welche
Erfahrungen wir selbst mit unseren Vätern gemacht haben, wird uns
das rasch einleuchten oder auch nicht.
Wer den eigenen Vater nur
als einen Arbeitenden, der spät nach Hause kommt, erlebt hat, oder
als einen, der vielleicht sehr ungeduldig und aufbrausend ist,
möglicherweise als einen, der seine Wut nicht im Griff hat, dem
bietet sich Gott mit einem gänzlich anderen und neuen Vaterbild an.
Gott ist zunächst ein
Vater, der da ist. Er versteckt sich nicht, wenn wir ihn suchen und
er bleibt nicht in seinem Himmel, wenn wir uns auf den Weg zu ihm
machen. Sondern er ist da und wartet und kommt uns in Jesus sogar
entgegen.
Weiter ist Gott ein Vater,
der uns liebevoll anschaut und uns bittet, bei ihm zu sein. Er ruft
uns immer wieder. Dafür muss er sehr geduldig sein. Denn wir machen
immer wieder, was wir wollen und oft genug ist das nicht anwesend
sein, geduldig sein, liebevoll sein.
Schließlich ein
Stolperstein: Gott liebt uns alle. Ich halte das deshalb für einen
Stolperstein, weil es uns so schwer fällt, zu glauben, dass dieser
Stinkstiefel da für Gott genauso liebenswert sein soll wie ich. Aber
genauso ist es: Dieser Vater-Gott liebt jede und jeden. Ob wir im
Gefängnis sitzen oder ob wir dort arbeiten. Ob wir drogenabhängig
sind und zum x-ten Mal rückfällig geworden sind oder ob wir unsere
Süchte einigermaßen unter Kontrolle haben. Ob wir schnell
zuschlagen oder uns dauernd vom Leben geschlagen fühlen.
Wer also im Gebet Gott als
Vater anspricht, der verlässt sich beruhigt darauf, dass Gott mit
ganzer Liebe da ist. Dass Gott ihn erwartet.
Und er sieht seine
Nachbarn ebenfalls als Gottes geliebte Kinder an.
2. Vergib uns unsere
Schuld – wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
Eben klang es schon an,
dass der Vater in Jesu Gleichnis ein vergebender und großzügiger
Vater ist.
Aber im Vaterunser wird
darüber hinaus davon gesprochen, dass nicht nur Gott uns vergibt,
sondern auch wir unseren Nachbarn.
Manch einer mag sich
fragen: Was hat meine Schuld mit der Schuld meines Nächsten zu tun?
Auf einer rein
juristischen Ebene ist beispielsweise klar, dass die eine Straftat
dieser Person und die andere Straftat jener Person nicht direkt
miteinander zu tun haben. Und es ist auch klar, dass ein Richter sein
Strafmaß nicht davon abhängig macht, ob ich sonst ein netter Mensch
bin.
Wenngleich, es deutet sich
an, wenn manche Aspekte einen Einfluss auf den Schuldspruch und
später die Strafdauer haben: gibt es eine Einsicht in die Schuld,
gibt es das Bemühen um Wiedergutmachung, gibt es Vorstrafen in der
gleichen Richtung oder gibt es sie nicht?
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Vergeben statt am Rad drehen. Fangschleuse, 2016. |
Vor Gott ist klar, dass
wir alle schuldig werden und Vergebung brauchen, egal ob ein
irdischer Richter etwas dazu sagt oder nicht.
Und vor Gott geht es zwar
auch um unsere Taten – aber in erster Linie geht es ihm um unser
Herz.
Wenn wir Gott um Vergebung
bitten, dann öffnen wir ihm unser Herz. Und unser geöffnetes Herz wird
auch offen sein für die Anderen. Für jene, die an uns schuldig
geworden sind, für jene, die bei uns Schulden haben, für jene, die
unsere Großzügigkeit brauchen.
Das heißt nun aber von
der anderen Seite her nicht, dass wir einfach so Schulden machen
können, von der Großzügigkeit anderer leben und diese ausnutzen
(ich habe hier vor allem die im Gefängnis allgegenwärtige
Tabakfrage vor Augen).
Aber es bedeutet, dass wir
als Menschen, die etwas geschenkt bekommen, auch anderen schenken können und sollen.
Konkret auf Vergebung
bezogen: Wo wir merken, dass uns vergeben wird, dass wir uns nicht
mehr in der Schuld suhlen müssen, dass uns aufgeholfen wird – dort
müssen auch wir selbst nicht kleinlich sein, sondern können es uns
leisten, nachsichtig mit den Schwächen unserer Nächsten zu sein.
Wer also so betet, der
kann nicht selbstgerecht auf Andere herabsehen, denn er weiß, dass
er selbst auch Vergebung und Verzeihung nötig hat. „Ja es
ergibt sich das Erschütternde, dass er an sich selbst staunend
erfährt, wie ihn die eigene Unzulänglichkeit und
Heruntergekommenheit erbarmender macht", wie es Gertrud von
Le Fort ausdrückt.1
3. Führe uns nicht in
Versuchung
Hier versteckt sich eine
der kniffligsten Fragen für Christen überhaupt: Wie kommen wir mit
den Versuchungen zurecht? Also mit all dem, was so leicht bei uns
andocken kann und uns dabei doch nach unten zieht und kaputt macht.
Das Vaterunser geht davon aus, dass Versuchungen zum Leben dazu gehören.
Viele Menschen hier im
Haftkrankenhaus kennen dies aus therapeutischen Kontexten: In mir
will etwas unbedingt. Da geht es um Triebkontrolle oder um
Bedürfnisaufschub, darum, nicht schon wieder rückfällig zu werden
und so fort.
Die Religionen kennen
diese Problematik seit langem: Im Buddhismus ist eines der
wichtigsten Ziele, um ins Nirwana zu kommen, dass man nicht weiterhin
Dinge will. Es geht also darum, sein Herz nicht an etwas zu hängen
und sich innerlich immerzu danach zu verzehren. Mit anderen Worten:
die Versuchung gar nicht erst groß werden zu lassen. Auch das
Judentum hat vor beinahe 3000 Jahren in den Zehn Geboten formuliert:
"Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren. Du
sollst nicht die Frau deines Nächsten begehren, nicht seinen Sklaven
oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel oder irgendetwas, das
deinem Nächsten gehört." (Ex
20,17)
Für jeden, scheint dieser
Text sagen zu wollen, lauert die Versuchung woanders und jeder muss
für sich hören, was er denn so unbedingt haben will und dagegen ankämpfen.
Für die einen mag es eine
Versuchung sein, wenn ich jetzt eine bestimmte Tablettenschachtel
hier hinlege, für die anderen wäre es vielleicht eher eine
Versuchung, wenn ich meinen Schlüssel oder das Funkgerät hier
liegenließe und den Raum kurz verlassen würde.
Das Entscheidende
geschieht auch hier im Inneren. Denn wir können Gott zwar bitten,
dass wir nicht in die Versuchung geraten (wozu es in diesem Jahr eine
spannende theologische
Debatte gab), aber wenn wir einmal versucht werden, müssen
wir uns zu dieser Versuchung eben verhalten. Und wir alle wissen, dass das
mitunter schneller geht als man so glaubt.
Aber als Menschen haben
wir immerhin die Möglichkeit, uns unterschiedlich zu verhalten. Denn
wir können in die Distanz zu uns selbst zu gehen – uns selbst
anschauen als herausgeforderte und manchmal überforderte Menschen.
Und in dieser Distanz vielleicht leichter eine Antwort finden, als
wenn wir mitten in der Versuchung feststecken.
So lässt sich vielleicht
von den Buddhisten die Frage abschauen, was es denn ist, das mir
wirklich hilft und mich weiterbringt. Ist es das „Anhaften" an
den Dingen, die (Sehn-)Sucht nach meinen kleinen Hilfsmitteln und
Muntermachern, das ständige Habenwollen?
Was bringt mich im Leben
weiter, der kurzfristige Kick und die Befriedigung meiner
unmittelbaren Bedürfnisse und Triebe – oder gibt es andere Wege?
Wenn wir also beten, dass
Gott uns nicht in Versuchung führen solle, dann bedeutet das auch,
darum zu bitten, dass wir klarer erkennen, was uns gegen die
Versuchung hilft. Wir müssen jeder für sich einen guten Grund finden, um der Sache, die uns erst wie magisch anzieht und dann
runter zieht, nicht schon wieder auf den Leim zu gehen.
Wer darum betet, von den
Versuchungen verschont zu werden, der weiß um seine eigene Schwäche.
Der kann mehr und mehr üben, mindestens zeitweise zu sich und seinen
Neigungen in Distanz zu gehen. Der wird sich einen überzeugenden
Grund suchen, der Versuchung nicht nachzugeben.
Zum Mitnehmen bleiben also
vielleicht diese drei Punkte:
1. Wir können uns darauf
verlassen, dass Gott als naher, geduldiger und gütiger Vater auf uns
wartet.
2. Wir können selbst
vergeben und barmherziger werden, weil wir wissen, dass wir nicht
besser sind als die anderen.
3. Wir können üben,
unsere hinderlichen Bedürfnisse und Triebe aus innerer Distanz
wahrzunehmen und uns nicht von ihnen kapern zu lassen.
Dienstag, 28. August 2018
Kompass, Schere und Verbandszeug. Impuls zum Schuljahresbeginn
Meine Tätigkeit im Jugendbildungshaus des Erzbistums bringt
es mit sich, dass ich regelmäßige Andachten und Impulse für Kennenlernfahrten
gestalte.
Es folgt das Beispiel eines kurzen Impulses im Anschluss
an eine biblische Lesung aus dem Matthäusevangelium (ähnlich hier). Der Einfachheit halber
wird die Lesung hier stückweise dargestellt.
Donnerstag, 23. August 2018
"Für Anne". Leonard Cohen vermisst eine Verlorene
Wie viel größer wird die Liebe
plötzlich, wenn sie vorbei ist!
Wie viel inbrünstiger das Gefühl in
dem Moment, in dem die Fülle gerade durch die Finger rinnt!
Leonard Cohen, der begnadete
Songwriter, scheint das gespürt zu haben. Und er hat es in Worte
gefasst!
Denn neben den bekannten Songs sind von
ihm auch eine Reihe nicht vertonter Gedichte erschienen, von denen es
einige wert sind, als Miniaturen im Gedächtnis zu bleiben.
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