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Sonntag, 16. Februar 2020

Modernisierung der Normen. Noch einmal zur Bibel und zu Jesu Antithesen

Ein Abschnitt aus meiner aktuellen Lektüre passt so gut zum heutigen Sonntagsevangelium, dass ich ihn der Predigt einfach noch nachschieben muss. 

In "Die Entstehung der Bibel"1 las ich gerade, wie die israelitische Elite, die im Anschluss an den Untergang Jerusalems 587 v.C. nach Babel deportiert worden war, dort nicht nur trauerte und ihre Theologie vom Handeln Gottes in der Geschichte grundlegend neu entwarf. Diejenigen, die später die Autoren der biblischen Schriften wurden, taten überdies einen grundlegenden Schritt über sich hinaus, indem sie "sich der Intellektualität ihrer Umgebung öffneten".2

Samstag, 15. Februar 2020

Innerlicher und intensiver! Was größere Gerechtigkeit heißen kann.

Es gibt beliebte Vorstellungen davon, wie Christen sein sollten:
Viele sagen, dass man von ihnen mehr erwarten könne als von anderen.
Sie sollten diejenigen sein, die sich auszeichnen durch Gutes. Die moralisch besser handeln. Die, wenn sie das nicht schaffen, sich wenigstens mehr bemühen. Und wenn auch das nicht klappt, dass sie immerhin zu ihren Fehlern stehen.

Donnerstag, 23. Januar 2020

"Leb wohl, mein Herz." Helmuth James von Moltke schreibt den letzten Brief an seine Frau.

Helmuth James von Moltke gehört zu den großen Persönlichkeiten des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Als Mitinitiator des Kreisauer Kreises wollte er eine andere gesellschaftliche und ethische Ordnung errichten als jene, die vom NS-Regime erzwungen wurde.

Dafür bezahlte er am 23. Januar 1945, heute vor 75 Jahren, mit dem Leben. Er wurde hingerichtet in Plötzensee, dem Gefängnis, in dem ich derzeit als Gefängnisseelsorger arbeite.

Die letzten Monate vor seinem Tod stand er noch einmal in intensivem Kontakt mit seiner Frau Freya von Moltke. Nach der Verhaftung im Januar 1944 verbrachte Moltke die meiste Haftzeit im Gefängnis des Konzentrationslagers Ravensbrück.
Seit dem 28. September 1944 war er in Tegel inhaftiert.
Dort half der evangelische Gefängnispfarrer Harald Poelchau unter der beständigen Gefahr entdeckt und selbst hingerichtet zu werden, fast täglich die Briefe zwischen Freya und Helmuth zu schmuggeln. Sie sind ein Dokument der Liebe, publiziert als "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel. September 1944 – Januar 1945."1

Mittwoch, 22. Januar 2020

Regeltreue ist kein christliches Primärziel. Drei Fragen zum Tagesevangelium

Eigentlich sollte ich heute einen Gottesdienst im Haftkrankenhaus feiern. Aber durch verschiedene Umstände sitze ich nun zu Hause und stelle die Fragen, die sich aus dem Tagesevangelium (Mk 3,1-6) ergeben, einfach hier im Blog.

Dienstag, 24. Dezember 2019

Ich will hier raus! - Gott will hier rein! Oder: Weihnachten macht verletzlich

Wer will dort schon hin? – Mitten in der Provinz, nicht in der Stadt, nicht mal auf dem Dorf, sondern irgendwo außerhalb der menschlichen Siedlungen in einem heruntergekommenen Stall kommt das Kind zur Welt, das die Welt retten soll.

Wer will hier schon hin? – Keine Privatsphäre, kein Lieblingsessen, kein Internet, kein S-Bahnhof, keine Familienzimmer, keine Weihnachtsamnestie. Hier müssen Sie Weihnachten verbringen, im Haftkrankenhaus am Rande des Berliner S-Bahnrings, direkt neben der Stadtautobahn.

Aber was soll ich Ihnen sagen? Das, was Sie sich nicht ausgesucht haben, hat Gott sich ausgesucht.
Wenn Sie sagen: Ich will hier raus! - muss ich Ihnen antworten: Gott will hier rein.

Freitag, 20. Dezember 2019

Ich kann es nicht mehr abwarten. Ein Radiobeitrag zum Ende des Advents

So ähnlich bin ich am Sonntag, 22.12., gegen 10 vor 10 Uhr auf Radio rbb 88,8 zu hören:


Das Ende des Advents ist wirklich eine Herausforderung für mich.
Kurz vor Weihnachten immer noch auszuhalten, dass das richtige Fest erst noch kommt, das strapaziert meine Geduld schon sehr.
Wenn ich mich umschaue, sehe ich, dass mir das Warten auch nicht leicht gemacht wird. Die aktuellen Adventskalender werden immer größer und bestehen aus thematischen Geschenkesammlungen vor dem Fest, zu dem es dann noch einmal viele Geschenke gibt.
Geschenke als Vorbereitung auf Geschenke? – Ehrlich gesagt erschließt sich mir der Sinn solcher Adventskalender nicht, außer dass auf diese Weise noch mehr gekauft und konsumiert wird.

Samstag, 7. Dezember 2019

Wolf und Lamm und Axt und Feuer. Eine Predigt am 2. Advent

Die Vielfalt der biblischen Visionen ist immer wieder erstaunlich.
Johannes der Täufer zerstört im Evangelium (Mt 3,1-12) die adventliche Besinnlichkeit durch seine drastische Sprache, wenn er ankündigt: "jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen" (v10).
Kurz davor aber haben wir gerade in der Lesung (Jes 11,1-10) gehört, wie der Prophet Jesaja eine göttliche Friedenszeit erhofft: "Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen" (v6).

Wie passt die Friedfertigkeit, die Jesaja verheißt, zu der Aggressivität des Johannes?
Verkündet der alttestamentliche Prophet einen anderen Gott oder eine andere Version von Gottes Herrschaft als der Vorläufer Jesu?

Mittwoch, 4. Dezember 2019

Waffen weg und losgehen - Jesaja-Predigt im Advent

1.
Advent ist ein Sich-auf-den-Weg-machen.
So hören wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 2,1-5) - „Viele Nationen machen sich auf den Weg" (v3), es wird darum gebeten, dass Gott seine Wege zeigt (ebd.), Jesaja fordert auf, die eigenen Wege im „Licht des Herrn" (v5) zu gehen.
Der Advent ist der Weg in Richtung auf ein großes Ziel. Hier in Haft ist Ihr Ziel, das eigene Leben draußen wieder leben zu können. Der Advent gibt uns einen Hinweis, wie das aussehen kann: Adventlich gestimmte Menschen warten darauf, dass etwas Neues geboren wird.
Der Weg besteht darin, abwarten zu können, bis dieses Neue ankommt.
Denn Advent heißt: nicht alles kommt sofort.

Mittwoch, 16. Oktober 2019

"Wie ein Baum am Wasser gepflanzt" Meine Kraftquellen und meine Früchte

Vor ein paar Tagen habe ich einen geistlichen Impuls für die Mitarbeiterinnen (und einen Mitarbeiter) eines Berliner Altenheims der Caritas gehalten. Das ging ungefähr so:


Das Bild des Baumes als Symbol des Lebens und der Kraft ist in vielen Religionen und auch im Christentum bekannt.
Menschen sind zwar keine Bäume – aber auch sie brauchen Wurzeln und auch sie bringen Früchte. Ein prominentes Bild aus der Bibel findet sich beim Propheten Jeremia:
Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut und dessen Hoffnung der HERR ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu tragen." (Jer 17,7f)

Samstag, 12. Oktober 2019

Jesu miese Erfolgsquote. Von Heilung und Dank und Glaube und Liebe

Im Vordergrund des Evangeliums vom Sonntag (Lk 17,11-19) steht Jesus als Heiler. 
Jedenfalls auf den ersten Blick. 
Denn schnell schiebt sich etwas ganz anderes in den Vordergrund – nämlich die Tatsache, dass da einer der Geheilten zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken. Doch auch daran schließt sich in der Lesung noch ein weiteres Thema an: Die Frage, was für Jesus ein Erfolg gewesen wäre – die Heilung all dieser Kranken oder ihre dankbare Umkehr.
Es wird also in meiner Predigt drei Punkte geben: 1. Aussatz und Heilung, 2. Dankbarkeit und Glaube, 3. Erfolg und Misserfolg.

Dienstag, 20. August 2019

Das Medium der Differenz: Monotheismus als Medienrevolution in "Corpora" von Eckhard Nordhofen.

Mit seinem Buch "Corpora. Die anarchische Kraft des Monotheismus" ist Eckhard Nordhofen ein großer Wurf gelungen.
Die Herausbildung der monotheistischen Religion in Israel führt er zurück auf eine "Medienrevolution": anstatt Götterbilder herzustellen und anzubeten, bezieht sich das kleine Volk Israel auf eine Heilige Schrift.
Den Grund dafür sieht Nordhofen in einer neuartigen Gottesvorstellung.

Dienstag, 13. August 2019

"Oh Allah, hier bin ich. Ich ergebe mich Deinem Willen" - Christliche Gedanken zum Opferfest

Viele Millionen Muslime feiern derzeit das Opferfest. Sei es bei der Hadsch in Mekka, sei es am jeweiligen Wohnort: sie erinnern sich an Abrahams Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern und feiern darin "den Ausdruck maximalen Gehorsams und absoluter Aufrichtigkeit", wie es die Islamische Zeitung traditionell beschreibt. In dieser Interpretation steht Ibraham, wie ihn der Koran nennt, als der ideale Muslim da. Er hat nicht gezögert, sich dem Willen Gottes sofort und gänzlich zu unterwerfen.

Aus christlicher Perspektive schaue ich auf diesen Festanlass, der sich als Text ja auch in der hebräischen Bibel findet, mit einigen Fragen.

Dienstag, 23. Juli 2019

Ein Sämann ging aufs Feld... Predigt über Vögel, Wurzeln, Dornen

Jesus beschreibt das Handeln und die Herrschaft Gottes oft in Bildern. Viele dieser Bilder kommen aus der Landwirtschaft und aus dem Alltag der einfachen Leute in Israel. Mit seinen Vergleichen will Jesus deutlicher machen, worum es ihm geht.
Im Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9) geht es ihm um die Frage, ob die Frohe Botschaft bei mir und dir ankommt.

Allerdings ist das Gleichnis mit Vorsicht zu genießen, denn es geht Jesus nicht um eine Darstellung der damaligen Lebenswirklichkeit! Es ist eben „nur" ein Bild.

Der Karmelitenpater Reinhard Körner meint darum, dass die Kleinbauern um den See Genezareth erst einmal gelacht haben werden, als sie hörten, wie der Bauer in Jesu Rede vorgeht. Er stellt sich vor, wie er zwischen ihnen steht und ihre Reaktionen mitbekommt:

Samstag, 22. Juni 2019

"Herrscher der Welt, lass mich heute Glück haben!" Ein Aspekt des alttestamentlichen Gottesbildes

Ich bin in Hinsicht auf biblische Befunde nicht mehr so leicht zu überraschen.
Aber mit Blick auf das Gottesbild der Bibel wurde mir vor einiger Zeit noch einmal etwas Ungeheuerliches klar, das ich aus Anlass der Frage Jesu "Für wen haltet ihr mich?" (Lk 9,20 im Sonntagsevangelium) benennen will.

Wer sich in der Glaubenswelt der Nachbarvölker Israels umschaut, wird die Abdrücke jener Gottesvorstellungen auch in der Bibel wiederfinden. In der alttestamentlichen Darstellung Gottes gehen verschiedene Anteile von Götterpersönlichkeiten aus dem Umfeld der Bibel auf, wie Jack Miles in seiner Biographie Gottes aus den 1990ern schreibt. 
Zwei dieser Anteile seien hier genannt.

Samstag, 15. Juni 2019

Living out of the box. Predigt am Dreifaltigkeitssonntag.

Wenn wir Christen heute die Heilige Dreifaltigkeit feiern, dann frage ich mich, ob das etwas ist, was uns heute etwas Wichtiges zu sagen hat. Ich versuche es - passenderweise - in drei Schritten.

1. Vater
Ich weiß nicht, was in Ihnen für Gedanken und Gefühle entstehen, wenn ich "Vater" sage. Vielleicht denken Sie "Idiot". Oder Sie bringen "Vater" mit "Vorbild" zusammen. Vielleicht denken Sie aber auch: "Trinker".
Vielleicht entsteht Sehnsucht. Oder Wehmut. Oder aber Wut. Oder Traurigkeit.
Jeder macht andere Erfahrungen mit dem Wort Vater.

Mir fällt bei dem Wort "Vater" ein Mann ein, der vor vier Jahren mit dem großen Strom der Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kam und den ich in einem Nest in Brandenburg kennengelernt habe, als ich ein paar Freizeitangebote für die Bewohner der dortigen Unterkunft machen wollte.

Mittwoch, 5. Juni 2019

Komm, großer Verflüssiger

Jede Rede aber, wenn sie nur einmal geschrieben, 
treibt sich allerorts umher, 
gleicherweise bei denen, die sie verstehen, 
wie auch bei denen, für die sie nicht passt, 
und sie selber weiß nicht, zu wem sie reden soll, zu wem nicht. 
(Platon, Phaidros)

Im Lebensatem Gottes wohnt das Wort

Als Hauch verhallt auf Golgotha

Geronnen zur Schrift durchwohnt es die Zeit.

Komm, Geisthauch, großer Verflüssiger

Mach das Wort lebendig in meiner Brust

Bring es zurück ins Gespräch

Lass schmelzen die Härten, durchtöne den Sturm

Küss wach die Seiten, die Zeilen, das Wort

Entdecke es mir im Meer der Zeit

Und kräftige mich mit seiner Kraft

Durch dich lebt es neu von Mensch zu Mensch

Trauben vor der Reife.
Gau Algesheim, 2019.
Mehr Geistlyrik hier, Bilder zur Pfingstsequenz hier, über Geist und Demokratie hier, über die Geisterfahrung nach Karl Rahner hier.

Mittwoch, 22. Mai 2019

Großartiges Ich. Unverlierbare Würde. Über Maria und das Grundgesetz

Das Grundgesetz feiert Geburtstag.

Ich mag das Grundgesetz, also gratuliere ich gern.

Besonders denke ich, wie so Viele, an den ersten Satz.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Art 1, Abs. 1, Satz 1, GG)

Ein hoher Anspruch, der trotz der scheinbar einfachen Botschaft missverständlich bleibt.

So richtig klar ist schließlich nicht, was genau diese Würde überhaupt sein soll.

Mir fällt dazu ein Satz ein, den der Evangelist Lukas Maria in den Mund legt.

Der Mächtige hat Großes an mir getan.“ (Lk 1,49)

Donnerstag, 2. Mai 2019

Vom Kern des Auferstehungsglaubens – Kurz gefasst von Medard Kehl

Alle paar Jahre wieder wird berichtet, wie schwer sich deutsche Christen mit dem Glauben an die Auferstehung und ein Leben über das irdische Leben hinaus tun.
Gerade in der Osterzeit ist das ein besorgniserregender Befund.

Begründet ist die Skepsis vieler Getaufter zum Einen mit dem um sich greifenden naturalistischen Weltbild, das sich als metaphysikfreie Welterklärung ohne Himmel anbietet. Dazu habe ich an anderer Stelle die spannenden Überlegungen von Holm Tetens angedeutet.

Zum Anderen versteht sich ein solcher Unglaube immer noch und immer wieder als Aufstand gegen die mythische Sprache von Bibel und Tradition.

Samstag, 6. April 2019

Vergeben kann, wer Vergebung erfährt. Jesus und die Ehebrecherin

Schriftgelehrte und Pharisäer wollen Jesus im Sonntagsevangelium (Joh 8,1-11) auf die Probe stellen und degradieren dafür die sowieso schon beim sexuellen Akt erwischte Frau nun auch noch zum Instrument ihres Ärgers auf Jesus.
Durch Jesu bekannte Antwort auf die Frage, was angesichts des eindeutigen Gesetzesverstoßes zu tun sei, ergibt sich ein klarer Fokus auf das Thema Schuld: Jesus fordert die Schuldlosen auf, die Schuld zu sühnen und die Strafe zu vollziehen (v7). Die betretene Reaktion und der Verzicht auf die Bestrafung seitens der Männer (v9) zeigt, dass sie sich ihrer Schuld bewusst werden.
Ob dies auch auf die Schuld der Instrumentalisierung eines Menschen zutrifft, bleibt unklar.

Schaut man die ganze Szene aber nicht aus der Perspektive der Schuld, sondern aus Sicht der Vergebung an, dann verschiebt sich etwas.

Dienstag, 19. März 2019

War Josef der leibliche Vater Jesu? Zwei Antworten von Joseph Ratzinger

Zum Fest des heiligen Josef möchte ich kurz zwei unterschiedliche Antworten zu oben genannter Frage referieren. Zwei Antworten, die interessanterweise von ein und dem selben Autor stammen, allerdings liegen zwischen ihnen 44 Jahre.