Ich kann die Angst vor der Unzufriedenheit der Gäste förmlich spüren. Da sind das ganze Dorf und viele auswärtige Gäste zusammengekommen und wollen feiern. Sie wollen den tristen Alltag endlich mal für ein paar Stunden (oder Tage!) verlassen und es sich richtig gut gehen lassen.
Und dann ist der Wein alle. Das heißt, die Party wird bald vorbei sein.
Was muss das für ein Ärger für die Einladenden sein, wenn sogar schon bis zu den Gästen durchdringt, dass nicht mehr weitergefeiert werden kann! Was für eine Enttäuschung, was für ein Frust.
Aber wozu bei der biblischen Geschichte stehenbleiben?
Samstag, 15. Januar 2022
Dein Wasser reicht gegen den Frust. Predigt zum Weinwunder in Kana (Joh 2,1-11)
Sonntag, 9. Januar 2022
„...während er betete, öffnete sich der Himmel…“ Taufe des Herrn als Hoffnungsbild
Jesus lässt sich taufen und wird von oben bestätigt. Als er betet, tut der Himmel sich auf, der Geist kommt herab, eine Stimme ertönt (Lk 3,15-16.21-22).
Wie oft wünschte ich mir eine solche Vergewisserung, während ich bete! Eine Stärkung im Glauben. Einen Kraftakt Gottes, der mir zeigt, wie es um mich steht, was er wirklich will und dass er an meiner Seite ist.
Aber so etwas gibt es selten oder gar nicht.
Wir normalen Christ*innen sind zwar auch getauft, aber die Bestätigung bleibt oftmals aus. Wenn wir beten, fühlt es sich oft an, als würden wir ins Leere sprechen. Was unser Gebet wirklich bringt – und ob es etwas bringt, bleibt unklar. Ich selbst fühle mich unwohl mit manchen vorgeprägten Formulierungen. Wenn ich selbst formuliere, bleibe ich hinter meinen Erwartungen zurück oder fühle gar nicht, was ich eigentlich meinte.
Mittwoch, 5. Januar 2022
Sie brauchen einander! Provokation der Drei Könige
So unglaublich es klingt: Der böse König Herodes und die Weisen aus dem Morgenland brauchen einander.
Als die Besucher aus dem Osten in Jerusalem auftauchen, fragen sie: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ (Mt 2,2)
Nachdem Israels Schriftgelehrte auf Geheiß des entsetzten Königs Herodes in der Bibel recherchiert und Betlehem als Ort der Geburt des Gegen-Königs identifiziert hatten, ließ sich Herodes von den Weisen heimlich „sagen, wann der Stern erschienen war“ (v7).
Samstag, 1. Januar 2022
Mehr Ruhe. Gedanke zu Neujahr.
Gefroren am Meer. Ostsee, 2021. |
Etty Hillesum hat diese Sätze geschrieben im Angesicht der europaweiten Vernichtung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten. Sie schöpfte aus der eigenen inneren Ruhe, in der sie sich auch mit Gott verbunden fühlte. Ihr Wunsch nach einer friedvolleren und weniger „aufgeregten Welt“ hat sich allerdings nicht unmittelbar bewahrheitet. Aber manchmal taucht sie schon auf, diese große Ruhe.
Das wünsche ich euch im beginnenden Jahr 2022: Dass ihr im Angesicht von viel Leid und Angst und Verschlossenheit und Aggression trotzdem eine hoffnungsvolle und friedliche Ruhe in euch bewahren könnt. Und dass diese Ruhe auf eure Umgebung ausstrahlt.
Ergo: Ein gutes, ein in tiefer Ruhe starkes Jahr wünsche ich!
(J.G. Gaarlandt (Hg.), Das denkende Herz. Die Tagebücher der Etty Hillesum 1941-1943. Reinbek bei Hamburg 1985, 192; Eintrag vom 29.09.1943.)
Donnerstag, 30. Dezember 2021
Persönliche Zusammenfassung des Jahres 2021
1.
Aus Berlin wird Frankfurt. Aus Gefängnis wird Hochschule.
2.
Bücher von Frauen (Elena Ferrante, Simone Weil, Etty Hillesum, Nastassja Martin, Bernardine Evaristo, Isabelle Bogdan…) haben mich in diesem Jahr tendenziell mehr überzeugt als die von Männern (Larry Trambley, Raymond Queneau, vor allem aber Pascal Mercier, was war das denn für ein komischer Nachtzug?).
3.
Positive Ausnahmen gibt es natürlich auch (Henning Mankell, James Martin, Navid Kermani…).
Negative ebenso (Dorota Maslowska und Ulrike Almuth Sandig konnten mich nicht so recht erreichen).
Samstag, 25. Dezember 2021
Brücken-Gott?! – Eine Weihnachtsbetrachtung
Die Geburt des heiligen Kindes im Stall von Betlehem ist ein Brückenschlag. Denn seit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus existiert eine Brücke zwischen den beiden Seiten, zwischen Menschen und Gott.
Dieses Sprachbild jedenfalls passt gut in eine landläufige Vorstellung des Gott-Welt-Verhältnisses. Gott auf der einen, die Welt mit den Menschen auf der anderen Seite eines großen Grabens, metaphysisch getrennt durch den Spalt von Schöpfer und Schöpfung, Geist und Materie, Grenzenlosigkeit und Begrenztheit.
Donnerstag, 23. Dezember 2021
Erlöst er uns? Maria kurz vor der Niederkunft
„Jetzt wird’s langsam wirklich eng. Ich habe das Gefühl, mein Bauch könnte jeden Moment platzen.
Immerhin haben wir es schon nach Jerusalem geschafft.
Aber diese Stadt ist echt anstrengend – zum Glück müssen wir nicht hier zur Zählung aufs Amt.
Allein die hohen Häuser sind ja eine Zumutung! Und dann die Leute! Ohne Rücksicht rennen die hier durch und rempeln sich durch den Tag!
Sonntag, 19. Dezember 2021
Begegnung mit dem Heiligen. Etty Hillesum zum 4. Adventssonntag
Der Besuch Marias bei Elisabeth wird für Elisabeth zur Begegnung mit dem Heiligen (Lk 1,39-45). Sie „wurde vom Heiligen Geist erfüllt“ (v41), jubelte und spürte die Bewegung des künftigen Propheten in ihrem Bauch.
Ähnliches geschieht 1942 Etty Hillesum – inmitten eines übermächtig bedrohlichen Alltags, mitten im Krieg als Jüdin in den Niederlanden, abends in ihrem Schlafzimmer.
„Ja, wie war das gestern abend in meinem kleinen Schlafzimmer?
Ich war früh zu Bett gegangen und schaute durch das große, offene Fenster hinaus. Und mir war wieder, als wäre das Leben mit all seinen Geheimnissen mir sehr nahe, als könne ich es berühren. Mir war, als ruhte ich an der nackten Brust des Lebens und hörte seinen leisen, regelmäßigen Herzschlag. Ich lag in den nackten Armen des Lebens und fühlte mich sicher und beschützt. Und ich dachte: Wie sonderbar doch das ist. Es ist Krieg. Es gibt Konzentrationslager.
Mittwoch, 15. Dezember 2021
Über die Grenzen. Maria und Josef auf dem Weg
„Ja, jetzt versuche ich es doch noch mal.
Die letzten Tage waren wirklich furchtbar anstrengend, weißt du, da ging irgendwann gar nichts mehr. Wir mussten ein paar Tage Pause einlegen und machen jetzt ganz langsam.
Es war so: Der Übergang von Galiläa nach Samarien ist ja meistens kein Problem, aber jetzt sind plötzlich so viele Leute unterwegs, dass wir immerzu warten mussten und gar nicht vorankamen – und dann noch in irgendwelche Kontrollen der Römer geraten sind.
Samstag, 11. Dezember 2021
Von Steinen und Strahlen. Bildmeditation zu Maria und Josef am 3. Adventssonntag
(Ansprache nach dem Evangelium in der Kirche Heilig Kreuz in Frankfurt)
Es ist eine Herausforderung für mich, heute von der Freude im Advent zu sprechen – und diese Freude auch zu fühlen.
Denn wohin ich auch schaue, ist wenig Grund zur Freude zu erkennen: die niemals endende Corona-Krise mit dem sich anschließenden Elend in den Krankenhäusern, der Angst vor Schulschließungen, mit Online-Lehre an der Uni, ausgefallenem Weihnachtsmarkt und vielen weiteren Zwängen, aber auch Tornados in den USA, leidende Flüchtlinge vor den Grenzen der EU und so weiter und so fort.
Freude liegt gerade nicht oben auf.
Donnerstag, 9. Dezember 2021
Alle sind schuldig?! Erfahrungen aus der Gefängnisseelsorge. Eine Ansprache
Der folgende Text bildet die Grundlage einer Ansprache beim Potsdamer Hochschulgottesdienst zm Thema "Gefangene besuchen" als Werk der Barmherzigkeit am 05.12.2021. Dafür nehme ich einige Gedanken und Textpassagen aus früheren Beiträgen (z.B. von hier und hier und hier und hier und hier) noch einmal auf und stelle sie in einen größeren Kontext.
Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, denen ich begegnet bin, waren ehemalige KZ- und Gulag-Häftlinge in der Westukraine. Vor zwanzig Jahren machte ich dort einen Freiwilligendienst und besuchte Alte, die ihre Hafterfahrungen niemals thematisierten und andere Alte, die über nichts anderes sprachen.
Die Gründe für ihre Inhaftierung waren ganz einfach ihr Patriotismus, ihr Jüdischsein, ihre politische Meinung oder die Tatsache, dass sie Teil der Roten Armee waren. Jedenfalls waren die Gründe für ihre Haft keine Gründe, die es rechtfertigen würden, Menschen zu inhaftieren oder gar in ein Todeslager zu stecken.
Die ersten Menschen mit Hafterfahrungen, die ich kennenlernte, waren also unschuldig.
Montag, 6. Dezember 2021
Advent – Das Beste kommt erst noch!
Beitrag für den Märkischen Sonntag, ein Brandenburger Anzeigenblatt:
Liebe Leser*innen,
der Advent ist in diesem Jahr wie gemacht um zu verstehen, was Advent eigentlich bedeutet. Natürlich, die Corona-Maßnahmen hängen uns allen zum Hals heraus und auch ich hätte mir alles ganz anders gewünscht. Nun aber müssen wir wieder einen Advent mit Einschränkungen feiern.
Samstag, 4. Dezember 2021
Alles im Fluss. Maria und Josef unterwegs
Der Aufbruch ist meistens das Schwerste, ich gebe es ja zu. Mich aufraffen und losgehen – noch dazu in so einer Situation – das kostet mich eine unheimliche Energie. In dieser Krisenzeit ist alles in mir so matt und fühlt sich so anstrengend an. Schon das Aufstehen zehrt an meinen Kräften.
Aber jetzt habe ich meinen toten Punkt überwunden – und siehe da, es ist gar nicht so schlimm!
Donnerstag, 2. Dezember 2021
Will nicht! Maria macht sich auf den Weg
„Ich will nicht!
Das ist viel zu weit!
Was ist das überhaupt für ein Wahnsinn, durch das ganze Land zu juckeln, nur weil deine Familie dort wohnt?!
Außerdem bin ich schwanger! Da muss frau sich ausruhen! Nach innen spüren und nicht Blasen an den Füßen bekommen! Und schon gar nicht losgehen und irgendeinen Nachverfolgungsbogen oder so was ausfüllen.
Es geht einfach nicht! Die paar Monate machens doch dann auch nicht mehr!
Dienstag, 30. November 2021
„Ein Pflaster auf vielen Wunden sein.“ Etty Hillesum zum Gedächtnis
Eigentlich wollte ich über die letzthin wieder bekannter gewordene Gottsucherin und Menschenfreundin Etty Hillesum an ihrem heutigen Todestag ein paar schöne fromme Dinge schreiben.
Sie ist am 30. November 1943 in Auschwitz ermordet worden und hat durch ihre Tagebücher und ihren Einsatz für jene, die früher aus Westerbork in den Niederlanden deportiert wurden und für die sie sich einsetzte, seit den 1980ern eine gewisse Bekanntheit erlangt.
Freitag, 26. November 2021
Lichtschüttung. Pause. Aber vorher ein Gedicht.
In diesem Advent werde ich es hier im Internet mal etwas ruhiger angehen lassen und auf den in den letzten Jahren üblichen Adventskalender verzichten.
Die Corona-Situation mit ihrer Ungewissheit und Unplanbarkeit zehrt wahrscheinlich an allen und so auch an meinen Nerven und darüber hinaus tut es mir persönlich wahrscheinlich gut, insbesondere etwas social-media-Abstinenz zu üben. Hier auf dem Blog werden sporadisch vielleicht mal kleinere Beiträge reingehen, meist rund um die Sonntage.
Aber sonst bleibt es bei mir ruhig.
Samstag, 20. November 2021
Selbst Verantwortung übernehmen. Über Franz Jägerstätter und Christkönig
Kann man der Regierung noch gehorchen? Oder gibt es einen höheren Bezug, in den sich ein verantwortungsbewusster Mensch in seinem Gewissen stellen muss und der es ihm dann in gewissen Fragen nicht gestattet, der Regierung zu folgen?
Es waren diese großen Fragen, von denen „Ein verborgenes Leben“ handelte, der letzte Film von Terrence Malick. Franz Jägerstätter, ein österreichischer Bauer, der aus Gewissensgründen den Kriegsdienst unter dem Nationalsozialismus verweigerte und heute als Märtyrer der katholischen Kirche verehrt wird, wird in diesem Film porträtiert. Er konnte den damals Regierenden nicht folgen, weil sein christlicher Glaube und sein Gewissen dem entgegenstanden. Seine inneren Konflikte und seine äußeren Bedrängnisse werden im Film meditiert.
Sonntag, 14. November 2021
Hin und her und ohne Ausweg. Stimmungbild mit Sonntagsevangelium
Diese Zeiten schlagen mir wirklich auf die Stimmung - neue Corona-Welle, sichtbare Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, die Klimakrise einzuhegen, erfrierende Menschen vor den Grenzen der EU und Regierungen, denen es um ihre Prinzipien, nicht um die Menschen geht...
Wohin ich auch schaue, es ist einfach zum Fürchten - und ich beschäftige mich Tag für Tag mit meinen kleinen Problemchen, während da draußen die Welt in Flammen steht.
Das Gefühl, doch nichts tun zu können und dem Geschehen blind ausgeliefert zu sein, es deprimiert mich. Kein Selbstwirksamkeitserleben, wie die Pädagogen sagen.
Sonntag, 7. November 2021
Alles eine Frage der Motivation. Mit Heinrich Heine zur Liebe
Wie verrückt kann man sein?
Wer sowieso nur wenig hat, könnte doch bei den Ausgaben vorsichtiger sein und nicht Geld aus dem Fenster werfen, das morgen schon wieder fehlt!
Wenn Jesus im Evangelium des Sonntags (Mk 12,38-44) eine Witwe zum Vorbild erklärt, die alles, was sie hat, in den Opferkasten des Tempels wirft, dann kann man sich dabei über vieles wundern. Nicht nur die erwähnte ökonomische Dummheit sticht ins Auge, auch der religiöse Sinn ist erklärungsbedürftig.
Montag, 1. November 2021
Alle gehören dazu! Anstoß an Allerheiligen
Wenn an den Tagen rund um den 1. November Kerzen auf viele Gräber gestellt werden, dann denken wir an unsere verstorbenen Angehörigen und Freunde. Denn es ist Allerheiligen und Allerseelen. „Du bist nicht vergessen!“ wollen diese Kerzen sagen, „Wir halten dich in unseren Herzen!“ Wir als Christ:innen drücken damit zugleich unser Vertrauen aus, dass Gott unsere Lieben (und später auch uns selbst) im Tod nicht verlässt.
Sonntag, 31. Oktober 2021
Impfen ist Nächstenliebe – Ökumene ist Gottesliebe
Selten fiel es mir leichter, den Kern einer biblischen Aussage so passgenau auf eine konkrete heutige Situation zu beziehen.
Denn wenn Jesus im Sonntagsevangelium (Mk 12,28-34) die Forderung der Nächstenliebe ganz oben anbindet und als zweites Hauptgebot neben die Gottesliebe stellt, dann muss ich angesichts der neuerlich stark steigenden Infektionen mit Corona sofort daran denken, dass das Wohlergehen meiner Nächsten mir als Christen nicht egal sein darf. Der aktuell effektivste und (auch im Blick auf den Selbstschutz) sinnvollste Weg, dieses Wohlergehen in der aktuellen Pandemie zu schützen, ist, sich impfen zu lassen.
Freitag, 29. Oktober 2021
Ich will meiner Sehnsucht folgen. Predigt am Anfang
„Ich
will meiner Sehnsucht folgen“ – so haben wir diesen Gottesdienst
überschrieben.
Doch
wem oder was folge ich eigentlich, wenn ich meiner Sehnsucht folge?
Ist das Thema nicht viel zu wenig religiös und dafür sehr
selbstbezogen und egoistisch? Und überhaupt – machen das nicht
sowieso alle, ihrer Sehnsucht folgen?
Andere meinen: Es ist dir doch gesagt, was du zu tun, zu denken und zu glauben hast! Die Bibel, die Kirche, die Tradition der spirituellen Meister nehmen dich an die Hand. Deine Sehnsucht kannst du stecken lassen, denn der Weg ist bereits gebahnt! Geh ihn und alles wird gut.
Samstag, 23. Oktober 2021
Neue Energie zum neuen Sehen. Predigt zu Bartimäus (Mk 10,46-52)
Es ist ein wunderbares Beispiel, das uns da im Evangelium (Mk 10,46-52) vorgestellt wird – der blinde Bartimäus entwickelt ungeahnte Kräfte, als er merkt, dass Jesus vorbekommt.
Dazu drei Anstöße von mir:
Samstag, 16. Oktober 2021
„Bei euch aber soll es nicht so sein“ - Zwischen Lachen und Weinen.
Es fällt schwer, beim Evangelium des Sonntags (Mk 10,35-45) nicht bitter aufzulachen, wennJesus den beiden machthungrigen Jüngern Jakobus und Johannes entgegnet: Wenn es um Macht geht, wisst ihr, dass es überall mit Hauen und Stechen abläuft - „bei euch aber soll es nicht so sein“ (v43).
Samstag, 9. Oktober 2021
Auf der Spur des Vertrauens. Zum Unterschied zwischen Christ:innen und Nichtchrist:innen
Ich bin in der Regel bemüht, die Gemeinsamkeiten von Christ:innen und Nichtchrist:innen herauszustellen und die christliche Botschaft so zu formulieren, dass sie möglichst leicht annehmbar ist.
Aber das heutige Evangelium (vgl. Mk 10,17-30) ist für mich ein Beispiel dafür, wie der kleine aber feine Unterschied aussehen kann.
Sonntag, 3. Oktober 2021
Ein Leib sein. Über Ehe und Christsein
Aus zwei mach eins!
Was auch gut für eine Rede zum Tag der deutschen Einheit taugen würde (Einen schönen Festtag auf diesem Wege!), ist im Evangelium des Sonntags (Mk 10,2-10) auf die Ehe gemünzt.
Also: Was für eine Herausforderung!
Jesus macht aus der Ehe eine echte menschliche Verwandlung. Denn aus den beiden Liebenden, die jeweils in sich "ein Fleisch" sind, wird nun zusammen "ein Fleisch" (v8). Und dies sagt er in einem Kontext, in dem es um die Ehescheidung geht – als Anfrage der Pharisäer, die von Jesus eine Aussage dazu haben wollen.Sonntag, 19. September 2021
Gott liebt biographische Brüche. Zwei Notizen zum Sonntagsevangelium
Ich habe nun meine neue Stelle angefangen. Damit geht einher, dass ich mich seit drei Wochen immer wieder vorstellen muss. Jedes Mal frage ich mich im Hinterkopf, wie sehr ich mich selbst in ein gutes Licht rücken will und welche Aspekte meiner Biographie ich dafür stark mache. Und natürlich überlege ich auch ab und zu, ob ich strategisch zurückhaltend sein will, natürlich in der (mindestens halbbewussten) Hoffnung, dass jemand mehr wissen möchte und nachfragt.
Damit tappe auch ich in die Falle der Jünger des heutigen Evangeliums, die sich streiten, wer von ihnen der Größte sei und denen von Jesus entgegengehalten wird, dass die Ersten die Letzten sein werden (Mk 9,30-37).
Sonntag, 5. September 2021
Wodurch wird geheilt? Drei Thesen zum Sonntagsevangelium
Was heilt einen Menschen eigentlich wirklich?
Der personalistische Existenzialist in mir antwortet ganz fromm und allgemein: Begegnung und Zuwendung. Und das mag auch sein. Aber wenn wir auf das heutige Evangelium von der Heilung eines Taubstummen schauen (Mk 7,31-37), wird diese Antwort aufgesplittert in einzelne Elemente.
Montag, 30. August 2021
Rückblick vor dem letzten Tag im Gefängnis
Morgen ist mein letzter Tag im Gefängnis. Ich werde meinen Schlüsselchip abgeben und meinen Dienstausweis. Vorher warten noch ein paar Gespräche und Begegnungen. Dann war es das erst einmal für mich mit der Gefängnisseelsorge.
Und ich kann nur wiederholen, was ich in den letzten fünf Jahren oft genug mündlich betont habe: Es ist der schönste Arbeitsplatz, den ich bisher hatte.
Sonntag, 22. August 2021
Harte Worte und Worte zum Leben. Predigt zum Abschied aus der JVA
Wie es der Zufall will, ist es eine Abschiedsrede, die wir da im heutigen Evangelium (Joh 6,60-69) hören. Nach einer anstrengenden und langen Rede haben einige von denen, die Jesus nachgegangen sind, keine Lust mehr, bei ihm zu sein, denn es war ihnen einfach zu viel, was er da von sich sagte. Jesus seinerseits gibt ihnen noch einige grundsätzliche Dinge mit auf den Weg.
Meine heutige Situation hier vor Ihnen
ist ganz verschieden von dieser Situation der Jünger – ich gehe
nicht, weil mir das alles zu viel ist und ich will auch nicht noch
ein Bekenntnis aus ihnen herauskitzeln, wie Petrus es dann abliefert.
Aber auch ich möchte noch ein paar Dinge sagen, die mir wichtig
sind. Dabei lasse ich mich anstiften von dem, was wir gerade gehört
haben.
„Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“ (v60)
Im Gefängnis ist vieles nur schwer zu ertragen – manche Mitgefangenen, manche SozialarbeiterInnen, manche Bedienstete, manche Angehörige – aber allzu oft auch das ganze System Knast. Vorzeitiger Einschluss, nicht besetzte Zahlstelle, kein Besuch, schon wieder warten usw. Wer kann das ertragen?
Und dann auch noch die Seelsorger. Sprechen von Gott, wo doch so viele andere wichtigere Sachen anstehen – eine Überweisung, ein Telefonat, ein Päckchen Tabak oder eine VPK.
Samstag, 14. August 2021
"...aus demselben Stoff gemacht wie wir...". Elena Ferrante an Mariä Himmelfahrt gelesen
Elena Greco, die Ich-Erzählerin von
Elena Ferrantes vierbändiger Reihe "Meine geniale Freundin"
(im deutschen etwas pathetisch Neapolitanische Saga genannt), hat es
geschafft.
Die junge Frau, die aus einfachsten,
nahezu analphabetischen Verhältnissen eines Ghettos (Rione) in
Neapel kommt, hat am Ende des zweiten Bandes "Die Geschichte
eines neuen Namens" nicht nur die Grundschule und das
Gymnasium, sondern auch noch ein Studium hervorragend abgeschlossen.
Und doch merkt sie, dass ihr etwas fehlt, das alle ihre
Mitstudentinnen und -studenten zu haben scheinen. Denn "eigentlich",
sagt sie von sich, "blieb ich eine kulturell angepasste
Dilettantin, ich besaß keine Rüstung, in der ich ruhig
voranschreiten konnte, wie sie es taten."1
Sonntag, 1. August 2021
Ausbruch aus dem Ärger. Bemerkung zur Lesung aus dem Buch Exodus.
Die Dynamik ist allseits bekannt - einer macht einen Fehler, der andere haut drauf, dann wird der Erste bockig und es gibt noch mehr Ärger - und so geht es in einem Teufelskreis immer weiter bergab. So beschreibt beispielsweise Psalm 106 die Geschichte Israels mit Gott.
Freitag, 30. Juli 2021
Nachreifen. Ignatius als Prophet Jona
Gottes Ruf ereilt nicht alle Gerufenen freiwillig.
Ein besonders prominentes Beispiel ist der biblische Prophet Jona, der sogar versucht, vor Gottes Auftrag zu fliehen. Denn die Aussicht, sich mit einer strengen göttlichen Botschaft in Ninive unbeliebt zu machen, beflügelte ihn nicht gerade und er floh. Doch Gott fand einen Weg, um Jona umzustimmen - das ist die bekannte Geschichte des vom Schiff geworfenen, im Meer versinkenden und vom Fisch verschluckten Propheten. So rettete Gott Jona und dieser machte sich auf den Weg nach Ninive und begann erfolgreich zur Umkehr aufzurufen.
Sonntag, 25. Juli 2021
Das nicht selbstverständliche Wunder. Gedanke zum Evangelium (Joh 6,1-15)
Mich hat dieser Satz beschäftigt, weil mir nicht unmittelbar eingängig war, warum er nach der Wundergeschichte noch im Evangelium steht. Natürlich soll das Ergebnis des Sammelns, bei dem viel übrig blieb, darauf hinweisen, wie groß das Wunder war. Aber warum der Nachsatz, warum sollte nichts verderben?
Samstag, 17. Juli 2021
Vom Ruhen und Aufbrechen, von Orientierung und Sorge. Predigt im Gefängnis
Vorbemerkung: So erschreckend ich die katastrophalen Bilder und Berichte aus den aktuell überfluteten Gebieten Deutschlands finde, so wenig halte ich sie für relevant in der Realität des Lebens in einem Berliner Gefängnis, weshalb ich dieses Thema nicht in der Predigt, sondern nur in den Fürbitten thematisiert habe.
Heute möchte ich auf drei unterschiedliche Perspektiven hinweisen, die uns im Evangelium des Sonntags (Mk 6,30-34) etwas sagen können: Da sind einmal die Jünger, da sind die Leute, die Jesus suchen und da ist Jesus selbst.
Sonntag, 4. Juli 2021
Ich will größer von dir denken. Ein Gedanke zum Sonntagsevangelium
Am Ende des Sonntags noch ein kurzer
Blick auf das Evangelium.
Im Zentrum steht die Ablehnung Jesu
durch die Menschen aus seiner Heimatstadt, als er sich dort nach
langer Zeit wieder einmal aufhält (Mk
6,1b-6).
Schaue ich auf mich und mein Leben, erkenne ich oft ein ganz ähnliches Verhalten gegenüber Menschen, die ich schon lange und in bestimmten Rollen und Kontexten kenne.
Samstag, 19. Juni 2021
Die anderen Boote. Seitenblick auf das Evangelium von der Stillung des Sturms (Mk 4,35-41)
Das Evangelium von der Stillung des
Sturms (Mk 4,35-41) ist ganz konzentriert auf das Boot, in dem Jesus
sich befindet. Nur in Vers 36 wird erwähnt, dass es auch "andere
Boote" gab, die sie begleiteten.
Als die Jünger sich dann vor dem Sturm fürchten und Jesus nach ihrem Glauben fragt, wandelt sich die Geschichte zu einer wirklichen "guten Nachricht" von Jesus dem Sturmbezwinger und zugleich zur Frage nach dem Vertrauen auf Jesus in den Stürmen des Lebens.
Die "anderen Boote" tauchen in all dem nicht mehr auf. Doch wer waren sie? Was geschah mit ihnen während des Sturms? Wie hielten ihre Passagiere die Angst aus in den Booten, in denen Jesus nicht schlief?
Samstag, 12. Juni 2021
Gottes Same in uns. Eine Auslegung zu den Gleichnissen von der selbstwachsenden Saat und vom Senfkorn (Mk 4,26-34)
Rätselfrage: Was beginnt so winzig klein, dass man es beinahe übersehen kann – aber hat doch eine so unglaubliche Kraft in sich, dass es die Welt aus den Angeln hebt?
So wie Corona viel Angst und Sorge, Not und Unglück über die Welt gebracht hat – so will Gott mit seiner Herrschaft eine Welt des Friedens zu uns bringen.
***
Donnerstag, 3. Juni 2021
Fronleichnam – Fest der Liebe
Wenn wir Christen gerade mit irgendwas nach draußen gehen sollten, dann ist das meiner Meinung nach – Liebe.
Es wäre ein Gegenangebot dazu, wie kirchliches Christsein aktuell wahrgenommen wird – als ausschließend, abgehoben, weltfremd, fern von den alltäglichen Fragen und Problemen.
Samstag, 29. Mai 2021
Der Über-neben-in-Gott. Gefängnispredigt zu Trinitatis
Was Gott angeht, habe ich anspruchsvolle Vorstellungen, das gebe ich zu:
Gott ist der eine, der über allem ist und zugleich ganz nah bei uns.
In manchen Überlieferungen und Traditionen scheint er eindeutiger in der Nähe der Menschen zu sein – in anderen wiederum ist er ferne und entrückt. Das erscheint erst einmal kompliziert bis widersprüchlich.
Wenn man es auf die nah-fern-Frage beschränkt: Wir Christen glauben beides. (Und noch mehr.)
Donnerstag, 27. Mai 2021
Halte mich! Von meinem Stoßgebet.
Eines meiner meistgebeteten Stoßgebete lautet:
Mittwoch, 19. Mai 2021
Geiststurm heute? Vier Strophen zu Pfingsten
1
Gern Kirchengeburtstag genannt.
„Ein heftiger Sturm ... erfüllte das ganze Haus“
Stürmisch kennt Kirche es ja heute auch:
Segensmacht, Missbrauch, Weihezugang, Grabenkämpfe...
Kommt der Sturm vom Geist?
Donnerstag, 13. Mai 2021
Verbunden. Himmelfahrtspredigt im Gefängnis
Einer hats schon geschafft!
Mit der Himmelfahrt Jesu Christi sind wir Menschen ganz bei Gott angekommen. Wenn Jesus – Gottes Sohn und zugleich ganzer Mensch – nun bei seinem himmlischen Vater ist, dann hält er den Himmel für uns offen. Und wir haben jetzt schon eine Verbindung in den Himmel.
Sonntag, 9. Mai 2021
Demut, Geborgenheit, Entgrenzung – Eine Predigt über drei Dimensionen der Liebe.
Das große Thema der heutigen Lesungen (Apg 10, 25–26.34–35.44–48; 1 Joh 4, 7–10; Joh 15, 9–17) lautet – Sie werden es erraten haben – Liebe.
Nicht nur, dass Jesus im Evangelium von seiner Liebe zu seinen Jüngern spricht und sie auffordert, einander nach seinem eigenen Beispiel zu lieben. Sogar von Gott selbst wird der biblische Spitzensatz ausgesagt, dass er selbst Liebe sei (1Joh 4,8).
Während die beiden Johannestexte sehr auf Gott und Jesus fokussiert sind, hat die Apostelgeschichte die Menschen und ihr Handeln im Blick. Und auch hier, bei den Fragen der ersten Christen nach Zugehörigkeit und Abgrenzung, zeigt sich die Liebe.
Samstag, 8. Mai 2021
Zumutung der Rückkehrer. Das Kriegsende und die versehrten Väter
Das Gedenken an das Kriegsende ist ein Grund zur Freude – wir leben im Frieden! Tod und Zerstörung haben ein Ende gefunden und ein Neuanfang war möglich.
So das gängige Narrativ. Allerdings
lag Deutschland moralisch, materiell und ideologisch am Boden. Für
einen Anfang mit etwas Neuem mag das einerseits eine gute
Ausgangsposition sein. Doch andererseits schleppte die kaputte Nation
die Geister ihrer braunen Vergangenheit, Schuld und Leid, weiter mit
sich. Da gab es keinen sauberen Schnitt (wie ich hier
und hier
auch schon anmerkte).
Gerade in den Familien mussten sich die
versehrten Väter, Brüder, Söhne neu einfinden, teilweise nach
jahrelanger traumatisierender Kriegsgefangenschaft.
Monika Maron beschreibt in ihrem tragisch-genialen Wende-Liebes-Roman „Animal Triste“ die als hochproblematisch empfundenen Emotionen:
Donnerstag, 6. Mai 2021
Liebe gewinnt! Ein Radiobeitrag
So ähnlich werde ich
am Sonntag, 09.05.2021, früh um ca. 10 vor 10 auf rbb 88,8 zu hören
sein:
Am heutigen Sonntag und am
morgigen Montag werden in vielen Kirchen in Deutschland Liebende
gesegnet. An sich ist das nichts ungewöhnliches – solche Segnungen
haben eine lange Tradition im katholischen Glauben, besonders am
Valentinstag kann man das vielerorts erleben. Und auch bei einer
kirchlichen Eheschließung gehört die Bitte um Gottes Segen, seinen
Beistand und seine Gegenwart, selbstverständlich dazu.
Heute und morgen aber
geschieht etwas Besonderes. Denn unter dem Motto "Liebe gewinnt"
wollen katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger ausdrücklich auch
gleichgeschlechtliche Liebespaare segnen. Und das ist in der
katholischen Kirche ein Politikum.
Donnerstag, 29. April 2021
dankbar. Ein Stimmungsbild
Ich weiß, dass das in der jetzigen Zeit komisch klingen mag, aber ich bin gerade sehr dankbar.
Das hat auch damit zu tun, dass sich in meinem Leben aktuell eine Menge ändert: ein Umzug in eine andere Stadt steht an (Frankfurt an der Oder!), damit verbunden eine neue Arbeitsstelle (noch geheim).
Im Hintergrund stehen auch noch die Impfung, die jetzt demnächst kommt und die konkrete Hoffnung auf ein mittelfristiges Ende der einschneidendsten Corona-Probleme.
Sonntag, 25. April 2021
In der Krise der Autoritäten vom Guten Hirten sprechen
"Ich kenne die Meinen"
Dabei sind wir so schwer zu kennen, rennen wir doch alle in unterschiedliche Richtungen – wir laufen Allesdichtmachern oder No-Covid-Agitatoren hinterher, hören auf Rahnerangriff oder Osterkonter, sind für Laschet oder Baerbock, lieben Papst Franziskus oder seine Kurie.
Diese Spaltungen sind so ermüdend!
Wenn da wirklich einer meint, er würde uns kennen, dann hätte er viel zu tun in jeder Richtung.Und er käme zu einer unpassenden Zeit. Einer Autorität, die mir einflüstern wollte, dass sie uns kenne, stünde ich sehr skeptisch gegenüber.
Zu viele haben ihre Ohren angeblich nah am Herzen des einfachen Mannes, zu viele glauben nur den alleraktuellsten Meinungsumfragen, zu viele lassen sich treiben von angeblichen Bedürfnissen ihrer Wählerklientel.
Samstag, 17. April 2021
Trauer und Hoffung. Von den Toten und der Auferstehung
Während wir jetzt hier im Gefängnis unseren Gottesdienst feiern [Predigt am 18.04.2021, vormittags], wird gleichzeitig in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein großes Gedenken für die Opfer der Corona-Pandemie (und alle Toten dieser Zeit) begangen. Die Trauer über die Toten, von denen sich ihre Angehörigen oft genug nicht einmal verabschieden durften, kann dort noch einmal Raum finden.
In unserem Gottesdienst möchte auch ich dieses Gedenken an die Toten mit einbeziehen.
Für uns Christen ist das sowieso der richtige Zeitpunkt – wir feiern die Auferstehung, 50 Tage lang ist Osterzeit, bis Pfingsten!
Die Trauer um die Toten und die Hoffnung auf ihr Leben bei Gott gehören zusammen.
Sonntag, 11. April 2021
Gemeinschaft und Wunden – Von zwei Ankern des Glaubens am Weißen Sonntag
Ich erkenne im heutigen Evangelium (Joh 20,19-31) zwei Pole: Gemeinschaft und Wunden.
Man wagt es in der Kirchenkrise kaum zu schreiben, aber das Evangelium vom zweifelnden Thomas ist ein Evangelium von der Bedeutung der Glaubensgemeinschaft.
Der Glaube an den Auferstandenen fußt auf Gemeinschaft, Thomas aber war nicht bei den anderen Jüngern, als Jesus sich ihnen das erste Mal zeigte, darum konnte (und wollte) er nicht glauben. Die anderen Jünger schienen ihm keine glaubwürdigen Zeugen zu sein.